Dienstag, 29. Juli 2014

Wiederaufnahme Gustl Mollath – 14. Tag: 27 Anträge

»Lieber Gustl, die aktuelle Situation veranlasst mich leider, nach einem Jahr der intensiven Beschäftigung mit Deiner Sache nunmehr eine Zwischenbilanz zu ziehen. Du wirst Dich über diese brutale Formulierung wundern, doch ich kann sie Dir nicht ersparen, wenn ich weiterhin authentisch bleiben will, was ich definitiv will: Momentan muss ich leider feststellen, dass Du auf dem besten Wege bist, alles, was sich zu Deinen Gunsten aufgebaut hat, mit dem Arsch wieder einzureißen.« [Quelle]

Obiges Zitat stammt aus einem Brief, den ich am 25. November 2013 an Gustl Mollath geschickt hatte. Der Empfang wurde am 29. November von einer empfangsbevollmächtigten Person auf dem Rückschein quittiert. Anlass für diese dreiseitige briefliche Einlassung meinerseits waren telefonische Nachfragen seines Verteidigers Gerhard Strate gewesen, der schon in dieser Zeit offenbar starke Probleme hatte, seinen Mandanten zu erreichen. Eine mehr als peinliche Situation für mich, denn Mollath rief mich in dieser Zeit öfter mal an oder besuchte mich auf der Durchreise, reagierte jedoch nur zögerlich bis gar nicht auf meine dringenden Appelle, seinen Anwalt zu kontaktieren. Strate hatte durchaus Anlass, zu vermuten, den Kontakt über mich herstellen zu können, hatte Mollath doch in den ersten drei Tagen nach seiner überraschenden Entlassung bei mir gewohnt, bis er eine Bleibe für die Anfangszeit gefunden hatte. Das Problem der Erreichbarkeit sollte sich in der Folgezeit noch etliche Male wiederholen, doch meinem Eindruck nach scheint es immer einseitig gewesen zu sein: Stets erlebte ich Gerhard Strate auf der Suche nach Gustl Mollath, niemals umgekehrt.




Strate: »Wir hatten Gelegenheit, die Verteidigung vorzubereiten!«


Landgericht Regensburg
Am 14. Prozesstag des Wiederaufnahmeverfahrens in Regensburg nun werden die schon damals manifesten Probleme offenkundig. Ein heftiger Wortwechsel, der schon vor Beginn auf der Verteidigerbank zwischen Anwalt und Mandant geführt wird, lässt nichts Gutes für diesen Tag ahnen. Und tatsächlich: »Ich verlasse mich auf die Verteidigung, dass mir das dient«, antwortet Mollath schroff, als die Vorsitzende Richterin nach seiner Zustimmung zur Verlesung einer früheren Aussage seiner Ex-Frau fragt. Kurz danach erklärt Mollath, dass er wohl »eine andere Rechtsberatung und Unterstützung« benötigen werde und stellt einen eigenen Antrag: Er bittet darum, die Beweisaufnahme noch nicht zu schließen und ihm eine Frist bis zum 8. August zu gewähren, um 27 Anträge vorzubereiten, zu denen eine Rücksprache mit seinem Pflichtverteidiger nicht möglich gewesen sei, da es dafür noch keine Zeit gegeben habe. Außerdem habe er vor, sich zur Sache zu erklären, da Prof. Dr. Nedopil ja nun entlassen sei. Die Ermittlung des wahren Sachverhalts sei ein Recht des Angeklagten.

Rechtsanwalt Strate verwahrt sich entschieden dagegen, zu wenig Zeit für seinen Mandanten gehabt zu haben: Er sei auch am Wochenende über das Handy erreichbar gewesen. Am Sonntag dann habe er selbst Mollath angerufen, um 20.15 Uhr, doch dieser habe nicht abgenommen. Die Behauptung im Raum müsse er dementieren: »Wir hatten Gelegenheit, die Verteidigung vorzubereiten!« Die implizite Diffamierung der Verteidigung sei ein starkes Stück: Mollaths 30 Beweisanträge seien Mist. Bis vergangenen Freitag sei der Prozess auf Kurs gewesen, um einen glatten Freispruch und die volle Rehabilitierung Mollaths zu erreichen. »Wenn andere ihn so dargestellt wissen möchten, wie er früher auftrat, bitte ich um Entbindung!«

Dass Strate durchaus Grund hat, derartige Kräfte im Hintergrund zu erwähnen, ergibt sich aus dem Twitter-Account des »Plagiatsjägers« Martin Heidingsfelder, der schon im Vorfeld des Prozesses keine Gelegenheit ausgelassen hat, Mollath absolut grenzwertig durch den Kakao zu ziehen.

Wo Mollath auftaucht, gibt es eben auch kaputte
Autoreifen. Selten so gelacht. Quelle


Erklärung: Zu einer Hauptverhandlung im Jahre 2003 war Mollath
mit einer Zahnbürste in der Jackentasche erschienen, da man
sowieso plane, ihn einzusperren. Heidingsfelder scheint daran
gelegen zu sein, Mollath auf diesem Niveau zu halten. Quelle


Da ihm der müde Lacheffekt solcher Gags längst nicht mehr ausreicht, hat Heidingsfelder nun noch eine Schippe draufgelegt. In der BR-Abendschau vom 28. Juli war er folgendermaßen zu vernehmen:


»Ich beobachte vom ersten Tag den Prozess und weise immer auf kleine Fehler hin und versuche da auch ein bisschen Einfluss zu nehmen, auch auf die Prozessführung und so weiter.« [Quelle: BR, bei ca. 1:40]

Noch deutlicher geworden war er bei regensburg-digital.de bereits am 24. Juli 2014:

»„Ich habe diese Auseinandersetzung mit Strate befeuert“, räumte etwa ein Vertrauter Mollaths am Mittwoch gegenüber unserer Redaktion ein. „Das hätte eine richtig große Nummer werden können, aber der Strate zieht einfach nicht mit.“«

Diese Aussage erfuhr anschließend eine leichte Umformulierung: »Über Twitter« habe er die Auseinandersetzung befeuert, heißt es dort nun. Dass dem nicht ausschließlich so ist, hatte ich in meinem Bericht vom 25. Juli unter dem Stichwort »Anwaltliches Schattenkabinett« (letzter Absatz meines Artikels) bereits klargestellt.



Ich habe meine eigenen Grenzen


Ist es schon für interessierte Prozessbeobachter schwer zu glauben, dass ein Anwalt vom Format Strates sich nicht die Zeit genommen haben soll, mit seinem Mandanten die Führung eines solch wichtigen Prozesses abzusprechen, so ist das für mich, die ich ein Jahr lang erlebte, wie Strate immer wieder hinter seinem Mandanten her telefonierte, eine völlig ausgeschlossene Variante, hatte ich Mollath doch bereits am 25. November im oben schon zitierten Brief geschrieben:

»Doch auch ich bin ein erwachsener Mensch. Und ich habe meine eigenen Grenzen. Zu denen gehört, dass ich mir Ungerechtigkeiten nicht endlos lange ansehe. Dabei ist es mir egal, ob sie gegen einen Gustl Mollath begangen werden, oder von eben diesem. 
Dir dürfte mehr als klar sein (auch wenn Du das momentan vielleicht verdrängen möchtest), dass Du ohne den unermesslichen Einsatz von Gerhard Strate wahrscheinlich noch immer im Bunker schmoren würdest. Kein anderer Mensch hat sich derart weit aus dem Fenster gelehnt, unter Einsatz seines guten Namens und seiner persönlichen Reputation. […] 
Monatelang hast Du, noch aus der Gefangenschaft heraus, die Devise ausgegeben, das ordentliche Wiederaufnahmeverfahren sei Dein wichtigstes Anliegen. Nun machst Du Dich ausgerechnet für den Anwalt unerreichbar, der dieses Ziel gemeinsam mit Dir durchsetzen möchte. Dass die bayerische Justiz nicht so einfach zu handhaben ist, ist Dir hinlänglich bekannt. Ist nicht ebendies ein Grund, sich der bestmöglichen Unterstützung zu versichern?« [Quelle]  


Ein Appell, der offenbar ungehört geblieben ist. Eine Antwort auf diesen Brief habe ich nie erhalten, jedoch folgte ihm eine sehr lange Sendepause vonseiten Gustl Mollaths. In der Zwischenzeit habe ich die weitere Entwicklung aus der Ferne verfolgt. Artikel wie der vom 26. Januar 2014, erschienen in der Nürnberger Nachrichten, ließen mich in dieser Zeit nichts Gutes erahnen:

»Ich wollte die Tätigkeit des Anwalts Ahmed in einem Wiederaufnahmeverfahren genießen. Ich habe schon immer versucht, seine Arbeit zu verfolgen, auch als ich in der Psychiatrie weggesperrt war. Auch aus Eigennutz: Das Wichtigste für jemanden in einem sogenannten Bezirkskrankenhaus ist ein ordentlicher Rechtsanwalt, eine ordentliche Verteidigung. Sonst wird es desaströs.«  [Quelle]

Für seinen eigenen Anwalt findet er nicht ein einziges Wort des Dankes. Auf die Frage, wo er momentan wohne, antwortet er:

»Ein paar Tage bei meinem Nürnberger Freund Martin Heidingsfelder - auf einer Matratze. Ich habe gut geschlafen, besser als in den Betten in den sogenannten Krankenhäusern. Eine Wohnung habe ich noch nicht: Ohne Moos nix los.«

Warum nur war es, trotz der mit Vorsicht zu genießenden Quelle, für mich keine Überraschung, als die Print-Ausgabe der BILD-Zeitung (Jens Völkerling) vor wenigen Tagen auf Seite 2 meldete, Mollath stehe schon seit Monaten in Verhandlungen mit einem Rechtsanwalt aus München. Alles an Strate vorbei?

In meinem Schreiben vom 25. November hieß es:

»Klar ist für mich eines: Solltest Du Deinen Anwalt jemals so weit bringen, dass er das Mandat niederlegt, dann werde ich auch meinerseits keine Möglichkeit mehr sehen, weiter in der Sache tätig zu sein, denn ich müsste meine Kraft aufgrund der dann doch zweifelhaften Erfolgsaussichten als vergeudet betrachten.« [Quelle]

Wie gut also, dass dieser Prozess nun kurz vor seinem Ende steht. Nach allen Erfahrungen der vergangenen Monate dürfte es ausschließlich Gerhard Strates Langmut zu verdanken sein, dass es überhaupt bis zu diesem Punkt gekommen ist.


»Herr Dr. Strate arbeitet mehr als lege artis: Er hat sich in das Wiederaufnahmeverfahren mit Akribie eingearbeitet!«, bestätigt denn auch Oberstaatsanwalt Meindl in seiner Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft habe dies ebenfalls getan. Wie weit Mollath seine zweite Chance nutze, sei dessen Entscheidung. Sodann führt Meindl aus, es sei dem Angeklagten unbenommen, eigene prozessuale Maßnahmen zu ergreifen und Beweisanträge zu stellen. Dies allerdings möge er zu einem Zeitpunkt tun, der den Verfahrensablauf sicherstellt, denn den Zeitplan gebe das Gericht vor, niemand sonst.

Gerhard Strate fügt hinzu, dass genügend Zeit zur Vorbereitung gewesen und eine längere Frist nicht nötig sei. Ein Mandant, der Lügen verbreite, gehe gegen seine Ehre. Sodann bittet die Vorsitzende Richterin Gustl Mollath um seine Stellungnahme. Dieser führt aus, es sei seit Monaten unterlassen worden, höchst relevante Zeugen zu laden. Als Beispiele nennt er die Gutachter Dr. Weinberger sowie Dr. Dieckhöfer, doch »Strate wollte die Kiste nicht aufmachen. Das wird bis heute verhindert«.

Ich spüre Feindseligkeit 


Die Vorsitzende Richterin möchte wissen, ob Mollath sich vorstellen könne, dass seine Verteidiger sich dabei etwas denken. Diese »haben wahnsinnig viel für Sie getan!« Mollath antwortet, er bitte darum, dem Antrag von Strate stattzugeben. Er spüre Feindseligkeit, denn er habe sich laufend bemüht. Sodann moniert er, dass ein Anruf um 20.15 Uhr nicht dazu geeignet sei, etwas so Wichtiges zu besprechen.

Strate entgegnet, dies könne er nicht so im Raum stehen lassen. 13 Tage lang habe die Verteidigung die Übernachtung Mollaths im Hotel in Regensburg vorfinanziert, denn dieser sei trotz Spendengeldern dazu nicht in der Lage. Darüber hinaus sei er »jederzeit erreichbar«. Anschließend übergibt Mollath dem Gericht die Auflistung der 27 Zeugen, deren Nichtbeantragung er seinem Verteidiger vorwirft. Nach einer fünfzigminütigen Verhandlungspause verkündet die Kammer den Beschluss, die Entpflichtungsanträge Strates und Rauwalds abzulehnen. Das Gericht erkenne »keine groben Pflichtverletzungen.« Die nichtgestellten Anträge seien kein Grund, eine nicht sachgerechte Verteidigung festzustellen. Es bestehe an der hohen Professionalität der Verteidigung keinerlei Zweifel.


Im Anschluss folgt die Verlesung einiger Dokumente, so auch des berühmten Sonder-Revisionsberichts der HVB und weiterer Schriftstücke aus dem Umfeld der Bank sowie die Anordnung des Selbstleseverfahrens für weiterführende Unterlagen.

Im Anschluss bittet Strate das Gericht, die Dokumente einsehen zu dürfen, die Mollath am Vormittag übergeben hatte. Sodann erklärt er, nun keine Probleme mehr mit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht zu haben und bittet darum, die von Mollath gewünschte Zeugenaufstellung verlesen zu dürfen. Neben diversen Mitarbeitern der HVB, deren Ladung Strate teilweise selbst längst beantragt hatte, finden sich in dem Sammelsurium neben weiteren Bankern auch Politiker und einige durchaus wortmächtige Menschen, die vielleicht aus diversen eigenen Publikationen vortragen, jedoch nichts zur Aufklärung der in diesem Prozess angeklagten Taten beitragen könnten. Nach der Verlesung der Liste erklärt Oberstaatsanwalt Meindl, es handle sich seiner Auffassung nach um Beweisanregungen, zu denen seinerseits keine Stellungnahme erfolge.


Ein großer Sieg für Gustl Mollath


Nach einer langen Pause verkündet das Gericht den Beschluss über einige Beweisanträge der Verteidigung. Die Ladung der von Strate beantragten sieben Zeugen aus dem Mitarbeiterkreis der HVB sowie eines weiteren Zeugen wird abgelehnt. In ihrer Begründung verliest die Vorsitzende einige Dokumente zu diesem Komplex, die auf eine »bankseitig organisierte Beihilfe zur Steuerhinterziehung« erkennen. Die Anträge waren abzulehnen, erklärt sie abschließend, weil alle Beweisanträge so behandelt werden könnten, als wären sie wahr. Ob Gustl Mollath diese eigentliche Sensation des Tages zu seinen Gunsten wohl mitbekommen hat? Heidingsfelder jedenfalls hat wieder einmal nichts gerafft, wie sich wenig später auf Twitter zeigt:

Quelle

Aus gut informierten Kreisen ist mir im Übrigen bekannt, dass es Menschen gibt, die über tatsächliche darüber hinausgehende Beweismittel zur Aufdeckung eines HVB-Skandals zu verfügen glauben. Hierbei soll es sich um dieselben Personen handeln, die angeblich bereits sechs Monate vor den Betreibern dieses Blogs handfeste Belege für den Haderthauer-Modellbaufall in der Hand gehabt haben sollen. Warum sie sie nicht veröffentlichten und damit den Stein schon früher ins Rollen brachten? – Keine Ahnung. Wie einfach das eigentlich ist, hatte unser Blog dazumal vorexerziert, als wir als bundesweit Erste, noch vor allen großen Medien, über die Sache berichteten. Wer auch immer also auf stichhaltigen Beweismitteln zum Thema HVB sitzt, sollte die Sachen nun schnellstens an Medien oder Blogger geben, damit ein eigener HVB-Prozess bald beginnen kann. Mit Gustl Mollath als Zeuge. Angebliche Beweismittel, so sie tatsächlich tauglich sind, nicht zu veröffentlichen und stattdessen der schwer arbeitenden Verteidigung in einem Strafprozess wegen angeblicher Körperverletzung und angeblicher Sachbeschädigung nach Heckenschützenart das Leben schwerzumachen, ist nichts als ein widerliches Pissding.

>> Wortprotokoll zum 14. Verhandlungstag


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Sonntag, 27. Juli 2014

236 »Ein Heidentempel, drei Göttinnen und der Dom von Worms«

»Ein Heidentempel, drei Göttinnen und der Dom von Worms«
Teil 236 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein

»Von Wunderdingen melden die Mären alter Zeit;
Von preisenswerten Helden, von großer Kühnheit,
von Freud‘ und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen,
von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen.« (1)

Der Dom zu Worms bei Nacht. Foto W-J.Langbein

So beginnt das berühmte Nibelungenlied, das große mittelalterliche Heldenepos, das wohl zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Einer der wirklich wichtigen Schauplätze ist der Königshof zu Worms. In Worms will der legendäre Siegfried um Kriemhild werben. Vor dem Dom kommt es zum dramatischen Streit zwischen den Königinnen. Die beiden Damen sind sich uneins, wer im Rang höher steht. Ist es Siegfried? Ist es Gunther? Ist Siegfried Gunther ebenbürtig? Oder steht er unter dem König, als »Gefolgsmann«? Welche der Damen darf als erste den Dom zu Worms betreten? Wer darf über das Königreich zu Worms herrschen, Gunther oder Siegfried?

»Da saßen beisammen die Königinnen reich
Und gedachten zweier Recken, die waren ohnegleich.
Da sprach die schöne Kriemhild: ›Ich hab‘ einen Mann,
dem müßten diese Reiche alle sein untertan.‹
Da sprach zu ihr Frau Brunhild: ›Wie könnte das sein?
Wenn anders niemand lebte als du und er allein.
So möchten ihm die Reiche wohl zu Gebote stehn:
So lange Gunter lebte, so könnt‘ es nimmermehr geschehn.‹« (2)

Schon in der Schulzeit (3) musste ich mich intensiv mit dem »Nibelungenlied« auseinandersetzen. Stundenlange Vorträge, etwa über das Verständnis des Begriffs »Ehre« waren zu ertragen. Ich muss zugeben, dass mich damals staubtrockene Definitionen von Begriffen in mittelalterlicher Dichtung kaum interessierten. Was mich aber faszinierte, kam im Unterricht gar nicht vor: Gab es den gigantischen Schatz der Nibelungen wirklich? Wurde er tatsächlich im Rhein versenkt? Wenn ja.. wo? Kann man ihn noch bergen? Und sollte der unermesslich kostbare Schatz tatsächlich gefunden werden, wem gehört er dann?


Reich verzierter Torbogen zum Dom. 
Foto W-J.Langbein

Ich unterbreitete damals meinem Deutschlehrer den Vorschlag, eine Studienreise nach Worms zu unternehmen. Ob es noch Hinweise auf die Nibelungen zu entdecken galt? Leider wurde mein Vorschlag abgelehnt. Ein Jahrzehnt später – im Sommer 1979 – lernte ich meine Frau kennen. Und siehe da: Der Großvater meiner Frau, Dr. Karl Schütze, hat sich viele Jahre seines Lebens mit dem Nibelungenlied auseinandergesetzt. Der Germanist aus Glückstadt hat schließlich eine weitverbreitete Übersetzung des alten Heldenepos publiziert (4). Beim Recherchieren in Sachen Nibelungenlied und Worms stieß ich auf den Mitbegründer der wissenschaftlichen Germanistik. Friedrich Heinrich von der Hagen (1780 – 1856) setzte sich intensiv mit dem Nibelungenlied auseinander. Erst kurz vor seinem Tod erschien seine Arbeit »Nibelungen« (5). Posthum folgte »DerNibelungen Klage« (6). Bei Friedrich von der Hagen entdeckte ich eine kühne Behauptung (7): Demnach soll es in Worms eine »Sigfridskapelle« (8) gegeben haben. Diese Behauptung elektrisierte mich geradezu. So begann meine Recherche in Sachen Siegfried und Worms. Sollte es tatsächlich – wie von Friedrich von der Hagen postuliert – eine »Sigfridskapelle« gegeben haben? Belege dafür fand ich keine, entdeckte aber sehr wohl das sakrale Bauwerk, auf das sich von der Hagen bezieht. Zu meiner großen Enttäuschung wurde das mysteriöse Bauwerk zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgerissen.


Die »Sigfridskapelle«. Historische Rekonstruktion. 
Foto: Archiv W-J.Langbein

Ohne Zweifel meint von der Hagen die »Johanneskirche«, die bis ins 19. Jahrhundert direkt neben dem Dom zu Worms stand. Dr. Eugen Kranzbühler widmet ihr, der »Johanneskirche«, in seinem bemerkenswerten Werk »Verschwundene Wormser Bauten« (9) im Kapitel »Die Pfarrkirchen« viel Raum (10). Dr. Kranzbühler (11): »Der Wormser Stadtschreiber  Johann Ludwig Hallungius nennt sie in seinen handschriftlichen Nachrichten von der Freien Reichsstadt Worms die Johanneskirche ›die älteste, noch aus dem Heidentum herrührende, unter der Erde zum Götzendienst mit Altären versehene Kirche. … Ein heidnischer Tempel, der ganz von Quadersteinen erbaut und gedeckt, unter der Erde rings um mit einem Gewölb versehen, worein das Licht durch viele bogige hohe Fenster einfällt.« Hallungius beschreibt den geheimnisvollen Bau als recht mysteriös: »Vor etlichen solchen Fenstern gegen Morgen stehen schlechte längliche viereckige Altäre mit Kohlen- und Schür(?)-Löchern versehen.«


Grundriss der verschwundenen Kapelle. 
Foto: Archiv W-J.Langbein

Längliche Altäre mit »Kohlen- und Schür-Löchern« erinnern ganz und gar nicht an christliche Kirchenbaukunst. Mit einem klassischen Kirchenschiff hatte der mysteriöse »heidnische Tempel«, so Stadtschreiber Hallungius (1732-1812), wenig, ja gar nichts gemein. Das sakrale Gebäude war rund (ein »Circul«), »die schwere Kuppel«, so Hallungius, ruhte auf steinernen Säulen. Untypisch war auch, dass die »Johannes-Kirche«, so Hallungius, teils unter-, teils überirdisch angelegt war. Sie war aus massiven Quadersteinen ein Stockwerk unter und zwei Stockwerke über der Erde angelegt worden. Es heißt, dass die Gläubigen »an Altären im unterirdischen Teil dem Götzen Mercurio opferten«. Sollte die »Johannes-Kirche« ursprünglich ein römischer Tempel gewesen sein? Wurde ein runder »Heidentempel« christianisiert, womöglich umgebaut und erweitert? Nach dem Studium zahlreicher Zeichnungen von der »Johanneskirche« drängt sich mir der Eindruck auf, dass beim Bau auf einen Turm aus der Römerzeit in die Anlage integriert wurde.

Wir wissen nicht, wer wann die Urform des Heiligtums baute, woraus die »Johannes-Kirche« entwickelt wurde. Wir wissen nicht, wer aus gewaltigen Steinquadern einen unterirdischen Kultort baute und darauf zwei weitere Stockwerke setzte. Der Ort jedenfalls war gut gewählt. Der etwa hundert Meter hohe Hügel bot Sicherheit vor den Hochwasserfluten des Rheins. Schon im dritten vorchristlichen Jahrtausend siedelten hier Menschen. Schon damals mag es dort einen Tempel gegeben habe, auf dessen Areal sehr viel später ein rundes Heiligtum entstand.

Grundriss von Dom und »Sigfridskapelle« (B). 
Foto: W-J.Langbein


1808 soll der mysteriöse Rundbau zumindest teilweise noch gestanden haben. Der überirdische Teil wurde damals als »Taufkirche« genutzt, der unterirdische als »Beinhaus«. Im Jahr 1837 allerdings war das seltsame Gebäude abgetragen worden. Ein Privatmann soll noch einige Säulenstücke und Kapitäle besessen haben. Warum wurde die »Johanneskirche«, die an der südlichen Langseite des Doms stand, abgerissen? Wurde nur der überirdische Teil abgetragen? Sind noch Reste des unterirdischen Teils erhalten? Kam der Befehl vom französischen Militär? Anno 1796 wurde der Dom von französischen Truppen zum Magazin degradiert und entweiht.1797 wurde Worms auf Dauer von französischem Militär besetzt und wurde Frankreich zugeschlagen. 1801 wurde das Bistum Worms aufgelöst.

Wie sich die Bilder gleichen: Nur wenige Meter vom Nordportal des Doms zu Paderborn entfernt steht die geheimnisvolle »Bartholomäus-Kapelle«, die älter als der Dom ist. Das äußerlich kleine, unscheinbare Gebäude hatte einen heidnischen Vorgänger, der wohl auf Befehl Karls des Großen (etwa 747 – 814 n.Chr.) vollkommen zerstört wurde.  Wie das heidnische Heiligtum ursprünglich im Inneren ausgesehen hat, wir wissen es nicht. Vermutlich wurde es durch Brandstiftung zerstört. Archäologen untersuchten penibel genau die spärlichen Überbleibsel. Dank ihrer geradezu pedantischen Geduld gelang es den Wissenschaftlern, Reste einer Inschrift zu rekonstruieren und zu entziffern. Da war von einem Drachen die Rede. Just an dieser Stelle hatten die heidnischen Sachsen ihren alten Göttern Pferdeopfer dargebracht. Die Drachen-Inschrift wurde nur wenige Meter nördlich von der Bartholomäus-Kapelle gefunden. Sie war so bruchstückhaft, dass ihr Inhalt nur erahnt werden kann. Wurde Karl der Große als Sieger über das Heidentum der Sachsen gefeiert, als der Unterwerfer des Drachens?


Das Innere der 
mysteriösen Kapelle. 
Foto: Archiv W-J.Langbein

Nur wenige Meter vom Dom zu Worms entfernt stand eine runde Kirche, die an keltische Heiligtümer erinnerte. Bis ins erste vorchristliche Jahrhundert siedelten Kelten auf dem Hügel. Waren es Kelten die den ersten Rundbau auf dem »Domhügel« anlegten? In der unterirdischen Krypta sollen noch in christlichen Zeiten heidnische Rituale abgehalten worden sein. Wie lange? 

Auf die Kelten folgten die Germanen, auf die Germanen die Römer. Übernahmen Römer Reste eines keltischen Rundbaus, um daraus ein Stätte der Verehrung für Gott Mercurius zu machen? Wie auch immer: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Sakralbau zerstört.

Wer freilich zu Beginn des dritten Jahrtausends Zeugnisse heidnischer Religiosität sucht, findet die Abbildung dreier heidnischer Göttinnen im christlichen Gewand: mitten im altehrwürdigen Dom zu Worms am Rhein! Kaum jemand weiß es: Drei heidnische Göttinnen werden noch heute im Dom verehrt.


Querschnitt der über- und unterirdischen Kapelle. 
Foto: Archiv W-J.Langbein


Alle historischen Darstellungen: Archiv Walter-Jörg Langbein

Fußnoten

1) »Das Nibelungenlied/ Übertragen von Karl Simrock, ausgewählt, überarbeitet und mit Anmerkungen ausgestattet von Dr. Karl Schütze«, Breslau, ohne Jahresangabe, S. 5
(Orthographie unverändert übernommen!)
2) ebenda, S. 28 (Orthographie unverändert übernommen!)
3) »Meranier Gymnasium«, Lichtenfels, etwa 1970
4) »Das Nibelungenlied/ Übertragen von Karl Simrock, ausgewählt, überarbeitet und mit Anmerkungen ausgestattet von Dr. Karl Schütze«, Breslau, ohne Jahresangabe. Mir liegt Dr. Karl Schützes Exemplar vor, das zahlreiche handschriftliche Korrekturen und Ergänzungen aufzuweisen hat.
5) Von der Hagen, Friedrich Heinrich: »Nibelungen«, Berlin 1855
6) Von der Hagen, Friedrich Heinrich: »Der Nibelungen Klage«, München 1919
7) Von der Hagen, Friedrich Heinrich: »Anmerkungen zu der Nibelungen Not«, Frankfurt am Main, 1824, S. 131
8) Schreibweise »Sigfrid« so übernommen!
9) Kranzbühler, Dr. Eugen: »Verschwundene Wormser Bauten/ Beiträge zur Baugeschichte und Topographie der Stadt«, Worms 1905
10) Kranzbühler, Dr. Eugen: »Verschwundene Wormser Bauten/ Beiträge zur Baugeschichte und Topographie der Stadt«, Worms 1905, S. 16-53
11) Kranzbühler, Dr. Eugen: »Verschwundene Wormser Bauten/ Beiträge zur Baugeschichte und Topographie der Stadt«, Worms 1905, S. 17

»Drei Göttinnen«,
Teil 237 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                        
erscheint am 03.08.2014

Samstag, 26. Juli 2014

Wiederaufnahme Gustl Mollath – 13. Tag: Erkenntnisquellen

Dr. Norbert Nedopil
In wissenschaftlichen Zusammenhängen stellt das Instrument der Begutachtung ein wohltuend-rationales Element in der oft emotional aufgeladenen Atmosphäre eines Rechtsstreits dar. Im aktuell laufenden Regensburger Wiederaufnahmeverfahren ist dies bereits am 10. Verhandlungstag durch das medizinische Gutachten von Professor Dr. Eisenmenger und am 11. Prozesstag durch Dipl.-Ing. Rauscher deutlich geworden. So hatte sich Eisenmenger mit Akribie dem Attest zugewandt, das die angeblichen Verletzungen der Petra Mollath bescheinigt hatte und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sachlage ein »Sammelsurium von Aspekten« darstelle und es zahlreiche Inkonsistenzen in den Schilderungen der Ex-Frau gebe. Rauscher, der die Mollath zur Last gelegten Reifenschäden einer sachverständigen Betrachtung unterzogen hatte, war zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen: Auch von diesen Vorwürfen war im Licht der rationalen Betrachtung nichts übriggeblieben. Gefährliche Situationen habe es laut Rauscher nicht gegeben, ja, es ist nicht einmal nachweisbar, ob es überhaupt zu mutwilligen Beschädigungen von Autoreifen gekommen ist.

Ob auch die menschliche Psyche sich als Gegenstand gutachterlicher Betrachtung eignet, ist zuerst einmal eine philosophische Frage. Zähle die Wassertropfen im Ozean!, denke ich mir unwillkürlich, wenn wieder einmal der Versuch unternommen wird, eine menschliche Seele in das Korsett der Wissenschaft zu zwängen. So lange dies im Rahmen eines geschützten, freiwilligen und vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Arzt und Patient geschieht, mag der Versuch angehen, sich mit sprachlichen Mitteln dem eigentlich Unaussprechlichen zu nähern. Vollkommen anders sieht dies aus, wenn ein Arzt im Auftrag Dritter die menschliche Psyche in den Rang eines Autoreifens degradiert und auf verstörende Weise den Versuch unternimmt, etwas zu objektivieren, was seiner Natur nach subjektiv sein muss. Mehr noch: Das öffentliche Sezieren des innersten Wesenskerns eines Menschen im Rahmen eines Gerichtsprozesses sollte sich bereits aus ethischen Gründen verbieten.

Da dies die Strafprozessordnung zumindest bis heute noch anders sieht, schlug am 13. Verhandlungstag die Stunde von Dr. Norbert Nedopil, der seine psychiatrische Stellungnahme zu Gustl Mollath abgab. Sich in diesem Moment in die Situation Mollaths zu versetzen, der Nedopil nicht nur von Anfang an kategorisch abgelehnt hatte, sondern nun bei dessen Versuch zusehen musste, sein Innerstes anhand von »Anknüpfungstatsachen« öffentlich nach außen zu kehren, ist nur schwer erträglich: Das systemische Grundproblem, das sich zur »Causa Mollath« aufgeschaukelt hat, ist an dieser Stelle mit Händen zu greifen.


Medizinisch nachvollziehbar?


Nedopil beginnt seinen Vortrag mit der Nennung seines Auftrags: ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit des Gustl Mollath nach § 20/21 zu erstatten. Als Quellen von Anknüpfungstatsachen benennt er insgesamt 6.000 Seiten ihm zugänglicher Unterlagen sowie seine persönliche Teilnahme an der Hauptverhandlung. Er führt aus, dass das Ergebnis einer Begutachtung umso zweifelhafter sei, je weniger Erkenntnisquellen dem Gutachter zur Verfügung stünden. Aus dem Maßregelvollzug könnten Patienten nur entlassen werden, wenn kein Verdacht der Gefährlichkeit mehr bestehe. Immer wieder weist er darauf hin, dass Mollath eine Exploration abgelehnt habe. »Wer trägt die Last, wenn Zweifel nicht geklärt werden können, weil der Betroffene sich verweigert?«, fragt Nedopil. Er erklärt, dass ein Gutachter seine Zweifel gegebenenfalls dem Gericht offenlegen müsse, dass er jedoch schon aus ethischen Gründen von einer einmal angefangenen Begutachtung nicht mehr zurücktreten könne.

Die Aussage der Frau Dr. K. aus Erlangen bezeichnet er als »medizinisch nachvollziehbar«. Zur Erinnerung: Frau Dr. K. ist jene Psychiaterin, die eine schriftliche Stellungnahme zu Gustl Mollath verfasst hatte, die ausschließlich auf den Angaben der Ex-Ehefrau beruhte. Das Procedere hatte man laut Aussage der Frau Dr. K. beim gemeinsamen Kaffeetrinken besprochen, im Anschluss an einen Termin mit ihrer Bankberaterin, Frau Mollath. Da auch Nedopil natürlich weiß, dass dies eine recht dünne Ausgangsbasis ist, bedient er sich einer feinen Unterscheidung: Nur medizinisch nachvollziehbar sei die Diagnose, nicht jedoch aus forensisch-psychiatrischer Sicht, »da Anknüpfungstatsachen fehlen«. Er mahnt zudem an, einem Arzt dürften Diagnosen nicht vorgeworfen werden, wenn ihm neuere Informationen nicht zur Verfügung gestanden hätten.

Anschließend versucht sich Nedopil an einer Erklärung der Misere. Das frühere Gericht habe einen Routinefall verhandeln wollen, Herrn Mollath jedoch sei es bei der gewünschten Klärung der Geldgeschäfte um Existenzielles gegangen. So habe man aneinander vorbeigesprochen, denn jeder der Beteiligten habe etwas anderes klären wollen. Damals sei Mollath nicht in der Lage gewesen, sich der Hauptverhandlung anzupassen. Als Grund hierfür benennt Nedopil einen angeblichen Charakterzug Mollaths, den er als im positiven Sinne »geradlinig und rechtschaffen«, im negativen Sinne »stur und starrsinnig« bezeichnet. Für eine Diagnose sei es jedoch nötig, festzustellen, ob der Betroffene in der Lage sei, seine Privatrealität zu verlassen oder nicht. Als Beispiel führt er Mollaths Aussage an, der Erlanger Arzt Dr. W. habe ihm ein für ihn günstiges Gutachten angeboten, wenn Mollath im Gegenzug über dessen angebliche Beteiligung an Schwarzgeldgeschäften schweigen würde. Dr. W. hatte hierzu ausgesagt, er habe Mollath eine rasche Begutachtung angeboten, damit die Situation für diesen schneller vorbei sei. Mit Schwarzgeld habe er nichts zu tun.


Nicht zu begründen und auch nicht auszuschließen


Nedopil führt aus, gewisse Anzeichen könnten zwar einer psychiatrischen Klärung bedürfen, könnten aber genauso auch andere Erklärungen haben. Wenn man den Aussagen der Ex-Ehefrau nicht folge, könne man keine Wahndiagnose stellen. Die Psychiater Pfäfflin und Simmerl jedoch hätten das Bild einer psychopathologischen Persönlichkeit gezeichnet. So habe Simmerl eine unflexible, rechthaberische Persönlichkeit festgestellt. Diese Erkenntnisse ließen sich durchaus wiederfinden, zum Beispiel im häufigen Wechsel von Anwälten, deren Mandate stets vorübergehend seien. Darlegen ließe sich dies auch am Grund, der zur Niederlegung des Mandats durch Strate und Rauwald in der jetzigen Hauptverhandlung geführt hätte. Diagnostische Überlegungen seien »nicht unbedingt verfehlt«, ließen sich jedoch ohne Exploration weder verifizieren noch falsifizieren. Zwar sei Mollaths Gedanke, dass die Psychiater L. und W. mit der Bank zusammenarbeiteten, nicht nachvollziehbar, Mollath habe seine Ideen gegenüber Psychiater Dr. Simmerl jedoch auch relativieren können, indem er eingeräumt habe, sich vielleicht »etwas verrannt« zu haben. Nedopil führt aus, dass Einsicht in das eigene Handeln unabhängig von einem eventuellen Wahn sein könne und bezeichnet es als »nicht nachvollziehbar«, wie es zu einer Steuerungsunfähigkeit gekommen sein sollte. Die damalige »massive Ehekrise« könnte zudem Auswirkungen auf die Kompromissfähigkeit gehabt haben.

Die Diagnose »Persönlichkeitsstörung« sei nach Ansicht Nedopils nicht zu begründen, jedoch auch nicht auszuschließen. Mollath habe »seine politische Wirksamkeit so dargestellt, wie sie nicht der Realität entsprach«, als er angab, die »größte Friedensdemonstration« organisiert zu haben oder den »größten Schwarzgeldskandal« anzeigen zu wollen. Wie es zur Diagnose einer wahnhaften Störung gekommen sei, sei nachvollziehbar, auch dann, wenn Mollaths Überzeugungen auf einem realen Kern beruhten. Eine »normalpsychologische Motivation« sei ebenso denkbar, für den Fall, dass das Gericht die Taten als erwiesen ansehen würde.

Zur »prognostischen Einschätzung« ist nach Ansicht Nedopils nicht viel zu sagen: Die formalen Voraussetzungen für den § 63 entfallen. Nach dem Zeitpunkt der angeklagten Körperverletzung habe Mollath noch Jahre außerhalb der Anstalten verbracht, ohne vergleichbare Taten. Eine Gefährlichkeit lasse sich demnach aus dem Vorliegenden nicht ableiten. Die gute Nachricht ist also: Folgt das Gericht dieser Einschätzung Nedopils, dann ist eine erneute Unterbringung Mollaths endgültig vom Tisch.


»Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft überzeugen mich nicht!«


Auf eine entsprechende Nachfrage der Vorsitzenden Richterin antwortet Nedopil, aus seiner Überzeugung habe das Handeln Mollaths so viel realen Hintergrund, dass er eine wahnhafte Motivation nicht annehmen könne. Dies aber hätten die damals zuständigen Psychiater nicht gewusst.

Der Oberstaatsanwalt führt aus, Mollath habe im Laufe der Hauptverhandlung immer wieder nach Verbindungen zu anderen Personen gefragt und diese miteinander in Beziehung gebracht. Ob dies aus heutiger Sicht einen Rückschluss zulasse, dass die Gedankenwelt der privaten Realität gestört sei, möchte er von Nedopil wissen. Dieser antwortet, Mollath sei sicher übermäßig misstrauisch und suche nach Zusammenhängen, die es nicht immer gebe, manchmal aber doch. Außerdem habe er sich zufriedengegeben, wenn die Zeugen verneinten. Bei einem Wahn, so Nedopil, würde eine Erklärung nicht ausreichen.

»Wissen Sie, wie lange ich das Mandat schon habe?«, wendet sich Anwalt Gerhard Strate an Nedopil. Ob man bei einer Dauer von eineinhalb Jahren von einem vorübergehenden Ereignis sprechen könne, möchte er wissen. Nedopil führt zwei weitere Beispiele an, darunter das von Thomas Dolmány, dem früheren Pflichtverteidiger Mollaths und antwortet, das Zerbrechen sei ein Zeichen dafür, dass die Kompromissbildung beendet sei. Der deutliche Belastungseifer, den der Nürnberger Anwalt im Rahmen seiner Zeugenaussage gegen seinen ehemaligen Mandanten entfaltet hatte, war Nedopil wohl entgangen. Strate konfrontiert Nedopil sodann mit dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft, wo es heißt:

»Zumindest aus Herrn Mollaths Sicht war es aufgrund des Verlaufs und der Inhalte der zwischen ihm und Herrn Dr. Wörthmüller geführten Gespräche tatsächlich nicht abwegig oder gar wahnhaft, den Schluss zu ziehen, Dr. Wörthmüller habe ihm ein »Gefälligkeitsgutachten« angeboten, weil er mit »Schwarzgeldverschiebern« in Verbindung steht. Dies war zwar objektiv falsch, eine derartige Fehleinschätzung aber keineswegs wahnbedingt, sondern lediglich eine unzutreffende, objektiv betrachtet durchaus auch abwegige, aber zumindest logisch erklärbare Schlussfolgerung Herrn Mollaths aus realen Begebenheiten.« [Quelle]

Nedopil, der es in seinem Gutachten als »nicht nachvollziehbar« bezeichnet hatte, dass Mollath einen Psychiater in Verbindung mit Schwarzgeldverschiebung setzen konnte, reagiert trotzig auf den Vorhalt: »Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft überzeugen mich nicht!« »Ich bin auch kein Psychiater!«, wirft der Oberstaatsanwalt ein. »Nein, Sie sind ein normal denkender Mensch!«, konstatiert Strate und fragt weiter: »Was wissen Sie über die Dimensionen der Schwarzgeldverschiebung der HypoVereinsbank?« Nedopil antwortet, es habe sich um eine Selbstüberschätzung Mollaths gehandelt, als er die »größte Schwarzgeldverschiebung Europas« beschrieben hatte. Strate kontert: »Wir wissen nichts über die Realität. Die Realität ist nicht geklärt. Also handelt es sich um eine freie Meinungsäußerung!«


»Sich rauszustehlen wäre falsch!«


Nedopil erklärt, ein Sachverständiger arbeite im Auftrag des Gerichts und stelle sein Fachwissen zur Verfügung. In den meisten Fällen sei dies im Sinne des Betroffenen. »Sich rauszustehlen wäre falsch«, jedoch müsse ein Gutachter ja trotzdem etwas sagen, wenn ihm Erkenntnisquellen abgeschnitten würden.

Mollath erinnert Nedopil daran, dass er ihn als Gutachter abgelehnt habe. Nedopil erwidert, eine Exploration sei die Grundlage. Ein Gutachter könne nur bestätigen oder entkräften, wenn er seine Kompetenz auch einsetzen könne. Mollath fragt hierauf, ob es wünschenswert sei, dass der Proband Vertrauen hat. Hierzu führt Nedopil aus, viele Menschen kämen gezwungenermaßen zu ihm. Die meisten hätten kein Vertrauen, wenn es um einen Strafprozess gehe. Als Sachverständiger sei es seine Aufgabe, fair zu sein, sodass er auch noch in den Spiegel schauen könne. Mollath wäre seiner Ansicht nach »gut beraten gewesen«, wenn er sich der Untersuchung gestellt hätte.

Anschließend führt Mollath die Gründe aus, die aus seiner Sicht angesichts der »unsäglichen Chronologie« von ihm zu führender Prozesse zu Anwaltswechseln geführt hätten. Er spricht von nicht vorgelegten Beweisen, vergessenen Anhörungsterminen und fragt, ob diese Gründe für Nedopil nachvollziehbar seien. »Wenn ich mich auf eine Antwort einlasse: So, wie Sie das sagen, könnte ich das Misstrauen verstehen!«, sagt er vorsichtig. Die Vorsitzende Richterin wirft ein: »Wenn wir das Thema Anwälte herausnehmen, ergäbe dies ein anderes Bild in Ihrer Begutachtung?«

Doch Nedopil lehnt ab: Er wehre sich gegen die Salamitaktik, einzelne Mosaiksteine herauszunehmen, bis nichts mehr übrigbleibe: »Ich bin kein Colaautomat, bei dem Sie die Zehnerl reinwerfen und irgendwann kommt die gewünschte Coladose!« Und überhaupt: Wenn er angewiesen sei auf das, was er im Gerichtssaal aufnehmen könne, müsse er auch Beispiele heranziehen, die im Gerichtssaal offensichtlich würden. Den anschließenden Versuch Mollaths, als weiteren Zeugen den ehemaligen hessischen Steuerfahnder Rudolf Schmenger zu benennen, um die Realität des Schwarzgeldskandals zu belegen, unterbindet die Vorsitzende: Sie habe großes Verständnis, aber so gehe es nicht weiter. Mollath erklärt daraufhin: »Ich gebe an dieser Stelle auf. Ich könnte Belege und Zeugen benennen, dies wird mir hier jedoch nicht ermöglicht!«


Psychiatrischer Gemischtwarenladen


Dass Mollath mit Nedopils Stellungnahme unzufrieden sein muss, obwohl sie ihn zumindest gutachterlicherseits von den Zumutungen des unsäglichen Gummiparagrafen 63 StGB befreit, ist mehr als naheliegend: Der nicht umsonst gerne als Psychiatrie-Papst titulierte Formulierungsvirtuose hat die hohe Kunst der feinen Dosierung aller Zutaten wieder einmal meisterhaft unter Beweis gestellt. Er pathologisiert Mollath genau in dem Maße, welches notwendig ist, um seine Kollegen zu exkulpieren, auch wenn er nicht unerwähnt lässt, dass diagnostische Zweifel eigentlich dem Gericht offenzulegen seien. Die früheren Gutachter konnten nach solcher Lesart gar nicht anders, als einen Wahn zu konstatieren, da ihnen schließlich nicht alle Informationen vorgelegen hätten und Mollath sich nicht im gewünschten Maße zu Explorationen bereitfand. Auf der anderen Seite entschärft Nedopil seine diagnostischen Ansätze so weit, dass eine erneute Unterbringung Mollaths aufgrund angeblicher Gefährlichkeit nicht mehr in Betracht kommt. Ein Kilo Wahn, drei Pfund Persönlichkeitsstörung, ein Dutzend Euphemismen und zur Garnierung etwas Rechtfertigung: Vielen Dank, beehren Sie unseren psychiatrischen Gemischtwarenladen bald wieder!


Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie unendlich dehnbar, bruchlos biegbar und nahezu unfassbar beliebig das Instrumentarium der forensischen Psychiatrie ist: Nunmehr wäre er meisterhaft erbracht. Ganz nebenbei ist diese Stellungnahme ein Lehrstück darüber, wie eigentlich selbstverständliche prozessuale Rechte eines Angeklagten durch solche Stigmatisierung vom Tisch gewischt werden können und den Anschluss des Betroffenen ans Rechtssystem untergraben: Die Nichtteilnahme an einer psychiatrischen Exploration ist ein selbstverständliches Recht, entsprechend dem Aussageverweigerungsrecht, aus dessen Inanspruchnahme sich demzufolge keine Nachteile ergeben dürften. Dass Nedopil ganz selbstverständlich ausführt, Mollath wäre gut beraten gewesen, sich der Untersuchung zu stellen, zeigt eines ganz deutlich: Es ist allerhöchste Zeit, das aktuell gültige System komplett zu überdenken.

>> Diskussion zum Thema im Blog von Gabriele Wolff

>> Wortprotokoll zum 13. Verhandlungstag


Literaturempfehlung zum Thema:

Karl Kraus - Sittlichkeit und Kriminalität
»Ich hasse das Handwerk, weil es auf brüchigem Wissensgrund den Machtwahn des Individuums nährt und gleich dem Journalismus seinen Mißbrauch in sich trägt. Ich sehe in den Psychiatern, denen ich zumeist die Fähigkeit bewußten Handelns, somit auch das Talent zur Bestechlichkeit abspreche, Geistesgestörte, deren Verhältnis zu den passiven Irren ich als den Unterschied zwischen konvexer und konkaver Narrheit bezeichnen möchte.« 
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Freitag, 25. Juli 2014

Wiederaufnahme Gustl Mollath – 12. Tag: Das »Instrument der Betreuung«

Tag 12 im WA-Verfahren gegen
Gustl Mollath
Der heutige 12. Verhandlungstag vor dem Regensburger Landgericht steht im Zeichen der Psychiatrie. Obwohl beide von Beruf Psychiater, könnten die für heute geladenen Zeugen unterschiedlicher nicht sein. Als Erster sagt Dr. Johann Simmerl aus, seines Zeichens leitender Arzt der Allgemeinpsychiatrie am Bezirksklinikum in Mainkofen. Er hatte im Jahre 2007 ein Gutachten über Gustl Mollath erstellt, das die Frage seiner Geschäftsfähigkeit beantworten sollte. Sein damaliges Fazit:

»Zur Frage einer eventuellen Betreuungsbedürftigkeit des Herrn Mollath kann mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Betroffene über die Begebenheiten u. Hintergründe, die zum Betreuungsantrag führten, genau informiert ist. Er weiß über seine wirtschaftlichen, sozialen u. finanziellen Verhältnisse Bescheid. Der Unterzeichner vermag nicht zu erkennen, weswegen der Betroffene in dieser Hinsicht als geschäfts- oder einwilligungsunfähig gelten sollte.«

Dr. Simmerls geradlinige Ausführungen retteten Gustl Mollath damals nicht nur davor, dauerhaft unter wirtschaftliche Betreuung gestellt zu werden, sondern dürften ihn auch vor einer medikamentösen Zwangsbehandlung bewahrt haben.


»Wo das hingeführt hat, sehen Sie jetzt!«


Schon der Beginn der damaligen Exploration gestaltete sich völlig anders als gewohnt: Auf der Station habe er Mollath besucht, berichtet der unkomplizierte Simmerl. Er sei hingegangen, habe sich vorgestellt und ihn selber gefragt, ob er mit ihm reden möchte oder nicht. Daraufhin sei Mollath sofort oder mit wenigen Sekunden Verzögerung bereit gewesen, mit ihm zu sprechen. Seine Geschichte habe er ausführlich erzählt und dabei Eheprobleme und illegale Machenschaften seiner Ehefrau im Zusammenhang mit Schwarzgeldgeschäften thematisiert. Dass er zuerst mit milderen Mitteln versucht habe, seine Frau von dieser Vorgehensweise abzubringen, ehe er dann Anzeigen und Eingaben bis in die höchste politische Ebene gestartet habe. Er sei ins Leere gelaufen. »Wo das hingeführt hat, sehen Sie jetzt!«, habe Mollath resümiert. »Ich wüsste selbst auch nicht genau, wie ich mich verhalten würde, wenn ich in einer Forensik säße«, erklärt Simmerl ganz offen. Seine Diagnose weise bewusst eine gewisse Unschärfe auf, da er ja nicht habe kontrollieren können, ob Mollaths Schilderungen den Tatsachen entsprachen. Kulturfremd oder bizarr seien sie jedenfalls nicht gewesen. Von Mollaths Unterlagen habe er wenig gelesen, da er diesem lieber habe zuhören wollen.

Simmerl zeigt mit seinen Ausführungen, wie einfach es auch für andere hätte sein können, mit Mollath ins Gespräch zu kommen. Auf diesen normalsten Gedanken des menschlichen Umgangs scheinen nur die wenigsten von Simmerls Kollegen jemals gekommen zu sein.

Im Anschluss möchte die Vorsitzende Richterin wissen, ob Mollath thematisiert habe, wie er in die Forensik geraten sei. Hierauf antwortet Simmerl, es sei eindeutig klar gewesen, dass er die Vorwürfe als nicht zutreffend einordnen würde, wobei er ziemlich sicher schon einmal gesagt habe, dass er sich gegen die Frau auch tätlich habe wehren müssen. Doch er sei unschuldig.

Die Beisitzerin erkundigt sich, ob er damit ein körperliches oder ein verbales Wehren gemeint habe. Simmerl antwortet, er glaube schon, dass dies über rein verbales Wehren hinausgegangen sei. Ob Mollath denn von einem Strafbefehl über 1000 € erzählt habe, den er für den Vorfall erhalten habe? Simmerl: »Ich erinnere mich, dass ich mich fragte, wie ein Strafbefehl in die Forensik führen und ob das wahr sein könne.«


Den Oberstaatsanwalt interessieren die Banken


Der Oberstaatsanwalt möchte wissen, ob in dem Gespräch auch Banken genannt worden seien. Diese seien eindeutig das Hauptthema gewesen, was im Gutachten vielleicht nicht so zentral herauskomme, antwortet Simmerl. Es könne nicht angehen, dass Vermögende ihr Geld in die Schweiz schieben, während woanders Kinder verhungern, habe Mollath ausgeführt. Auf die Frage, ob auch Namen von Personen in diesem Zusammenhang gefallen seien, erinnert sich Simmerl, dass Mollath von Kollegen der Ex-Frau erzählt habe. Ob er sich als Opfer einer Intrige, einer Superkonstruktion gesehen habe, fragt Meindl weiter. »Nein, Superkonstruktion hat er nicht gesagt. Aber dass er als Opfer einer Intrige verräumt worden sei, hat er sicher erwähnt.«

Gustl Mollath fragt, ob Simmerl sich erinnern könne, dass er nie den Kausalzusammenhang hergestellt habe, dass alle Leute, die ein Konto bei der Hypobank hätten, auch Schwarzgeldverschieber seien. Simmerl bestätigt dies, fügt jedoch humorvoll hinzu: »Aber so entspannt wie heute waren Sie auch nicht.« Mollath spielt den Ball zurück: »Ich genieße eine relative Freiheit ohne die Segnungen der bayerischen Forensiken. Könnte das daran liegen?« Simmerl: »Das ist anzunehmen.«


Wahnhafte Gewissheit war nicht erkennbar


Der Sachverständige Dr. Nedopil möchte wissen, was es mit dem Wort »Verrannt« auf sich habe, das Simmerl in seinem Gutachten verwendet hatte. Der Zeuge antwortet, dieser Begriff sei von ihm gewählt worden. Er habe damit ausdrücken wollen, dass man auch über das Ziel hinausschießen könne in einer derartigen Situation. Eine wahnhafte Gewissheit jedenfalls sei nicht erkennbar gewesen, Mollath habe deutlich relativieren können. Nicht sagen könne er jedoch, in welchem Zustand Mollath sich zwei oder drei Jahre vorher befunden habe. Ob es Übertreibungen gegeben habe in Richtung einer Größenvorstellung, fragt Nedopil weiter. Simmerl antwortet, er habe Mollaths Darstellung des Schwarzgeldskandals ein bisschen übertrieben gefunden, dies aus dessen Sicht jedoch nachvollziehen können.

Zum Abschluss der Vernehmung merkt Verteidiger Gerhard Strate an, er finde es einen bemerkenswerten Kontrast, wenn Oberstaatsanwalt Meindl Dr. Simmerl nach Namen von Personen im Zusammenhang mit dem Bankenskandal frage: Personen, die zur Aufklärung beitragen könnten, seien schließlich in seinem von der Staatsanwaltschaft abgelehnten diesbezüglichen Beweisantrag enthalten.


In der Zeile zu weit nach oben gerutscht


Der zweite Zeuge des Tages wird mit besonderer Spannung erwartet: Als Verfasser des Einweisungsgutachtens nimmt Klaus Leipziger eine zentrale Rolle im Fall Mollath ein. Die Vorsitzende weist den Zeugen darauf hin, dass er keine Erinnerungen einbringen dürfe, die in der Zeit von Mollaths Unterbringung zur Beobachtung nach § 81 StPO gewonnen worden seien [verfassungswidrige Totalbeobachtung]. Sodann lässt Mollath durch seinen Verteidiger die Schweigepflichtsentbindung erklären, ausgenommen die Phase der Vollstreckung. Leipziger erklärt, es habe keine ausführlichen Gespräche mit Herrn Mollath gegeben, wenn, dann seien Äußerungen gegenüber Mitarbeitern dokumentiert worden. Anschließend spricht er von »Schwierigkeiten mit Mitpatienten«, die organisatorische Maßnahmen wie die Verlegung auf eine andere Station notwendig gemacht hätten und zitiert aus ihm vorliegenden Unterlagen. Bei der Aufnahme sei Mollath nur teilweise kooperativ gewesen, habe Untersuchungen verweigert und über einen Finanzskandal seiner Ehefrau gesprochen. Umständlich spricht Leipziger über die »affektive Schwingungsfähigkeit«, »fragile Halluzinationen« und »psychomotorische Unruhe« Mollaths, um sich kurz darauf zu korrigieren: Diese Angaben beruhten auf einem Arztbrief aus Erlangen, er sei in der Zeile zu weit nach oben gerutscht. Gerhard Strate hakt ein, das Verfahren der Verlesung von Berichten der Erlanger Klinik durch Leipziger sei nicht akzeptabel, weshalb Mollath die Entbindung von der Schweigepflicht zurücknehme.

Die Vorsitzende befragt Leipziger anschließend zu dessen Erinnerungen an die Hauptverhandlung vom 8. August 2006. Dort habe sich Mollath nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen, sondern Schwarzgeldvorwürfe zum Thema machen wollen. Diese seien vom Gericht aber nicht vertieft zugelassen worden. Auf seine Feststellung einer »wahnhaften Störung« habe Mollath Leipzigers Erinnerung nach »überrascht« reagiert. Die Angaben der früheren Ehefrau in der Hauptverhandlung hätten das Bild der Entwicklung einer wahnhaften Störung nachgezeichnet.  Salopp gesagt sei er zu dem Bild gekommen, dass Mollath »psychisch angeschlagen« gewesen sei, aus seiner Sicht durchaus nachvollziehbar als Folge der psychischen Störung.

Rechtsanwalt Strate interessiert sich für ein Telefonat, das laut einem Aktenvermerk zwischen Amtsrichter E. und Klaus Leipziger stattgefunden habe. Hierzu führt Leipziger aus, er sei sich sicher, dass es ein oder mehrere Telefonate mit Richter E. gegeben habe. Er sei von diesem darauf hingewiesen worden, dass noch weitere Ermittlungen gegen Mollath geführt würden.


Verlegung nach Straubing: Bahn frei für die Betreuung?


Mollath stellt die Frage, ob es Leipziger gewesen sei, der bestimmt habe, dass er vom BKH Bayreuth nach Straubing verlegt worden war und erkundigt sich nach der Rechtsgrundlage. Leipziger antwortet, es habe »Zuspitzungen« zwischen Mollath und Patienten auf verschiedenen Stationen gegeben. Man habe tätliche Auseinandersetzungen befürchten müssen. Zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung habe das Gericht dann das Einverständnis zur Verlegung erteilt. Strate wirft ein, dass es in der Akte nicht notiert sei, weshalb Mollath nach Straubing verlegt werden sollte. Ob es nicht vielmehr so gewesen sei, dass mit der Verlegung eine Betreuung errichtet werden sollte, die sich auch auf Heilbehandlung und Gesundheitsfürsorge erstrecken sollte: »War es im Gespräch, dass man Herrn Mollath auch in anderer Weise als nur durch Worte betreuen kann?«

Leipziger erklärt, er hätte dies in seinem Gutachten bereits ausgeführt, wo es tatsächlich heißt:


»Gegebenenfalls wäre auch hier eine unterstützendet eher symptomatisch zu sehende neuroleptische Behandlung des Angeklagten angezeigt.« [Quelle


»Hatten Sie mit Ärzten in Straubing besprochen, dass eine Zwangsmedikamentierung stattfinden soll?«, unterbricht Strate. Hierzu sagt Leipziger, er habe im Arztbrief vermerkt, dass der Patient mit dem Instrument der Betreuung die Hilfen erhalten könne, die er benötige. Diese zynische Erklärung veranlasst Strate, seine Frage zu wiederholen: »Hatten Sie mit Ärzten in Straubing besprochen, dass eine Zwangsmedikamentierung stattfinden soll? Wäre diese in Straubing einfacher durchzuführen gewesen als in Bayreuth?« Dies sei nicht sein Sprachgebrauch, wehrt Leipziger ab. Er habe vom »Instrument der Betreuung« gesprochen, wie überhaupt seine ganze Aussage einen Hang zum Nebulösen aufweist.


Krankenakten nicht zur Einsicht »vorgesehen«


Jahrelang habe er um Einblick in seine Krankenakte gebeten. Diese sei ihm verweigert worden. Warum?, möchte Mollath wissen. Diese Akten seien nicht zur Einsicht »vorgesehen«, erhält er zur Antwort. Er habe den Vorgang an die zuständigen Justizbehörden gegeben, als Mollaths jetziger Verteidiger habe Einblick nehmen wollen. Mollath führt aus, die Krankenakte stimme nicht. Deshalb könne er keine Schweigeentbindung erteilen: »Daraus macht der Gutachter sein Gutachten. Hierzu aber müsste man zuerst aufklären und Zeugen laden.«

Die Vernehmung des Klaus Leipziger hinterlässt ein erschütternd technokratisches Bild: Hatte kurz zuvor noch Dr. Simmerl durch empathische Menschlichkeit beeindruckt, bietet Leipziger den direkten Gegenentwurf: Sein kalter, von funktionalen Euphemismen durchsetzter Sprachgebrauch stellt schnell klar, dass er sein Arbeitsumfeld eher nicht auf der menschlichen Ebene findet. Der reichliche Gebrauch des fast roboterhaften Fülllauts »Ääääh« in seinen Ausführungen reizt stellenweise zum Lachen, das jedoch schnell verstummt, wenn man die ungeheuerlichen Konsequenzen von Leipzigers Ausführungen nachvollzieht.


Anwaltliches Schattenkabinett?


Einige Nachfragen erreichten mich aufgrund meiner gestrigen Ausführungen zur Rolle des Martin Heidingsfelder im Zusammenhang mit der gestrigen Mandatsniederlegung durch die jetzigen Pflichtverteidiger Gerhard Strate und Johannes Rauwald. Gestern hatte regensburg-digital.de gemeldet:

»„Ich habe diese Auseinandersetzung mit Strate befeuert“, räumte etwa ein Vertrauter Mollaths am Mittwoch gegenüber unserer Redaktion ein. „Das hätte eine richtig große Nummer werden können, aber der Strate zieht einfach nicht mit.“«

Eine Äußerung, deren Hintergrund etliche Prozessbeobachter zu interessieren scheint. Nun denn:

Am 18. Juni 2014 vormittags berichtete mir Heidingsfelder in einem Telefonat, er habe in einer »Freihandvergabe« volle fünf (!) Anwälte damit beauftragt, eigenständig Anträge auszuarbeiten, die Mollath in Regensburg vortragen solle. Hierbei gehe es unter anderem [O-Ton Heidingsfelder]»um das Thema Grundrechtsverstöße, von dem Strate keine Ahnung hat, da der ja Strafverteidiger ist.« Die Anträge seien ein »Faustpfand«, von dem Gerhard Strate nichts wissen solle, da das Gericht sonst vorgewarnt werden könnte. Der Plan ist es demnach gewesen, an dem von Mollath mandatierten Anwalt vorbei ein anwaltliches »Schattenkabinett« zu etablieren, um so nach Art der Piraten die Prozessführung zu entern. Sachen gibt´s …

>> Wortprotokoll zum 12. Hauptverhandlungstag


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Donnerstag, 24. Juli 2014

Wiederaufnahme Gustl Mollath – 11. Tag: Freund und Feind

Der 11. Verhandlungstag im Mollath-Prozess beginnt für mich unter einem gewissen Zeitdruck, denn aufgrund folgender Twitter-Nachricht hatte ich mich aus Sorge um einen Parkplatz ziemlich beeilt:

»Weiterhin in Vorbereitung: Straßensperre vor dem Gericht in Regensburg! "Freispruch 1. Klasse für Gustl Mollath" Mittwoch 8-10 Uhr«

22. Juli 2014, Quelle: Twitter

Dass die Befürchtung in Sachen Parkplätzen nicht ganz grundlos ist, sehe ich bei der Einfahrt in die Augustenstraße mit einem Blick: Die Auswahl ist sehr groß, die Entscheidung fällt richtig schwer und die Erkenntnis, dass Aktionen von Martin Heidingsfelder grundsätzlich aus heißer Luft bestehen, gewinnt wieder mal an Erfahrungstiefe.

Die Regensburger Augustenstraße sieht sehr
übersichtlich aus, an diesem Morgen des 23. Juli 2014

Der erste Zeuge des Tages ist der technische Sachverständige Dipl.-Ing. Hubert Rauscher, der zur Frage der angeblich durch Mollath beschädigten Autoreifen Stellung nehmen soll. Rauscher zeigt sich als gut vorbereiteter, sehr versierter Gutachter, der erkennbar viel Mühe auf seine Stellungnahme verwendet. Schade deshalb, dass spätere Ereignisse des Tages die Berichterstattung kurz darauf überlagern werden.

Um seine Begutachtung auf eine breite Basis zu stellen, hat Rauscher zahlreiche Quellen als Grundlage genutzt: Neben den vorliegenden Akten und Zeugenaussagen nebst Befragung hat er auch eigene Versuche mit verschiedenen Werkzeugen unternommen sowie einen Stechversuch zu Demonstrationszwecken vorbereitet. Auch reale Erlebnisse anderer Personen mit Reifenschäden hat er eruiert sowie eine Besichtigung der angeblichen Örtlichkeiten unternommen. Als ausdrücklich fehlend bezeichnet er die damals angeblich beschädigten Reifen, Angaben über deren Bauart und Alter sowie eine genaue Dokumentation über die Art der Schäden. Vergleiche in Bezug auf ähnliche Beschädigungsmerkmale bezeichnet Rauscher deshalb von Anfang an als nicht möglich.


Gefährliche Situationen? – Fehlanzeige!


Als erstes Zwischenergebnis trägt der Sachverständige vor, dass er objektiv nicht beantworten könne, ob die Reifen zerstochen worden seien. Er schließt auch die Möglichkeit von Luftverlust aus anderen Gründen nicht aus, da es keinen einzigen Reifen gebe, der absolut luftdicht sei. 0,1 - 0,2 bar pro Monat gingen alleine durch Diffusion verloren, hinzu kämen Differenzen aufgrund der Verwendung verschiedener Messgeräte sowie durch Temperaturschwankungen. Nach einigen weiteren technischen Erklärungen beginnt Rauscher mit seinem Vergleich der einzelnen, Mollath konkret vorgeworfenen Fälle. Sein Grundtenor: In keinem einzelnen Fall sei es zu einer gefährlichen Situation gekommen. Die Fahrzeuge seien entweder geparkt gewesen oder der eventuelle Luftverlust war während der Fahrt gar nicht bemerkt worden. Auch die große Serie angeblicher Beschädigungen von bis zu 56 Autoreifen bei der Firma L. scheint Rauscher nicht zu überzeugen: Da die Firma L. mit alten Fahrzeugen handelt, führt der Sachverständige aus, dass er zuerst definitiv hätten wissen müssen, ob die ebenfalls alten Reifen unmittelbar vor Feststellung der Schäden überhaupt intakt gewesen seien. Es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass eingelagerte Reifen immer voll mit Luft befüllt seien, so der Gutachter. Als mögliche Gründe für Luftverlust führt Rauscher mehrere Punkte an: Diffusion, Überalterung, Schäden am Ventilstock, Felgenschäden oder Beschädigungen im Fahrbetrieb.

Als Fazit von Rauschers Ausführungen bleibt, dass aus seiner Sicht nicht ein einziger mutwillig verursachter Reifenschaden überhaupt sicher festgestellt werden kann. Eine Fahrt mit 200 km/h und plötzlichem Luftverlust auf der Autobahn, wie im Urteil des Landgerichts Nürnberg festgehalten, habe es gar nicht gegeben. Ein Gutachten, das sämtlichen haltlosen Spekulationen der letzten Jahre ein wohltuend-rationales Ende setzt.


Strafprozess oder Staatstribunal?


Nach der Entlassung des Sachverständigen folgte eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu verschiedenen Beweisanträgen der Verteidigung, unter anderem zu der Frage, ob der Vernehmung einiger (teils ehemaliger) Mitarbeiter der HVB entgegengetreten werde. Oberstaatsanwalt Meindl erklärte hierzu, er sehe die Vernehmung dieser Zeugen für die anstehende Entscheidung als nicht von Bedeutung an und lehnte die Anträge unter Berufung auf § 244 Abs. 3 StPO ab. »Wir würden uns sonst anders verhalten als in anderen Prozessen«, erklärt er hierzu.

Mollaths Verteidiger Gerhard Strate tritt diesen Ausführungen entgegen, die Staatsanwaltschaft genüge mit dieser Erklärung nicht den Ansprüchen, denn bei einer Berufung auf die Bedeutungslosigkeit eines Beweismittels habe diese auch die tatsächlichen Umstände zu benennen. Da die Hauptbelastungszeugin das Zeugnis verweigere, sei das Gericht laut dem BGH aufgerufen, Beweise besonders sorgfältig zu prüfen. »Wenn es denn nicht ganz richtig ist, was Frau M. berichtet, wird sie ein Motiv gehabt haben«, führt Strate aus. »Wenn wir Möglichkeiten haben, dies aufzuklären, dürfen wir uns diesen Möglichkeiten nicht entschlagen.«

Meindl erwidert daraufhin, die zu erwartenden Ergebnisse dieser Beweisanträge ließen allenfalls eine Denkmöglichkeit zu, entwickelten jedoch keine Beweiskraft, weshalb die Kammer dies ablehnen könne. Anschließend gibt Gustl Mollath eine Erklärung ab.


Mollath: »Befremdet und entsetzt über die Auswahl der Zeugen«


Mollath führt aus, er sei von Anfang an befremdet und entsetzt über die Auswahl der Zeugen durch Staatsanwaltschaft und Gericht gewesen. 30 Zeugen habe er benannt, doch es seien nur Zeugen aufgeboten worden, die im Zusammenhang mit seiner Ex-Frau stünden. Dass Mitarbeiter von Banken und Vermögensanlageunternehmen nicht geladen seien, sei skandalös. Hierauf erklärt die Vorsitzende Richterin Escher, ein Strafprozess sei nicht dazu da, alles aufzuarbeiten, was aufarbeitbar sei. Das Gericht werde beraten und über die Anträge entscheiden. Sie werde nun nicht mehr in eine Diskussion mit Mollath eintreten, erklärt Escher abschließend, ehe sie die Mittagspause verkündet.

Nach dieser öffentlichen Misstrauensbekundung seines bisherigen Mandanten erklärt Gerhard Strate im Anschluss an die Mittagspause das Mandat für beendet. Er verstehe durchaus, dass es in einer so belastenden Situation nicht immer einfach sei, Freund und Feind zu unterscheiden. Mollath habe erklärt, dass 30 Beweisanträge nicht vorgetragen worden seien. Außerdem gebe es eine Differenz in Bezug auf die Verfahrensweise des Gerichts. Aufgrund seiner 35-jährigen Erfahrung als Verteidiger lobt Strate ausdrücklich die sorgfältige Arbeit des Gerichts. Entsetzen zu artikulieren sei nicht in seinem Sinne, denn: »Hier wird sehr rechtsstaatlich verfahren!« Auch Rechtsanwalt Johannes Rauwald schließt sich Strates Erklärung an.

Mollath zeigt sich überrascht, denn »die Arbeit wurde soweit gut gemacht«. Er habe nach wie vor »Vertrauen« in seinen Verteidiger und finde das »sehr traurig, wenn Strate jetzt hinschmeißt.« Ein nennenswertes Fehlverhalten sehe er nicht. Im Anschluss stellt der Oberstaatsanwalt den Antrag, Strate und Rauwald als Pflichtverteidiger beizuordnen, welchen das Gericht nach kurzer Beratung annimmt.


Öffentliche Brüskierung Strates durch Mollath


Nun ist es natürlich für Außenstehende schwierig, das Innenverhältnis zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten zu beurteilen. Unwillkürlich jedoch muss ich an eine öffentliche Brüskierung denken, die Mollath seinem Anwalt schon am 2. November 2013 angedeihen ließ, und deren Zeugin ich wurde. Diese begab sich anlässlich eines gemeinsamen Mittagessens in Bamberg in einem voll besetzten Gastraum, wo Gustl Mollath Gerhard Strate zunächst die Unterschrift unter eine dringend benötigte Vollmacht verweigerte. Er tat dies mit der Begründung, in diesem Wiederaufnahmeverfahren werde sowieso nichts aufgeklärt, der Prozess werde eine Farce werden, die jeder beliebige Pflichtverteidiger führen könne: Dazu benötige er Strates Dienste nicht! Einige am Nebentisch sitzende Gäste, die Mollath natürlich erkannt hatten, schienen diese niederschmetternde Unterhaltung höchst interessant zu finden. Dass Gerhard Strate sich damals dennoch bereitfand, nur eine halbe Stunde später an einem Treffen mit Mollaths Unterstützerkreis teilzunehmen, weswegen er extra von Hamburg nach Bamberg gefahren war, fand ich schon damals erstaunlich. Im Anschluss an das Treffen hatte sich die Lage wieder beruhigt, Stunden später wurde die Vollmacht dann doch noch ausgestellt. Die Erklärung für seine grundsätzliche Nachsicht lieferte Strate dann am 30.12.2013. In seiner »Anmerkung der Verteidigung« schrieb er:

»Gustl Mollath war und ist ein unangepasster Querkopf. Seine Widerständigkeit brachte ihm seine Freiheit. Dass ihm jene in dem nun eröffneten Weg „von Monte Christo nach El Dorado“ nicht verloren geht, sollte niemanden verstören. Wer erwartet, Mollath möge sich doch möglichst bald wieder in der Normalität einrichten, hat ihn nur aus der Ferne betrachtet und nicht verstanden.
In diesem Unverständnis spielen natürlich eigene Interessen eine Rolle. Denn nicht nur Justiz und Psychiatrie, auch selbsternannte Unterstützer wünschen sich ein stromlinienförmig-ideales Justiz-, Gender-, Psychiatrie-, Politik- & Bankenopfer, das eine vielseitige Projektionsfläche für ihre eigenen Anliegen bietet. Da Gustl Mollath aber noch nicht einmal ein idealer Mandant ist, wird er für den Rest schon gar nicht taugen.«
[Quelle] 

Womit wir bei den sogenannten »Unterstützern« wären, die Mollaths besondere Situation nach einem siebeneinhalbjährigen massiven Unrechtserleben für ihre Zwecke ausnutzen. Machen wir uns nichts vor: Die jetzige Situation wurde verursacht durch den von Mollath offenbar als »guten Freund« betrachteten Martin Heidingsfelder. Leicht zu durchschauen, dass er der Interviewpartner von regensburg-digital.de war, wo es heute heißt:

»„Ich habe diese Auseinandersetzung mit Strate befeuert“, räumte etwa ein Vertrauter Mollaths am Mittwoch gegenüber unserer Redaktion ein. „Das hätte eine richtig große Nummer werden können, aber der Strate zieht einfach nicht mit.“« [Quelle]  


Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr …


Der ebenso profilierungssüchtige wie offenbar jede Detailarbeit scheuende Nürnberger »Plagiatsjäger« Heidingsfelder hat es durch ein paar rasch arrangierte, ebenso vordergründige wie lautstarke Aktionen zugunsten von Psychiatrieopfern geschafft, Mollaths Vertrauen zu gewinnen. Auf Twitter versteht er es, subtil zu vermitteln, dass Mollath bei ihm nicht nur ein und aus geht, sondern auch schon mal das Essen zubereitet.

21. Juli 2014, Quelle: Twitter, @goalgetter32
 

Zeitnah erfolgen dann Meldungen wie die eingangs zitierte Aufforderung zur Straßensperre vor dem Regensburger Gericht: Die subtile Diskreditierung Mollaths als jemand, der das von ihm selbst gewünschte »ordentliche Wiederaufnahmeverfahren« torpediert, indem er bei Steak und Bier mit seinem Spießgesellen Straßensperren plant, ist in vollem Gange. Garniert wird das Menü auf Twitter mit einer durchwachsenen Mischung diskreditierender Nachrichten, gerichtet gegen den bislang von Mollath mandatierten Anwalt. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr: Qui bono?


Zeugenvernehmung: Psychiater Friedemann Pfäfflin


Angesichts dieser Ereignisse des Tages gerät die anschließende Zeugenvernehmung des Psychiaters Friedemann Pfäfflin fast zu einem Nebenschauplatz. Sein Gutachten war es immerhin gewesen, auf welches das Verfassungsgericht sich in seiner Entscheidung bezog. Dort heißt es:

»Das Landgericht setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass die Darlegungen des Sachverständigen zur Wahrscheinlichkeit künftiger rechtswidriger Taten im schriftlichen Gutachten vom 12. Februar 2011 und in der mündlichen Anhörung vom 9. Mai 2011 voneinander abweichen. Vor diesem Hintergrund durfte das Landgericht sich nicht auf eine bloße Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Anhörung beschränken.« [Quelle]

Nach einer eher langatmigen Verlesung großer Teile des Gutachtens durch den Verfasser selbst erfolgt die Befragung des Zeugen. Auf eine entsprechende Frage des Oberstaatsanwalts antwortet Pfäfflin, es sei nicht seine Aufgabe, die Angaben des Begutachteten zu überprüfen, dies sei Sache der Ermittlungsbehörden oder des Gerichts. Ob die Exploration in einen veranstaltungsmäßigen Zusammenhang eingebettet gewesen sei, möchte Strate wissen und macht damit deutlich, dass er auch als Pflichtverteidiger nicht von seinem Kurs abweicht. Pfäfflin räumt ein, dass es zeitgleich eine Tagung im BKH Bayreuth gegeben habe, auf welcher er als Redner aufgetreten sei. Mollath möchte wissen, warum das eigentlich positive Gutachten bei der mündlichen Anhörung vor Gericht immer negativer geworden sei: »„Machen Sie Ihre Arbeit selber!“, hätte ich sagen sollen«, räumt Pfäfflin ein, damit auf die nachlässige Vorgehensweise der zuständigen Strafvollstreckungskammer verweisend.

Der Sachverständige Nedopil möchte wissen, ob Mollath seine Ehefrau als diejenige bezeichnet habe, welche die Intrigen gesponnen habe. Pfäfflin bejaht. Ob diese Einschätzung realitätsnah oder -fern gewesen sei, fragt Nedopil weiter. Pfäfflin antwortet, dieser Gedanke habe einen realen Ausgangspunkt gehabt, der sich ausweitete. Eine Frage, die von Strate umgehend beanstandet wird: »Sie betrifft das Gutachten, das wir nicht zum Thema machen wollten!«

Friedemann Pfäfflin schließt seine Ausführungen mit einer Portion Selbstmitleid: Es habe ihn geärgert, dass sein Gutachten im Netz verfügbar sei. Dies stelle eine Urheberrechtsverletzung dar. »Das fand ich fürchterlich!«, führt er aus und kann seine Tränen kaum zurückhalten. Gerhard Strate erwidert, dass die Presse bereits aus dem Gutachten zitiert hatte, »und zwar nur das, was ins Bild des verrückten Mollath passte«. Die Veröffentlichung sei deshalb zum reinen Selbstschutz notwendig gewesen.

Bericht und Bild: Ursula Prem

>> Wortprotokoll zum 11. Verhandlungstag


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Sonntag, 20. Juli 2014

235 »Drei Göttinnen im Dom«

Teil 235 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein



Das »Märchenschloss« von Worms.
Foto Archiv W-J.Langbein

Der Dom zu Worms erschien mir bei meinem ersten Besuch wie ein geradezu monströses Märchenschloss. In der Dunkelheit einer Herbstnacht kam es mir so vor, als hätten Generationen von Baumeistern über Jahrhunderte hinweg den gewaltigen Prachtbau immer wieder um neue Türme und noch dickere Wehrmauern ergänzt. Standen erst die spitz zulaufenden Osttürme? Wurde nachträglich zwischen die in den Himmel ragenden Türme ein wuchtiger steinerner Kasten mit spitzem Dach gesetzt? Aber obwohl der Dom auch für den Laien so aussieht, als sei er immer wieder erweitert worden, so bildet er dennoch eine in sich geschlossene Einheit, wie eine riesige steinerne »Pflanze«.

Im fahlen Licht schien das in Stein verewigte Szenario vom »Kindermord zu Bethlehem« lebendig zu werden. König Herodes überwacht als bösartiger Regent aus Angst vor einem möglichen Konkurrenten die Ermordung von kleinen Kindern durch  einen Soldaten. Laut einer alten Prophezeiung, so hatte er erfahren, war der neue König geboren. Also ließ Herodes – so die biblische Überlieferung – alle Neugeborenen umbringen. Der kriegerische Schlächter ist in der plastischen Darstellung vom Dom zu Worms wie ein mittelalterlicher Söldner oder wie ein Ritter gekleidet. Zu Füßen der beiden Männer kniet eine Mutter, die verzweifelt die Hände ringt. Oder betet sie? Ihr Flehen scheint indes ungehört zu bleiben.

Jesu Kreuzabnahme.
Foto W-J.Langbein

Bestens bekannt ist eine berühmte Bibelszene: Jesus wird vom Kreuz abgenommen. Biblisch ist auch die Szene »Arche Noah«. Der mörderische Regen hat offenbar aufgehört. Noah hat eine Luke aufgeklappt und späht aus seinem Rettungsboot. Mächtige Greifvögel haben Tierkadaver gefunden, an denen sie gierig fressen. Derlei Darstellungen am gotischen Südportal dienten vor Jahrhunderten der überwiegend des Lesens unkundigen Bevölkerung als eine steinerne Bibel. Die dargestellten biblischen Motive waren den Kirchgängern indes freilich bekannt, auch Analphabeten konnten sie wie ein Buch ohne Buchstaben lesen. Allerdings ohne Kenntnis der biblischen Geschichten würden die so lebhaften Kunstwerke aus Stein rätselhaft, ja unverständlich bleiben. Der bibelkundige Besucher des Doms zu Worms aber wird fündig. So erweist sich das vor rund sieben Jahrhunderten neu gestaltete Südportal als steinernes Bilderbuch in 3D. Da tritt Gottvater leibhaftig in wallendem Gewand auf und holt eine kleine Eva aus der Seite des tief narkotisierten Adam. Da werden die Nackedeis Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben. Da erschlägt Kain seinen Bruder Abel mit einer stattlichen Keule.

Fabelwesen am Dom... Foto Walter-Jörg Langbein

Parallel dazu wird, fein säuberlich in Stein gemeißelt, Jesus im Stall von Bethlehem geboren, da zeigt Maria das kleine Jesus-Baby im Tempel, da erleben wir förmlich mit wie die »heilige Familie« nach Ägypten flieht, um so den Schergen des Herodes zu entgehen. Wer Geduld und Zeit hat, sollte einmal einen Tag am Südportal des Doms zu Worms verbringen, von morgens bis abends… und miterleben, wie die steigende und sinkende Sonne durch Licht und Schatten die zahlreichen Skulpturen in den nach oben spitz zulaufenden Bögen über der kleinen hölzernen Tür lebendig werden lässt.


Der Dom, ein monumentales Bauwerk...
Foto Archiv W-J.Langbein

Der gewaltige Dom zu Worms steht als gewaltiges und imposantes Bauwerk wie ein von Menschenhand geschaffener Monolith in moderner Zeit. Man nähert sich dem alten sakralen Bauwerk und wird von der schlichten Schönheit nicht überwältigt, aber verzaubert. Man mag zum Christentum als Religion stehen wie man will, man mag die oftmals von Gemetzel geprägte Kirchengeschichte des Christentums als schauderhaft empfinden. In einer Zeit wie der unseren, geprägt von Hektik und immer beängstigender werdender, verzweifelter Suche nach tieferem Sinn, haben wir Pole der Ruhe als Oase in lebensfeindlichem Lärm nötiger denn je. So eine Insel der Ruhe ist der Dom zu Worms. Man mag religiöse Frömmigkeit als Aberglauben abtun, man muss die blutigen Seiten der Geschichte jeder organisierten Religion klar und deutlich verurteilen. Aber es besteht kein Zweifel an der Tatsache, dass die Orientierungslosigkeit breiter Volksschichten in unserer freiheitlichen Welt ein idealer Nährboden für radikalste Verführer jeder, auch und gerade religiös-fundamentalistischer Art, ist!

Blick im Dom nach oben. Foto Walter-Jörg Langbein

 Der Dom zu Worms mutet neben moderner Architektur wie eine Perle in hässlicher Fassung. Der Dom zu Worms macht den Eindruck einer uralten Festung des unerschütterlichen Glaubens, eines für die Ewigkeit angelegten Gotteshauses. Dabei wissen die wenigsten Besucher zu Beginn des 21. Jahrhunderts, dass der Dom ganz und gar kein »Gotteshaus« nach heutigem Verständnis war. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gilt ein christliches »Gotteshaus« als Ort der Versammlung für die Gläubigen, die ihrem Gott huldigen und Lobgesänge darbringen. Als ein solches »Gotteshaus« war der Dom zu Worms freilich nicht gedacht. Der Dom zu Worms – im 12. Jahrhundert auf älteren Fundamenten errichtet – war Bischofs- und Stiftskirche, an eine Gemeinde von Gläubigen haben die Erbauer nicht gedacht. Bänke für Gottesdienstbesucher gab es keine. In Dethard von Winterfelds »Der Dom zu Worms« lesen wir (1): »Für uns ist der Sinn des mittelalterlichen Doms kaum mehr verständlich. … Eine Gemeinde gab es nicht, auch wenn Laien im Mittelschiff den verschiedenen Messen beiwohnen konnten.« Was geschah also im Dom?  Winterfeld weiter: »In ihm vollzog sich die Liturgie als Abbild göttlicher Ordnung auch ohne die Anwesenheit einer Gemeinde. Beide Chöre waren hinter hohen Lettnern den Blicken entzogen… «


Fromme Legende.. oder Bibelillustration?
Foto W-J.Langbein

Der Dom zu Worms war viele Jahrhunderte lang so etwas wie ein riesiges Theater mit vielen Bühnen, auf denen Priester Rituale zelebrierten… sehr häufig – oder meist? – ohne Publikum. Die Priester waren wie Magier, die geheimnisvolle Kulte feierten, in denen sich Wein in Blut und Brot in Fleisch verwandelt haben soll… in den leibhaftigen Körper Jesu Christi selbst. Für den religiösen Katholiken wurde da das Heiligste des Glaubens vollzogen, für einen fremden Uneingeweihten wurde blutiger Zauber exerziert… oder Aberglaube. Für den einen ist etwas religiöser Ritus altehrwürdige, sakrale Tradition, für einen anderen aber unbegreifbarer Hokuspokus. Je nachdem wo und wann man geboren wurde, ist eine Handlung Religionsausübung oder alberner Humbug. Oder was für den einen seriöse wissenschaftliche Auseinandersetzung ist, empfindet ein anderer als unverzeihliches Sakrileg, das mit ewigen Höllenqualen bestraft wird.

Der Dom zu Worms sicherte zunächst der Priesterschaft den Lebensunterhalt. Gab es doch im großräumigen Dom eine Vielzahl von Altären, an denen »Gottesdienste« ohne Gemeinde abgehalten wurden. Von Winterfeld (2): »Jedem Altar war ein Priester zugeordnet, dem auch die Einkünfte aus der Stiftung als Lebensunterhalt dienten. Man glaubte, die Heiligen seien durch die ihnen geweihten Altäre präsent, so daß sie mit den Lebenden vereint eine Gemeinschaft der Anbetung bildeten, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindend.« So war der Dom zu Worms ein Haus der Begegnung mit Heiligen, zu deren Ehren am jeweiligen Altar heilige Messen gelesen wurden.

Im 14. Und 15. Jahrhundert wurde der bereits komplexe Dombau noch durch Hinzufügung von diversen Kapellen erweitert. Freilich dienten diese frommen Anhängsel nicht der Religionsausübung des gläubigen Volkes. Sehr wohlhabende Stifter glaubten, sich so einen direkteren Zugang zu den Heiligen zu verschaffen. Mochte Gottvater auch noch ob der Sünden betuchter »Schäflein« grollen, Heilige als Fürsprecher konnten Gott besänftigen, zumindest für edle Spender ein gutes Wort einlegen.

Stadtbild mit Dom.
Foto Archiv W-J.Langbein

Die reichsten Familien des 14. und 15. Jahrhunderts hatten im Dom ihre Privatkapellen, in denen sie – ungestört vom allgemeinen »Pöbel« – beten konnten. Diese Begüterten ließen auch gern hochrangige Geistlichkeit Messen lesen, für sich oder für liebe Dahingeschiedene. Private Kapellen waren damals auch repräsentativ. Während sich heute manch wohlhabender mit einem edlen Rolls Royce schmückt, konnte damals manch kleiner oder großer Krösus mit einer eigenen Kapelle protzen. Hochgestellte Adlige genossen ein besonderes Privileg. Ihnen war es gestattet, ihre sterblichen Hüllen unweit von den Altären der Heiligen zur letzten Ruhe zu betten. Ein örtlicher Geistlicher erklärte mir schalkhaft grinsend:

»Man glaubte, so mancher wichtige Heilige würde am Tag des ›Jüngsten Gerichts‹ im Dom zu Worms leibhaftig auferstehen. Wenn man sich dann als spendabler Adliger am Tage der Auferstehung in Gesellschaft der Heiligen befand, so konnte das auf keinen Fall schaden! Mancher hoffte wohl, gemeinsam mit den Heiligen ungeprüft ins Paradies eingehen zu dürfen!«

Ich gab mich fromm-empört. Grimmig dreinblickend fragte ich den Geistlichen: »Sie sind wohl einer dieser modernen Theologen, die nicht mehr an die Auferstehung der Toten glauben? Dann muss ich Sie wohl an Artikel 11 unseres Katechismus erinnern!« Ohne auf eine Antwort zu warten zitierte ich ratternd aufsagend: »Das christliche Credo, das Bekenntnis unseres Glaubens an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist … gipfelt in der Verkündigung, dass die Toten am Ende der Zeiten auferstehen und dass es ein ewiges Leben gibt.


Modell des Doms vor dem Original. Foto W-J.Langbein

Wir glauben fest und hoffen zuversichtlich: Wie Christus wirklich von den Toten auferstanden ist und für immer lebt, so werden die Gerechten nach ihrem Tod für immer mit dem auferstandenen Christus leben und er wird sie am letzten Tag auferwecken. Wie seine, so wird auch unsere Auferweckung das Werk der heiligsten Dreifaltigkeit sein.«

Der Geistliche hebt beschwichtigend die Hände. »Natürlich glaube ich auch an die Heilige Dreifaltigkeit! Aber dass sich die auferstandenen Adeligen einfach den auferstandenen Heiligen anschließen und zwischen ihren Reihen ins Paradies schmuggeln können, das ist doch schon eine etwas sehr naiv-kindliche Vorstellung!« Als Antwort habe ich ein Bibelzitat parat (3): » Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.« Empört wendet sich der Geistliche ab, leise vor sich hin schimpfend. Ob er jenen Zeiten nachtrauert, da nur die Geistlichkeit selbst die »Heilige Schrift« lesen durfte, nicht die tumben Laien? Viele Jahrhunderte lang bekamen Gläubige in Sachen Christentum nur eine arg zensierte und manipulierte Version ihrer Religion vorgesetzt.

Eine weibliche Trinität.
Foto: Archiv W-J.Langbein
                                                
Und noch heute, zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christi Geburt, erfährt kaum ein Besucher des Doms zu Worms, dass er die Darstellung einer weiblichen Dreifaltigkeit beherbergt. Drei Göttinnen wurden im Dom zu Paderborn verewigt, deren »Christianisierung« nicht wirklich gelungen ist!

Fußnoten

1) Winterfeld, Dethard von: »Der Dom zu Worms«, Königstein im Taunus, 3. Auflage 1994, S. 15
2) ebenda. Die Orthographie wurde unverändert übernommen und nicht der neuen Rechtschreibreform entsprechend angepasst.
3) Evangelium nach Matthäus Kapitel 18, Verse 2 und 3


»Ein Heidentempel, drei Göttinnen und der Dom von Worms«,
Teil 236 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 27.7.2014

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