Freitag, 27. Februar 2015

Nein zum Masernimpfzwang! – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Es ist immer wieder schockierend, wie schnell selbst scheinbar aufgeklärte Zeitgenossen bereit sind, grundlegendste Menschenrechte zur Disposition zu stellen. Dies zeigt einmal mehr die aktuelle, schon hysterisch zu nennende Debatte um einen möglichen Masernimpfzwang. Man setze vorerst auf Aufklärung und Freiwilligkeit, ist vonseiten der Politik zu vernehmen, doch Gnade dem mündigen Bürger, wenn es nicht gelingt, die Impfbereitschaft zu steigern. Täglich schriller wird der Chor der wohlmeinenden Verstärker in den Sozialen Netzwerken, denn ein neuer kollektiver Feind ist endlich flächendeckend etabliert: der Impfverweigerer.

So lässt der CDU-Gesundheitsexperte und Bundestagsabgeordnete Jens Spahn dieser Tage verlauten:

»Ich weiß, das ist ein ziemlich starker Eingriff, aber wenn ein Kind in eine öffentliche Einrichtung geht, wo es auch andere gefährdet, spätestens dann kann man eine Impfpflicht rechtfertigen.« [Quelle] 

Eine im rechtsstaatlichen Sinne derart leichtsinnige Argumentation müsste jeden Bürger zur Verzweiflung treiben, der das eigene Denken noch nicht ganz verlernt hat. Nun mag »Smarties-Spahn« ja nicht maßgeblich sein: Erst vor kurzer Zeit hatte er Frauen auf Twitter ebenso unverschämt wie plumpvertraulich empfohlen:

»Wie wäre eigentlich ne „Pille anstatt“ statt einer „Pille danach“ …? ;-)« [Quelle],
weshalb Spahn wohl eher unter der Kategorie Polit-Clowns zu verorten ist. Doch auch sein Parteikollege Hermann Gröhe, immerhin Bundesgesundheitsminister, hält eine Impfpflicht für »kein Tabu«, wenngleich man vorerst auf »Beratung« setze.

Dabei klingen die Argumente der Impfzwängler vordergründig gar nicht unvernünftig: Was könnte daran falsch sein, den Ausbruch vermeidbarer Krankheiten zu verhindern, und sei es durch medizinische Maßnahmen gegen den Willen des Einzelnen? – Daran falsch, liebe Leserinnen und Leser, ist so gut wie alles: Dem möglichen Nutzen des Impfzwangs stünde der kaum wiedergutzumachende Schaden gegenüber, den jede Aushöhlung des Grundgesetzes nun einmal bedeutet. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, festgeschrieben in Artikel 2, ist keine Schönwetterregelung, deren Gültigkeit bei jedem Windhauch relativiert werden darf. In ihrem Geist bedeutet sie nicht mehr und nicht weniger, als dass die staatliche Gewalt mit dem Eingriff in den Körper des Einzelnen ihre absolute Grenze zu respektieren hat. Eine sinnvolle Regelung im Heimatland des Josef Mengele, formuliert noch unter dem unmittelbaren Eindruck der nationalsozialistischen Terrorherrschaft.

Wohin es führt, wenn der Staat sich der Körper seiner Bürger bemächtigt, mussten die meisten in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen glücklicherweise nie erfahren. »Scheiß auf Freiheit! Impfzwang für alle!«, posten sonnige Gemüter denn auch schon mal in Sozialen Netzwerken, zustimmende Klicks ebenso Kurzsichtiger garantiert. Dass sie mit ihrer Forderung vielen weiteren potenziellen »Maßnahmen« Tür und Tor öffnen, scheint sie nicht zu tangieren. Denn ist der Impfzwang erst etabliert und allgemein akzeptiert, warum dann nicht auch:

  • Zwangskrebsvorsorge?
  • Zwangsaidstests?
  • Zwangsweises absolutes Alkohol- und Nikotinverbot?
  • Zwangssport für alle? 

Die Liste der potenziell lebensverlängernden Zwangsmaßnamen ließe sich endlos erweitern. Da ist noch viel Raum für die Fantasie übergriffiger Menschheitsoptimierer mit Sendungsbewusstsein.

Das Grundgesetz wird nicht über Nacht zur Makulatur werden: Viele kleine Relativierungen Marke Impfzwang, die im Einzelnen nicht unvernünftig klingen müssen, werden es nach und nach aushöhlen. Am Ende dieses Prozesses wird ein leeres Gerippe stehen, wie geschaffen dafür, welchen Interessen auch immer als Trojanisches Pferd zu dienen. Wer heute noch öffentlich blauäugig und laut »auf die Freiheit scheißt«, wird sich in wenigen Jahrzehnten fragen, wie ein derart beklemmendes Staatsgebilde hat entstehen können.

Dass dieser Prozess längst begonnen hat, dürfte niemandem entgangen sein, der nicht ganz blind durch die Welt läuft, denn den Keim seines Todes trägt das Grundgesetz in sich selbst: »In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden«, heißt es dort mehrfach. Wie schnell sich aufgrund relativierender Paragrafen grundgesetzlich garantierte Unversehrtheit in ganz legale Versehrtheit verwandeln kann, davon mögen die Insassen von Zwangspsychiatrien berichten, so sie nach erfolgter Zwangsbehandlung dazu noch in der Lage sind.


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Donnerstag, 26. Februar 2015

Forensische Psychiatrie – Gerhard Strates Buch »Der Fall Mollath«

»Der Fall Mollath« -
eine schonungslose
Abrechnung mit der
Seit dem Fall Mollath steht die forensische Psychiatrie im Fokus der öffentlichen Betrachtung. Vorbei die Zeiten, da lieber niemand so genau wissen wollte, was sich hinter den weißen Mauern abspielt. Und so zieht das im Dezember 2014 erschienene Buch »Der Fall Mollath – Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie« von Gerhard Strate schonungslos Bilanz und zeigt die verheerenden Mechanismen auf, die mit der Erstellung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens in Gang gesetzt werden.

»Sowohl die Idee der sicheren Diagnostizierung nicht beweisbarer Krankheiten zu kriminalistischen Zwecken als auch der Gedanke, die an solchen Krankheiten Leidenden gegebenenfalls heilen zu können, sind zwei Seiten derselben hässlichen Medaille. Sie trägt den Namen forensische Psychiatrie.«  Gerhard Strate, Der Fall Mollath, S. 76 

Seit Erscheinen des Buches haben sich zahlreiche Rezensenten mit Strates Thesen zur forensischen Psychiatrie auseinandergesetzt, darunter auch Thomas Fischer, Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof. Seine Buchbesprechung unter dem Titel »Es hätte nicht passieren dürfen«, erschienen am 23. Dezember 2014 in der ZEIT, ist inzwischen auch online abrufbar.

Gerhard Strates Buch sei zur Lektüre sehr zu empfehlen, schreibt Fischer, obgleich es »Schwächen, Übertreibungen und Redundanzen« habe:
»Nicht alle Behauptungen, die der Autor aufstellt, sind richtig. Aber alle seine Fragen sind berechtigt«, 
so sein Fazit.




Von der forensischen Psychiatrie nach Guantánamo


Strate blase den Psychiatrieskandal zu überdimensionaler Größe auf, lautet ein Kritikpunkt Fischers. Diese Auffassung hindert den Rezensenten jedoch nicht daran, in der Folge sogar noch einen draufzusetzen und eine die Größe des Skandals nochmals potenzierende Feststellung zu tätigen, die wohl kaum jemand einem amtierenden Bundesrichter in dieser Klarheit zugetraut hätte:

»Machen wir uns nichts vor: Vom deutschen Maßregelvollzug nach Guantánamo ist es nur ein kleiner Schritt.«
Chapeau für diese Deutlichkeit, die man dem Artikel gerne in seiner Gesamtheit gewünscht hätte. Leider jedoch ist viel Angelerntes an dem, was Fischer über weite Strecken referiert. Und so ist es schade, dass er sich auf Strates philosophische Betrachtungen zu den der forensischen Psychiatrie zugrunde liegenden Mechanismen kaum einlässt, sondern sie schlicht als »nicht zutreffend« abkanzelt. Hier wurde leider die Möglichkeit zu einem brillanten Diskurs verschenkt, der für den künftigen Umgang mit dem Thema forensische Psychiatrie starke Impulse hätte setzen können.






Auch die langjährige Gerichtsberichterstatterin Gisela Friedrichsen beschäftigte sich für den SPIEGEL mit Gerhard Strates Buch. Unter dem Titel »Schmuddelecke der Medizin« schreibt sie in Ausgabe 49/2014:

»Sein Buch ist eine Schmach für jene, die, namentlich genannt, ihre leichtfertigen Expertisen darin zitiert finden. Es ist ein Ärgernis für die Leser, die nicht glauben wollen, dass es zuweilen tatsächlich an Kontrolle mangelt hinter den Fassaden mächtiger Justizpaläste. Es ist ein böses, ein aufklärerisches Buch.«
Die Rezensentin macht keinen Hehl aus ihrem Unbehagen gegenüber der forensischen Psychiatrie:

»Der Einfluss, den psychiatrische Gutachten auf Gerichtsentscheidungen haben, sollte hellhörig machen. Liegt einem Richter die Expertise eines Sachverständigen vor, wird er dem gutachterlichen Rat folgen. Nur höchst selten wird kritisch hinterfragt.«
Dass der SPIEGEL nicht Mollath-Berichterstatterin Beate Lakotta mit der Rezension beauftragt hat, sondern auf die Kompetenz einer Gisela Friedrichsen setzt, ist eine erfreuliche Entwicklung.


Forensische Psychiatrie: Gestörte Akzente oder akzentuierte Störungen?


Dass Klartext, wie Strates Buch ihn bietet, zuerst einmal einer gewissen Relativierung bedarf, will man von den Pfaden der Political Correctness nicht allzu sehr abweichen, mag sich Helene Bubrowski von der FAZ gedacht haben:

»Wer eben noch stolz die Überlegenheit unseres Rechtssystems pries, muss nach der Lektüre verstummen. Strates Buch ist eine eindrückliche Mahnung. Doch leider versteigt er sich neben der gründlichen Fallbeschreibung immer wieder zu einer pauschalen Aburteilung der Psychiatrie. Das hätte er sich sparen können und sollen«,

schrieb sie in ihrem Artikel vom 29.12.2014.

Vor was genau Strates Buch eine Mahnung sein sollte, wenn nicht auch und gerade vor den rechtsstaatsfernen Umtrieben der forensischen Psychiatrie, darüber schweigt ihre Rezension sich aus. Stattdessen wünscht Bubrowski sich eine Diskussion über Mindestanforderungen an psychiatrische Gutachten und die Frage, »wo die Persönlichkeitsakzentuierung aufhört und die Persönlichkeitsstörung anfängt.« – Wie gut, dass der Buchautor darauf verzichtet hat, auf diese Weise im Trüben zu fischen.

>> Jetzt lesen: »Der Fall Mollath« von Gerhard Strate



Update 1, 30. März 2015:

Am 25. März 2015 trug Gerhard Strate im Rahmen einer Lesung Auszüge aus seinem Buch vor. In den Räumlichkeiten des AnwaltVereins Stuttgart machte der Autor dem mehrheitlich juristischen Fachpublikum die kafkaesken Vorgänge rund um den Fall Mollath transparent und sparte auch den Themenbereich forensische Psychiatrie nicht aus. Die Lesung ist auch als YouTube-Video verfügbar:




Update 2, 31. März 2015:

In diesem Update möchte ich auf die Buchrezension von Prof. Klemens Dieckhöfer und Dr. Friedrich Weinberger eingehen, veröffentlicht am 18. Februar 2015 in der Rubrik »Aktuelles«  auf der Website der »Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie«. Dass diese eher durchwachsen ausfallen würde, war aufgrund der deutlichen Worte zu erwarten, die Buchautor Gerhard Strate für das Wirken Weinbergers gefunden hatte. Dass das Chaos sich aus juristischer Sicht exponentiell vergrößert, sobald ein Fall von der forensischen Psychiatrie kontaminiert ist, gehört zu den wichtigsten Lehren, die aus dem Fall Mollath zu ziehen sind. Und so war es nur folgerichtig von Strate auf die Benennung von »psychiatrischen Eideshelfern« (Buch S. 175) der Marke Weinberger im Rahmen des Regensburger Wiederaufnahmeverfahrens zu verzichten und sich lieber an die juristischen Fakten zu halten. Eine Entscheidung, die der Profilierungssucht Weinbergers übel aufstieß und ihn gerade in der heikelsten Phase des Prozesses zu einigen Querschüssen gegen die Verteidigung animierte, sah er sich doch um seinen prestigeträchtigen Auftritt als Zeuge in Regensburg gebracht.

»Gustl Mollaths tragische Schicksalsfäden waren aus Fallstricken gewirkt, die die forensische Psychiatrie in Form haltloser Gutachten für ihn aufspannte. Dr. Weinberger ist dazu angetreten, das giftige System unter umgedrehten Vorzeichen zum Zwecke der Selbstdarstellung zu stabilisieren, indem er sich derselben Mittel bedient. Wäre die Verteidigung Weinbergers Wunsch gefolgt, Mollaths Psychiatriemartyrium vor dem Landgericht Regensburg in allen Details aufarbeiten zu wollen, wäre die unsägliche Diskussion um Gesundheit oder Krankheit lediglich in eine neue Runde gegangen, um des Egos eines Gutachters willen, der nicht bereit ist, die zähen Sprachfäden seiner Profession einfach beherzt zu zerschneiden.«    
(Gerhard Strate: »Der Fall Mollath – Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie«, Kap. 15, S. 177)

Die eigene Täuschung über die juristische Wirkmächtigkeit des Gutachtens, das Weinberger im Jahre 2011 über Gustl Mollath angefertigt hatte, nimmt fast tragische Züge an, wenn der Garmischer Psychiater bis heute über die Website der GEP verbreitet:

»Das Bundesverfassungsgericht hat Weinbergers Gutachten mit Beschluß vom 6.9.1013 (2BvR 371/12) ausdrücklich anerkannt und die Vorinstanzen, die Mollaths Internierung fortsetzten, gerügt, „da eine zureichende Auseinandersetzung mit dem durch den Beschwerdeführer (Mollath) vorgelegten Gutachten des Dr. Weinberger vom 29. April 2011 … nicht erfolgt sei.“« (RB 1/13,6). W.



Dass das Bundesverfassungsgericht hier, seinen üblichen Gepflogenheiten folgend, lediglich zusammenfassend aus der Eingabe des Beschwerdeführers zitiert, auf diesen speziellen Punkt jedoch in seiner eigentlichen Entscheidung mit keinem Wort eingeht, scheint Weinberger glatt entgangen zu sein.

Nun ging Sigmund Freud eindeutig zu weit, als er derartige Erscheinungen unter der Bezeichnung »Fehlleistung« verortete und sie so ins Pathologische zog. Der Volksmund hält dafür eine einfachere Wahrheit bereit, die da lautet: »Hier ward der Wunsch zum Vater des Gedanken.«


Update 3, 5. April 2015: Jetzt auch als eBook erhältlich

Endlich ist das Buch »Der Fall Mollath – Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie« auch als E-Book erhältlich.

>> amazon Kindle

>> epub 


Update 4, 20. April 2015, Reaktionen im Netz

Für das Blog strafakte.de besprach Mirko Laudon das Buch. Er konstatiert:

»Chronologisch geordnet schildert der Autor die einzelnen Stadien der Psychiatrisierung Mollaths und den damit einhergehenden ‘Pathologisierungswahn‘ der Koryphäen der Psychiatrie – Stück für Stück ergibt dies gleich einem Puzzle ein unvorstellbares Bild vom Versagen der Psychiatrie und der Justiz. Daran zeigt sich überdeutlich die Dimension der Konsequenzen, „wenn die Recht sprechende Gewalt ihre Unabhängigkeit delegiert und mit der forensischen Psychiatrie eine unheilvolle Allianz eingeht“.«

Auch die ehemalige Oberstaatsanwältin Gabriele Wolff, die den Fall Mollath in allen Details kennt, hat Gerhard Strates Abrechnung mit der forensischen Psychiatrie rezensiert. In ihrem viel beachteten Blog schreibt sie:

»Was im Verfahren selbst kaum möglich war, weil die psychiatrische Meinung der lediglich als Zeugen gehörten Psychiater nicht gefragt war, wird hier nachgeholt; der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund. Er schont weder die Justiz noch die Psychiatrie noch deren Protagonisten, die, in bewährter Kraus’scher Manier, durch Zitieren ihrer schriftlichen wie mündlichen Aussagen hinreichend kenntlich gemacht werden.«

Prof. Dr. Henning Ernst Müller, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der Universität in Regensburg, merkt in seiner ebenfalls lesenswerten Rezension auf Legal Tribune Online die zentrale Stellung von Strates Psychiatriekritik an:

»Eine überraschend stark hervorgehobene Rolle im Buch nimmt Strates Kritik an der forensischen Psychiatrie ein. Offenbar hat sich der Fokus seiner Aufmerksamkeit von der detaillierten Justizkritik, die im Wiederaufnahmeantrag im Vordergrund stand, auf eine mehr allgemeine Kritik der forensischen Psychiatrie verlagert. Ausgehend von drei forensisch-psychiatrischen Gutachten im Fall Mollath wird die gesamte Fachrichtung als „Wissenschaft der Stigmatisierung“ (S. 59) beurteilt. Sie trage „dem uralten Bedürfnis Rechnung, Individuen oder willkürlich definierte Menschengruppen vom allg. geltenden Rechtssystem auszuschließen“ (S. 61). Zweck der Begutachtung sei „einzig und alleine die Befriedigung archaischer Instinkte“ (S. 62). Strate schreibt der Branche „Pathologisierungswahn“ gepaart mit „Omnipotenzfantasien“ zu (S. 75). Insgesamt bedeutet dies nichts weniger als die vollständige Delegitimierung der forensisch-psychiatrischen Gutachtertätigkeit durch Strate.«

Sehr deutlich fällt die Reaktion auf zwangspsychiatrie.de aus, wo das Werner-Fuss-Zentrum eine eigene Buchrezension veröffentlichte. Sie beginnt mit den Worten:

»Endlich, endlich hat ein Jurist mit einer Veröffentlichung Licht in das Dunkel der forensischen Schlangengrube gebracht. En detail entlarvt Dr. h.c. Gerhard Strate anhand von gerichtlich verwendeten “Beweisen” die psychiatrische Lügenpropaganda als das, was sie ist: Ein nahezu willkürliches Wortgestöber, mit dem sich genausogut “auch das Gegenteil und das Gegenteil vom Gegenteil behaupten läßt”.«

Der Rezensent hebt hervor:

»Besonders zu loben ist, dass Gerhard Strate den Fall von Gustl Mollath nicht als Einzelfall abhandelt. Im Gegenteil demonstriert er an ihm beispielhaft den psychiatrischen Diagnonsens, wie er von den Lehrbücher schreibenden professoralen Obergurus der Zunft, die er namentlich vorführt, verzapft wird. Dabei lassen sich viele seiner Aussagen über die „forensische Psychiatrie“ hinaus auf die Psychiatrie im Allgemeinen übertragen.«

Update 5, 5. Mai 2015 - Lesung in der Würzburger Neubaukirche

Großer Andrang bei der Würzburger
Lesung Gerhard Strates in der
Neubaukirche - Foto: © U. Prem 
Die Aula der Juristischen Fakultät bot den würdigen Rahmen für eine Lesung am 29. April 2015 in Würzburg: Über 750 Zuhörer lauschten Gerhard Strates Ausführungen über die Justiz und die forensische Psychiatrie, die er im Wechsel aus freiem Vortrag und Lesung gestaltete.









Update 6, 19. Mai 2015 - Schadensbegrenzung durch die DGPPN

Auf die Reaktion der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) durfte man gespannt sein. Die maßgebliche Fachgesellschaft der Branche schickte Dr. Nahlah Saimeh in den Ring, Vorstandsmitglied der DGPPN und ärztliche Direktorin der Forensik in Lippstadt. Ihre Buchbesprechung vermag nur vordergründig zu überraschen: Unter dem Titel »Pflichtlektüre für Forensische Psychiater« versucht die Rezensentin sich in Schadensbegrenzung:

»Strate ist dafür zu danken, dass die in der Forensischen Psychiatrie Tätigen mit Hilfe seines Buches ihr System von außen betrachten und reflektieren können«,

lobt sie in ihrem Fazit. Strate sei es gelungen,  

»den Fall akribisch in all seinen Facetten aufzubereiten und neben ziemlich groben Kanonenschüssen auf die Bastion Psychiatrie sehr wohl Präzisionsschüsse der Kritik zu platzieren.«

Gleichwohl werde das Wort von der »Dunkelkammer des Rechts« nicht richtiger, so Saimeh, denn:

»kein Bereich dürfte ständig solcher Durchleuchtung unterliegen.«

Wie das mit der Durchleuchtung im Bereich des Maßregelvollzugs tatsächlich funktioniert, hat Gerhard Strate im Buchkapitel »Der Rattenkönig« umfänglich dargestellt (ab Seite 179): Die zu Mollaths Zeiten für den Bereich des Maßregelvollzugs zuständige bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer exerzierte beispielhaft vor, wie sich die Wucht möglicher Beschwerden durch ein künstlich geschaffenes Dickicht von unklaren Zuständigkeiten minimieren lässt. So benannte sie neben dem Sozialministerium noch die unabhängigen Gerichte, den Bayerischen Landtag, die Besuchskommissionen sowie die Kommunalunternehmen der Bezirke als Verantwortungsträger. Geblendet von diesem Licht der Transparenz mag dem einen oder anderen da glatt entgehen, dass jede einzelne dieser Stellen im Fall des Falles nur zögerlich bis gar nicht tätig wird, sondern einfach auf die jeweils anderen Ansprechpartner verweist. Wer fühlt sich nicht unweigerlich an Asterix und »Das Haus, das Verrückte macht« erinnert, wenn er das, was Frau Saimeh so euphemistisch »Durchleuchtung« nennt, im Einzelnen nachvollzieht? Wieder einmal also versucht eine Vertreterin der psychiatrischen Zunft, uns den Kern des Problems als dessen Lösung zu verkaufen.

«Auch die ständige Unterstellung, Gutachter würden im Grunde nur voneinander abschreiben und sich gegenseitig in ihrem selbstgefälligen Beschreiben der Welt rechtfertigen, ist eine durchaus böse und ungerechte Kritik«,

findet Frau Saimeh. Böse und ungerecht mag sie in den Augen forensischer Psychiater ja sein, wenn sie von einem Strafverteidiger kommt. Was aber, wenn sogar eine Größe der Branche einräumt:

»Allerdings ist zu kritisieren, dass, wenn einmal eine Diagnose gestellt ist, so schepperig sie auch sein mag, diese dann 13 Jahre lang völlig unverändert übernommen wird, weil das nun mal der Festbaustein ist, der nicht mehr angerührt werden darf.« [Quelle]

(Diese Erkenntnis, die auf den ersten Blick auch aus Gerhard Strates Buch stammen könnte, ist tatsächlich von Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber formuliert worden, der sich als forensischer Psychiater im Falle von Gustl Mollath jedoch durch eben diese von ihm monierte Vorgehensweise hervortat.)

Dass die Branche hin und wieder Kreide frisst oder gar Einsichtsfähigkeit zeigt, um ihr wahres Gesicht unter wohlig-wattigen Worthaufen zu verbergen, sollte die Öffentlichkeit kritisch zur Kenntnis nehmen: Die Gefahr, die im Falle ungünstiger Umstände von der forensischen Psychiatrie für jeden einzelnen Bürger ausgehen kann, ist noch keinesfalls gebannt. Was der prominente Münchner Strafverteidiger Rolf Bossi am 30. Mai 2006 an Gustl Mollath schrieb, gilt bis heute:

»Ich muss Sie als Rechtsanwalt darauf hinweisen, dass wir im Maßregelvollzug keinerlei rechtliche Handhabe besitzen, um wirkungsvoll auf die Durchführung des Maßregelvollzugs einwirken zu können. […] Hieraus wollen Sie ersehen, dass Sie im Maßregelvollzug rechtlich ohne jede Hilfe sind und ausschließlich auf die Beurteilung der Ärzte angewiesen sind, inwieweit diese aus medizinischen Gründen Ihre weitere Unterbringung im Maßregelvollzug für notwendig erachten oder nicht. […]« 
[zitiert auf S. 186 im Buch »Der Fall Mollath«] 

Update 7, 8. Juni 2015 – Selektionswege: Das Prinzip der Zweispurigkeit

Wie das Buch von Gerhard Strate darlegt, zieht die forensische Psychiatrie Atem und Leben aus der Tatsache, dass mehr oder weniger wortgewaltige Ärzte die Felder der Gerichte bestellen: Der Definition nach entscheiden zwar Richter über die Unterbringung eines Menschen im Maßregelvollzug, diese sind jedoch viel zu oft und allzu schnell bereit, sich dem Gutachten eines »sachverständigen« Arztes anzuschließen und die dargelegten Ergebnisse in ein entsprechendes Urteil einfließen zu lassen. Das durch die sprichwörtliche Blindheit der Justitia versinnbildlichte Prinzip des Urteilens ohne Ansehen der Person ist an dieser Stelle in unfassbarer Weise ausgehebelt worden. Selbst wenn man das Prinzip der Aussortierung »psychisch Kranker« im juristischen Kontext gelten lassen wollte, so wäre es noch aus einem zweiten Grund fragwürdig: Selbst innerhalb der Gruppe der von Psychiatern als »psychisch krank« Definierten wird mit zweierlei Maß gemessen, denn beileibe nicht jeder mit solchen »Diagnosen« Belegter findet sich in der forensischen Psychiatrie wieder. So führt Psychiater Norbert Konrad aus:  

»Gerade psychisch Kranke im engeren Sinne, vor allem die an einer Schizophrenie Erkrankten, welche nach den oben präsentierten epidemiologischen Daten bei Hochrechnung im Justizvollzug sogar in größerer Zahl als im psychiatrischen Maßregelvollzug anzutreffen sind, stellen die Behandler vor zahlreiche Probleme.« [Quelle: »Forensische Psychiatrie – selbst ein Behandlungsfall?« von Helmut Pollähne und Christa Lange-Jost (Hg.), S. 114)

Forensische Psychiatrie -
selbst ein
Behandlungsfall?
Es ist somit nicht nur ungewiss, welchen Personen im Rahmen eines Strafverfahrens die »Schuldfähigkeit« ganz oder teilweise von Psychiatern abgesprochen wird, sondern es ist auch noch fraglich, ob die Diagnose einer entsprechenden Krankheit tatsächlich zur Unterbringung im Maßregelvollzug führt oder nicht. Von gleichen Bedingungen ohne Ansehen der Person kann deshalb vor deutschen Gerichten keine Rede sein: Der Unterschied zwischen der Dauer einer Gefängnisstrafe und der einer Zwangsunterbringung in der forensischen Psychiatrie kann in tragischen Fällen viele Jahre oder gar Jahrzehnte betragen, von den oft schädlichen Folgen entsprechender medizinischer »Behandlung« ganz abgesehen.

Wenn so etwas wie »Wahnsinn« in medizinischer Hinsicht überhaupt existiert, so ist er wohl in der Tatsache zu suchen, dass weite Kreise diese Vorgehensweise völlig normal finden. So schreibt der schon genannte Psychiater Norbert Konrad ganz offen in seinem Beitrag »Psychiatrie im Strafvollzug als Alternative? – Zur Versorgung psychisch kranker Straftäter«:

»Selektionswege im Umgang mit psychisch gestörten Rechtsbrechern 
In Deutschland ist für den Umgang mit psychisch gestörten Rechtsbrechern das Prinzip der Zweispurigkeit maßgeblich, welches erlaubt, bestimmte Gruppen aus dem Strafvollzug herauszudefinieren.« [Quelle: Pollähne, S. 105]

Update 8, 13. Juni 2015 – Richter, die wie Psychiater denken 

Wenn ein ehemaliger Richter vom Bundesgerichtshof als Mitautor und -herausgeber eines Buches auftritt, das sich (unter anderem) mit einem Fall beschäftigt, der einst in den Verantwortungsbereich ebendieses Richters fiel, so dürfte dies ein ziemlich einmaliger Vorgang sein. Die Rede ist von Dr. Axel Boetticher, der im Jahre 2007 als Revisionsrichter mit dafür verantwortlich zeichnete, dass das Urteil des Landgerichts Nürnberg gegen Gustl Mollath rechtskräftig wurde. Erst im Jahre 2014 wurde die Unrechtsnatur dieses Urteils und der daraus im Ergebnis resultierenden siebeneinhalbjährigen Unterbringung Mollaths in der forensischen Psychiatrie vom Landgericht Regensburg offiziell anerkannt. 

Das Buch mit dem etwas sperrigen Titel Macht - Zwang - Gewalt (?): (Sexuelle) Gewalt- und Tötungskriminalität im forensischen Kontext von Luise Greuel, Axel Petermann und Axel Boetticher bietet Letzterem einen Raum von immerhin 81 Seiten (Kapitel: »Zwangseinweisung – Lehren aus dem Fall Mollath«), um seine eigene Beteiligung am Geschehen zu relativieren, und das ärgerlicherweise auch noch in derart schlecht lektorierter Form, dass die Lektüre streckenweise schon des guten Willens bedarf.

»Mein Beitrag verfolgt auch das Ziel, dem Verteidiger Dr. Gerhard Strate nicht die Meinungshoheit über den Fall Gustl Mollath und die Rolle der Psychiatrie im Strafverfahren allgemein und im Fall Gustl Mollath insbesondere zu überlassen«, 
[Quelle: Macht - Zwang - Gewalt, S. 15)

führt Boetticher als Begründung für seine Einlassungen an und lässt sich auch die Gelegenheit zu einem Seitenhieb auf Dr. Thomas Fischer nicht entgehen, der sich nach Ansicht Boettichers in seiner Rezension zu Strates Buch »schwer im Ton vergriffen« habe: 

»Völlig außer Rand und Band gerät Thomas Fischer, wenn er zum Ende des Artikels mit seinem listig verklausulierten, aber gleichwohl perfiden Satz „Vom deutschen Maßregelvollzug nach Guantanamo ist es nur ein kleiner Schritt“ den gesamten Maßregelvollzug in die Nähe von Gesetzlosigkeit und Folter rückt.« 
[Quelle: Macht - Zwang - Gewalt, S. 14]

Man fragt sich unwillkürlich, was Axel Boetticher wohl zu Thomas Fischers jüngster Kolumne gesagt haben mag, sollte er sie denn gelesen haben: Warum selbst offensichtliche Rechtsfehler dem scheinbar wachenden Auge des BGH entgehen und grob unrichtige Urteile leutselig bestätigt werden können, legte der wortgewaltige Bundesrichter am 9. Juni 2015 auf ZEIT online ausführlich dar.

Im Jahre 2007 war es (unter anderem) Gustl Mollaths Schicksal, das von einer sorgfältigen Arbeitsweise des BGH abhing: Axel Boetticher hätte es (mit) in der Hand gehabt, den »Fall Mollath« nicht über das Stadium eines groben Unrechts hinaus zur Lebenskatastrophe eines Menschen auswachsen zu lassen. Dass er dies versäumt hat, mag kein böser Wille gewesen sein: Jeder Strafsenat des BGH habe sich pro Jahr mit etwa 600 Revisionsbegehren zu beschäftigen, schreibt Thomas Fischer. Dass da schon mal mit der heißen Nadel gestrickt wird, um nicht in heillosen Rückstand zu geraten, dürfte klar sein. Hier wäre die Frage zu stellen, ab welchem Punkt der Rationalisierungsbemühungen Arbeitsverweigerung angesagt wäre, um auf solche haltlosen Zustände hinzuweisen.

Dass forensische Psychiater eigentlich als Richter agieren, wenn es um Unterbringungen nach § 63 StGB geht, ist inzwischen bekannt: Welcher Richter würde schon der Meinung des Gutachters widersprechen? Dass es aber auch Richter gibt, die wie Psychiater denken, wurde noch kaum je beleuchtet.  Einer von ihnen scheint Axel Boetticher zu sein, der auch schon mal gemeinsame Aufsätze mit Größen der psychiatrischen Zunft veröffentlicht und auch ansonsten über das iFF (interdisziplinäres Forum Forensik) gut mit der Branche vernetzt ist. Wie sich Derartiges mit der richterlichen Unabhängigkeit in Übereinstimmung bringen lässt? – Keine Ahnung.

Nun also meint Boetticher, Strate ein Stück der (von diesem nie beanspruchten) Deutungshoheit über den Fall Mollath entrissen zu haben. Vollbracht haben will er dies mit einem Aufsatz, der den Kern des geschehenen Unrechts vernebeln soll und die Schuld an einen Ort fernab von Karlsruhe zu verlegen sucht:
    
»Nach meiner Meinung hätte es zu einer interdisziplinären Diskussion zwischen der Strafvollstreckungskammer des LGs Bayreuth und dem Sachverständigen Prof. Dr. Pfäfflin kommen müssen. […] Nach meiner Überzeugung hätte Gustl Mollath auch unter den gegebenen Umständen bereits mit Beschluss vom 9. Juni 2011 entlassen werden müssen!« 
(Quelle: Macht - Zwang - Gewalt, S. 54)

Es ist von Übel, wenn forensische Psychiater wie Richter agieren. Das hat der Fall Mollath glasklar gezeigt. Und es ist ein Unding, wenn Richter wie forensische Psychiater denken. Das wiederum hat die Causa Boetticher erwiesen.


Update 9, 14. August 2015: Die humanistische Tradition von Orell-Füssli

Gerhard Strate nennt in seinem Buch Ross und Reiter: Mit klaren Worten skizziert er Mollaths Psychiatriemartyrium und schreckt dabei auch nicht vor den großen Namen aus dem Bereich der forensischen Psychiatrie zurück. Es ist dem Orell-Füssli-Verlag hoch anzurechnen, dass er diesen Weg gemeinsam mit dem Autor beschritten und sich auf die volle Namensnennung der Akteure eingelassen hat. Solange die Zwangspsychiatrie den ihr zustehenden Platz auf dem Müllhaufen der Geschichte noch nicht eingenommen hat, dürfte alleine die Furcht vor derartiger Transparenz es vermögen, die schlimmsten Auswüchse der Branche unter Kontrolle zu bringen.


Mit der Veröffentlichung von Strates Buch beweist der traditionsreiche Schweizer Verlag eine hohe Kontinuität: Schon 125 Jahre zuvor hatte er mit dem Buch »Das Recht im Irrenwesen« einer Stimme der Humanität Geltung verschafft. Verfasst hatte es übrigens ebenfalls ein Jurist: Eduard August Schroeder. Es ist derart lesenswert, dass Ursula Prem es im Jahre 2015 neu herausgegeben hat.


Auch die Gerichte scheinen aufgrund der Mollath-Diskussion nun ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln, wenn es gilt, die Götter in Weiß in ihre Schranken zu verweisen. So zitiert der Bayerische Rundfunk den Regensburger Strafrechtsprofessor Henning Ernst Müller am 8. August 2015:

»Ich höre immer wieder aus den Bezirkskliniken, dass jetzt bei Patienten, die schon länger einsitzen, von der Justiz mit Nachdruck nachgefragt wird, ob das noch verhältnismäßig ist, oder ob sie entlassen werden können.« [Quelle]

Wirklich sicher kann sich jedoch niemand sein, dass nicht auch künftig mit den Kanonen der forensischen Psychiatrie auf 1000 Spatzen geschossen werden wird: Absolute Sicherheit würde nur die konsequente Abschaffung der Zwangspsychiatrie bringen, sowie die definitive Feststellung, dass psychiatrische Gutachten ihre Untauglichkeit als gerichtsfeste Beweismittel endgültig erwiesen haben.


Update 10 - Hans-Ludwig Kröber im Magazin stern Crime

Die kürzlich erschienene Ausgabe Nr. 2 des Magazins stern Crime bietet ein Interview mit dem forensisch-psychiatrischen Gutachter Hans-Ludwig Kröber, in welchem dieser auch auf den Fall Mollath eingeht. Wieder einmal bedient er sich der rhetorischen Technik der mäßigen Entstellung, die bekanntermaßen die gefährlichste Form der Wahrheit darstellt, um weiterhin an der Richtigkeit der Behauptungen festzuhalten, die er dazumal in seinem Gutachten über Mollath aufgestellt hatte:

»Und auch das Gericht [WA-Verfahren 2014 in Regensburg] hat erneut auf verminderte Schuldfähigkeit erkannt, weil Mollath damals wahrscheinlich unter einer wahnhaften Störung litt.«

Genau das hatte das Gericht eben nicht getan: Es hatte lediglich ausgeführt, dass Derartiges nicht ausschließbar sei, man dies aber schlicht nicht wisse. Anschließend hatte die Kammer Mollath eine vollumfängliche Entschädigung für die gesamte Zeit seiner Unterbringung zugesprochen, da diese zu Unrecht erfolgt sei. Seine eigene Mitwirkung an dem ganzen Elend spielt Kröber herunter: Er habe geschrieben, dass vieles für eine wahnhafte Störung spreche. Dass er abschließend auch eine Zwangsbehandlung Mollaths empfohlen hatte, unterschlägt er dem Leser von stern Crime. Deshalb hier zur Erinnerung der Wortlaut aus seinem Gutachten:

»Unbehandelt wird Herr Mollath weiterhin so viel Aktivität, Antrieb und, wie von der Klinik geschildert, auch übermütig-hypomanische Geschäftigkeit an den Tag legen, dass weiterhin von einer andauernden Gefährdung Dritter auszugehen ist. Kritisch ist dabei einzuräumen, dass es kaum möglich sein wird, ihn dauerhaft gegen seinen Willen medikamentös zu behandeln; möglicherweise wäre aber nach einer anfänglichen medikamentösen Behandlungsphase so viel Effekt zu erzielen, dass er sich schließlich zu einem kooperativen Verhalten entschließen könnte.«

Es lohnt sich zudem, die recht lässigen Aussagen Kröbers im Interview mit Kapitel 12 (ab Seite 135) in Gerhard Strates Buch zu vergleichen: »Die Allzweckwaffe aus der Hauptstadt«.




Update 10, 25. September 2015 - Kommentar von Fritz Schaarschmidt auf psychiatrie-und-ethik.de:

Auf der Website der »Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie« des Dr. Friedrich Weinberger findet sich ein neuer Kommentar von Fritz Schaarschmidt, den ich mir erlaube, ausnahmsweise im Vollzitat wiederzugeben, da er sich auf meine Person bezieht. Ein weiterer Grund für die Übernahme des Kommentars in dieses Blog ist die Tatsache, dass Inhalte auf der Weinberger-Website nicht immer zuverlässig erhalten bleiben, da häufig geändert, verschoben oder gelöscht wird und gesetzte Links somit Gefahr laufen, eines Tages ins Leere zu laufen. Hier also der besagte Kommentar:

Fritz Schaarschmidt 23. September 2015 at 17:17 
Zu Ursula Prem 
Meine Stellungnahme zu den Ausfällen der Kinderbuchautorin und Ex-Opernsängerin Prem vom 18.7.2015 gegen Dr. Weinberger auf ihrer Website „Ein Buch lesen“ möchte ich verdeutlichen, auch wenn der Skandal um die siebeneinhalbjährige psych­iatri­sche In­ter­nie­rung Gustl Mol­laths und die Niedertracht, die da im Spiel war, im öffentlichen Be­wußt­sein schon am Verblassen sind. Im Kommentar Prems vom 6.7.2015 kam sie nochmals voll heraus! 
Frau Prem machte Gustl Mollath und Dr. Weinberger gemeinsam den Vorwurf, daß sie eine „or­dent­li­­che Psychiatrie, keine Scharlatanerie und schon gar keine Dienlichkeiten“ für fremde Zwecke fordern. Sie hieß Dr. Weinberger, den aus gewiesenen Kämpfer gegen die zwangs­weise Psychiatri­sierung an­geb­lich verrückter Querulanten oder sonstwie un­be­quemer Perso­nen, einen „ausge­wie­se­nen Befürworter der Zwangspsychiatrie.“ Seine Aus­füh­rungen bei der Vorstellung des Mollath-Films be­zeich­nete sie als „geifern“. Jeder kann auf der GEP-Web­seite nachlesen, wie angemessen sie waren. Frau Prem erdreistete sich noch zu fragen: „Schämt der Mann sich gar nicht?“ Wer hat sich hier zu schä­men? Wie will Prem die Realität noch auf den Kopf stellen? Wo­her nimmt sie ihren Haß gegen den Facharzt, der sich über Jahrzehnte selbstlos für Opfer psychiatrischen Mißbrauchs, zuletzt dann für Mollath eingesetzt und ihm wie kein anderer Psychiater im Land geholfen hat? 
Ich selbst habe in der DDR Übergriffe und Überheblichkeit von systemhörigen Psychiatern bei der Behand­lung von Ange­hörigen zur Genüge erlebt und bin stolz, im vereinigten Vaterland nunmehr in der seit 40 Jahren hoch bewährten „Walter-von-Baey­er-Gesellschaft für Ethik in der Psy­chiatrie e.V.“ für eine or­dent­liche psy­ch­ia­tri­sche Krankenversorgung, keine Scharlatanerie und schon gar keine Dien­lich­keiten des Faches für fremde Interessen – Mollaths Wort – an der Seite Dr. Weinbergers eintreten zu können, an der Seite des hervorragenden Streiters gegen Mißbräuche des Faches, wo immer auf der Welt sie vor­kom­men, eines Trägers des Bundesverdienstkreuzes aus gutem Grund! 
Fritz Schaarschmidt http://www.DDR-Opfer.de [Quelle] 
Lieber Herr Schaarschmidt,

Ihre im letzten Absatz Ihres Kommentars angedeutete persönliche Geschichte lässt mich erahnen, wie groß Ihre Wut sein muss. Als ich selbst 1994 aus beruflichen Gründen für insgesamt etwas mehr als sechs Jahre in die (dann schon ehemalige) DDR zog, zu diesem Zeitpunkt bereits »Neue Bundesländer« genannt, »durfte« ich bei der Renovierung meiner kakerlakenverseuchten Einraum-Plattenbauwohnung in Dessau noch eigenhändig die Abhördrähte der Stasi aus der Wand ziehen. Sie verliefen parallel der Lichtleitung. Man muss sich das vorstellen: Ein Land, das nicht in der Lage war, Stromleitungen unter Putz zu verlegen und seine Bürger zwischen blanken Stahlbetonwänden hausen ließ, vor deren unwohnlicher Härte selbst meine Schlagbohrmaschine kapitulierte, gönnte sich hochentwickelte Abhörsysteme!

Auch wenn diese Erfahrung eine Nachträgliche war, so machte sie mir doch unmittelbar begreifbar, wozu dieses System fähig gewesen ist. Dass Psychiater sich auch dort einspannen ließen: Mich würde es wundern, wenn es anders gewesen wäre! Dies sage ich heute, nachdem erst der Fall Mollath mir einen Einblick nicht nur in die Abgründe, sondern in die Profession der (forensischen) Psychiatrie als Ganzes ermöglicht hat.

Dass Sie sich gegen solche Umtriebe einsetzen ist großartig! Und wenn Sie noch einen Schritt weitergehen möchten, dann befragen Sie doch Dr. Weinberger einmal nicht nur über das Ob, sondern auch und vor allem über das Wie. Wie möchte er dagegen vorgehen? Was ist der erste Schritt, was der zweite und was das Ziel? Lassen Sie jeden angeblichen »Methodenstreit« beiseite, mit dem Psychiater so gerne ihr Gegenüber verwirren und wahlweise für sich einnehmen oder gegen sich aufbringen: Ob »FREUDvoll« oder »FREUDlos«, wie es Weinbergers einziges Thema zu sein scheint, ist mir persönlich völlig egal. Was interessieren mich die internen Mätzchen der Psychoindustrie? Die Frage muss vielmehr lauten: Wie lassen sich die Umtriebe der Zwangspsychiatrie effektiv abstellen?

Es wird auf Dauer nicht reichen, einfach nur laut »Ich bin dagegen!« zu schreien. Dafür braucht es keine GEP, keine aufwendigen Websites oder auf kostbarem Papier gedruckte Bleiwüsten, die sich als »Rundbrief« bezeichnen, jedoch nichts als Mobbing betreiben. Geschenkt. Was sollte sich, abgesehen vom persönlichen Frustabbau, dadurch ändern? Da halte ich es doch lieber mit der Sichtweise der Juristen, die konkrete Vorschläge bringen, über die es sich überhaupt lohnt zu diskutieren.

Meine persönliche Auffassung dazu ist so scheinbar einfach, dass sie tatsächlich nur von einer »Ex-Opernsängerin und Kinderbuchautorin« stammen kann:

Für Psychiater haben dieselben gesetzlichen Rahmenbedingungen zu gelten wie für alle anderen Mediziner auch. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Dass der Gedanke, künftig mit jedem dahergelaufenen Gynäkologen auf ein und derselben rechtlichen Stufe zu stehen, einem Hohepriester der Psychiatrie eine gar bittere Medizin sein mag, juckt mich nicht die Bohne: Ärzte haben nur den zu begutachten oder gar zu behandeln, der sie darum bittet und mit der Behandlung einverstanden ist oder ihr (wenigstens!) nicht widerspricht. Würde dieser Grundsatz ehern gelten, hätten wir das gesamte Problem nicht, denn er ist der Kern der Sache. Alles andere ist für den Arsch.

Mit besten Grüßen

Ursula Prem


Update 11, 6. März 2016, forensische Psychiatrie: Das Buch »Der Fall Mollath – vom Versagen der Justiz und Psychiatrie ist jetzt in zweiter Auflage erhältlich.




-- Wird fortgesetzt --
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Dienstag, 24. Februar 2015

Klassik für Nerds VIII - Ursula Prem singt »La Wally«

La Wally ist eine lyrische Oper (»Dramma lirico«) in vier Akten von Alfredo Catalani auf ein Libretto von Luigi Illica nach dem Roman »Die Geier-Wally« von Wilhelmine von Hillern. Im achten Teil unserer Serie »Klassik für Nerds« singt Ursula Prem die Arie der Wally: »Ebben? Ne andrò lontana«, die manchem Krimi-Fan noch aus dem Soundtrack des Films »Diva« von Jean-Jacques Beineix in Erinnerung sein dürfte. 





Sonntag, 22. Februar 2015

266 »Tod und Leben«

Teil 266 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Der Dom anno 1939
Es regnet in Strömen, die Straße glänzt. Eine elegant gekleidete Dame hastet über das Pflaster. Ihr Schirm, den sie aufgespannt hat, wehrt sich wacker gegen den offenbar starken Wind. Im Hintergrund sind man – recht klein – weitere Passanten, die dem Regen trotzen. Rechts vorn steht ein Mann, vielleicht ein Polizist. Er blickt zur Dame. Und links im Bild erkennt man das Portal des Doms zu Bremen.

Die Aufnahme entstand am 16. April 1939. Seit einigen Jahren sind die Nationalsozialisten an der Macht. Noch ist Frieden im »Deutschen Reich«. Japan führte allerdings schon seit Monaten einen erbitterten Krieg gegen die Sowjetunion um den Grenzverlauf. In Asien sterben Soldaten der »Kaiserlich Japanischen Armee« und der »Nationalrevolutionären Armee der Republik China«. Wer den »Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg« ausgelöst hat, das ist bis heute umstritten.

Zurück zum Dom von Bremen. Bereits anno 1638 stürzte der Südturm ein. Dombaumeister Ernst Erhardt stellt in seinem »Handbuch und Führer« (1) fest: »Wenige Jahrzehnte später wurde die Spitze des Südturms und ein Teil des Kirchendaches durch Brand zerstört. Seit jener Zeit war die ehemals stolze und stattliche Kathedrale der bremischen Erzbischöfe dem Verfall anheim gegeben, der immer weiter fortschritt und bis in die neuere Zeit dauerte.

Ein Teil der Westseite lag in Trümmern, große Flächen der ehemals fest gefügten Mauern hatte das Wetter arg zerfressen, die Portale waren zerstört, Bildwerke abgemeißelt. So bot im Westen die Kirche in ihrer Verstümmelung und Verwitterung einen unerfreulichen Anblick. Aber auch an den übrigen Seiten schritt der Verfall … fort. .. Im Inneren waren die Gewölbe durch das Ausweichen der Mauern sehr schadhaft geworden, und deckten mehrere Anstriche die alten Malereien. Die vielen Schäden, die das Gebäude in den letzten Jahrhunderten durch Feuer und Menschenhand erlitten hatte, wurden entweder gar nicht oder nur notdürftig beseitigt. Endlich, im Jahre 1888, begann eine großartige Wiederherstellung des Domes in all seinen Teilen.«

Bis zum Abschluss der Arbeiten im Jahre 1901 mussten astronomische 2 800 000 Mark fast ausschließlich von der Bremer Bürgerschaft aufgebracht werden. Um den Dom zu sichern, mussten intensive Stützungsarbeiten am Fundament vorgenommen werden. Dabei wurden die als »verschollen« geltenden Gebeine von Erzbischof Liemar (verstorben 1101 n.Chr.) wieder entdeckt.

Am 16. April 1939 entstand ein Foto in Bremen. Es zeigt zur Linken den Dom, bevor er Jahre später unmittelbar vor Kriegsende massiv von den Alliierten bombardiert und wieder beschädigt, ja teilweise zerstört wurde. (Foto 1) Man erahnt die Figuren von David, Moses, Petrus und Paulus mehr als dass man sie wirklich erkennt. Und zu ihren Füßen nimmt man die metallenen Fassadenfiguren wahr. Sie stammen aus der Zeit der massiven Renovierungs- und Neubaumaßnahmen am Dom, wurden also gegen Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen, und zwar vom Bildhauer Küsthardt (2).

Schlange beißt Adler. Detail. Foto W-J.Langbein

Im Verhältnis zum rund tausendjährigen Dom sind sie also recht jung. Der Künstler, von dem keinerlei erklärende Kommentare zu den mysteriösen Monster- oder Fabeltieren vorliegen, war offensichtlich ein Kenner uralter Mythologie.

So verwendete er Symbole wie die Schlange, die das Christentum von sehr viel älteren Kulturen übernommen hatte. Die Schlange vom Dom zu Bremen ist freilich mehr Drachenmonster als das uns vertraute Reptil. Das Bremer Exemplar hat sogar Zähne im Maul, um bei Angriffen richtig zubeißen zu können. Bildhauer Küsthardt setzte die Schlange als das Symbol für das Böse ein, während die Schlange im Vorderen Orient allgemein sehr angesehen war und als personifizierte Weisheit und Erleuchtung verehrt wurde.

Schlange mit Zähnen. Detail. Foto W-J.Langbein

Die biblische Schlange versprach Adam und Eva die Unsterblichkeit der Götter. In Indien ließ sich der Schlangenkönig Vasuki herab, als Quirl zu dienen, wenn der mythische Milchozean geschlagen werden musste, um den Unsterblichkeitstrank herzustellen. Der Wunsch, wie die Götter zu werden, wurde zum Verhängnis von Adam und Eva. Bestraft wurde die Schlange, weil sie Eva verführt hatte. Gott nahm dem Reptil die Beine. Eva musste von nun an unter Schmerzen gebären und Adam im Schweiße seines Angesichts schuften. In der christlichen Plastik vor dem Dom zu Bremen kämpft der Adler (Symbol für das Christentum) gegen die böse Schlange (Symbol für das Böse). Noch aber ist der Kampf nicht entschieden. Das Reptil ist zwar nieder gerungen, greift aber noch an, verbeißt sich in der Pranke des Adlers.

Das Quirlen mit der Schlange Vasuki

Wenn Sie den Dom zu Bremen besichtigen, nehmen Sie sich Zeit für die von den meisten Besuchern kaum beachteten metallenen Fassadenfiguren, die ebenerdig auf Besucher warten. Ein sehr plastisch dargestellter Kampf ist besonders interessant und rätselhaft. Suchen Sie die mittlere Figur, es ist Karl der Große. Sie finden den Regenten mittig zwischen David und Moses zur linken Seite und Petrus und Paulus zur rechten Seite. Auch Karl der Große steht, so wie seine »Kollegen« rechts und links auf kurzen Sandsteinsäulen. Die Säule von Karl dem Großen steht auf einem Podest mit einem so gar nicht christlich wirkenden Kampfgetümmel. Da ist wieder der Löwe, mit mächtigem, imposantem Haupt. Der König der Tiere hat sich im Hals eines undefinierbaren Monsters verbissen, das einen Schrei ausstößt. Noch ist dieses Wesen mit schuppigem Leib – ein Drache mag es sein – nicht besiegt.

Kampf auf Leben und Tod. Foto W-J.Langbein

Am Boden aber liegt eine seltsame Kreatur mit säulenartigem, zerbrochenem Leib. Mit einer Pranke stützt sich der Löwe auf dem Hals des besiegten und zerstörten Dings auf. Das Haupt des unterlegenen Wesens ist menschlich, doch ist das Gesicht von Stahlen umgeben.

Tür zum Dom. Foto W-J.Langbein
Niemand schien sich für die Portalfiguren zu interessieren, an denen doch jeder Besucher des Doms vorbeigehen muss. Lange Zeit hatte ich vergeblich nach Literatur zu den geheimnisvollen Tierfiguren vor dem Dom gesucht. Ich habe mir Kirchenführer, Reiseführer, Abhandlungen über Kirchen und Dome besorgt. Niemand ging auf die doch recht großen Tierplastiken ein. Nach langem Recherchieren wurde ich endlich fündig. Ich fand in einem Antiquariat »Der Dom in Bremen/ Handbuch und Führer«, 1921 in Bremen erschienen. Ernst Erhardt, Dombaumeister in Bremen von 1897 bis 1901 hat es verfasst. Erhardt geht, wenn auch nur kurz, auf die Metallfiguren ein, auch auf die interessanteste Darstellung an der Domfront (4):

»Die Karl den Großen tragende Säule ruht auf einem den Drachen überwältigenden Löwen, am Boden liegt ein zertrümmertes Götzenbild. Diese Darstellung deutet auf die durch Karl begonnene und durchgeführte Niederwerfung und Bekehrung der heidnischen Sachsen hin.« Ernst Erhardt bezeichnet das zertrümmerte Ding wohl richtig als besiegten Götzen, verzichtet aber auf Vermutungen, um welchen »Götzen« es sich wohl handeln mag. Eine Vermutung liegt mehr als nur nahe. Auf einer verzierten Säule saß einst ein Haupt mit Strahlen. Es dürfte sich bei dem »Götzen« also doch wohl um eine Sonnengottheit handeln.

Sterbendes Monster im Griff des Löwen. Foto W-J.Langbein

Dr. Ingrid Weibezahn fragt (5): »Was hat es aber mit dem Kopf mit Strahlenkranz auf sich, der zu Füßen von Karl dem Großen niedergestreckt liegt, hinter sich ein Ungeheuer, das von einem Löwen an der Kehle gepackt wird? Schon oft wurden wir von Dombesuchern mit Fragen zu dieser Szene bestürmt und konnten bisher nie eine passende Antwort geben.« Sie schildert in ihrem Artikel »Rätsel der Fassadenfiguren gelöst« schließlich, wie sie dank eines Zufalls und mit detektivischem Spürsinn den »Götzen« identifizieren konnte.

Kurz gefasst: Vielleicht diente dem Bildhauer Küsthardt ein Gemälde von Alfred Rethel als Vorlage, das Karl den Großen zeigt, der soeben die Irminsul gestürzt hat. Vielleicht nahm sich der Künstler auch  ein Fresko aus dem Aachener Rathaus zum Vorbild. Wie dem auch sei: Die Irminsul wird als Statue mit einer Säule als Leib und einem Haupt mit Sonnen-Strahlenkranz dargestellt. Sie ist beim Sturz zerbrochen. Das Haupt liegt vor dem Leib, auch einige der »Sonnenstrahlen« sind abgeplatzt.

Zerbrochenes Götzenbild. Foto W-J.Langbein

Alfred Rethel (1816-1859) erinnert Dr. Ingrid Weibezahn an (5) »eine Überlieferung, nach der Karl der Große im Jahr 772 unweit der Eresburg im Sauerland ein Baum(?)heiligtum der Sachsen zerstört haben soll. Hier war nun der lang gesuchte ikonographische Zusammenhang: Ein Löwe als Symbol für die Stärke Karls (oder des Christentums, was hier quasi gleichbedeutend ist) zerfleischt ein heidnisches Ungeheuer, das Götzenbild mit dem Strahlenkranz (ein Bildnis des Germanengottes Baldur??) liegt bereits zerbrochen davor.«


Der Hinweis auf Baldur ist nicht nur interessant, sondern brisant! Baldur, auch Balder genannt, war der Sohn eines Gottes. Der Vater opferte den Sohn. Der Sohn stieg hinab in den Leib der Mutter Hel, in die Unterwelt. Aus der Unterwelt würde der göttliche Sohn zur Götterdämmerung wieder empor auf die Erde steigen. So wie Balders göttlicher Vater Odin, so opferte der biblische Gott-Vater seinen Sohn Jesus. Und so wie Balder hinab ins Totenreich stieg, so fuhr auch Jesus hinab ins Reich der Toten, nur um wieder aufzuerstehen. (6)

Haupt des Sonnengötzen. Foto W-J.Langbein

Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass es so etwas wie einen Urglauben gibt, der in mehr oder minder variierenden Versionen zum Grundstock verschiedener Religionen wurde. Es gibt zweifelsohne den immer wieder auftauchenden »Messias«, den Retter. So wie die Natur in der Trocken oder Winterzeit scheinbar »stirbt«, so akzeptiert der »Messias« seine Opferrolle bereitwillig. So wie die Vegetation, und somit die Voraussetzung für jegliches Leben dahinschwindet, so kündigt sich auch der Opfertod des Messias an. Natürlich haben unsere Vorfahren den Zusammenhang zwischen Sonne und Leben in allen möglichen Formen erkannt. Natürlich haben sie den Sonnenzyklus verstanden, sie wussten von den Sommersonnenwenden. Am 21. Juni – zur Sommersonnenwende – steht die Sonne in ihrem Zenit, um dann tagtäglich an Kraft zu verlieren. So ist es kein Zufall, dass Balder als Sonnengott am 21. Juni getötet wird. Zur Wintersonnenwende wächst die Kraft der Sonne wieder, die »Wiederauferstehung« des Lebens – beginnend mit der kleinsten Pflanze – kündigt sich an. So ist es auch kein Zufall, dass fast genau zur Wintersonnenwende die Geburt von Jesus zelebriert wird.

Goldener Glanz der Sonne... Foto Walter-Jörg Langbein

So gab es die Opferung des Messias parallel zum »Sterben« der Natur und die »Auferstehung« des Messias parallel zum Wiedererstehen der Natur. Nach magischem Denken muss der Messias getötet werden, damit er zu neuem Leben erwachen kann… und mit ihm die Natur. Die Opferung des Messias hat seine Auferstehung zur Folge. Die Natur kann – nach magischem Denken – nur zu neuem Leben erwachen, wenn der Messias getötet wird, um wieder aufzuerstehen. Jesu Opfertod, Jesu Abstieg in die Unterwelt und neuerliche Auferstehung sind die christliche Version uralter Kulte um Sonnenkulte. Nach wie vor feiert man im Christentum zyklisch und alle Jahre wieder Geburt Jesu, Leben und Sterben Jesu, Auferstehung Jesu… Dieser Zyklus wiederholt sich immer wieder, Jahr für Jahr, so wie die Natur auch Jahr für Jahr »geboren wird«, »lebt«, »stirbt«, um wieder aufzuerstehen. Allerdings hat man im Christentum die Beziehung zwischen Messias und Natur vergessen oder verdrängt. Es geht offiziell nur noch um Leben und Auferstehung des Menschen, was durch Opfertod und Rückkehr des Messias ins Reich der Lebenden erst möglich wird.


Dank

Dr. Götz Ruempler, wohl einer der besten Kenner des Doms von Bremen, war äußerst hilfreich. Er nannte wichtige Quellen und schickte mir Fotokopien wichtiger Artikel. Ein herzliches Dankeschön geht an Dr. Ruempler! Ich möchte aber betonen, dass meine Gedanken zum Dom nicht mit Dr. Ruempler abgesprochen worden sind.

Paulus am Dom. Foto W-J.Langbein
Zu den Fotos:

(1) Das Foto entstand am 16. April 1939. Fotograf: unbekannt. Auf der Rückseite ist handschriftlich das Datum der Aufnahme vermerkt sowie der Hinweis »Portal des Doms u. Börse in Bremen (regnerisch)«.
(2) Das Quirlen mit der Schlange Vasuki wiki commons/ gemeinfrei

Alle übrigen Fotos stammen vom Verfasser. Das Copyright liegt wie immer bei Walter-Jörg Langbein!

Fußnoten

1) Erhardt, E(rnst): »Der Dom in Bremen/ Handbuch und Führer«, Bremen 1921, Seite 4 (Die Schreibweise wurde nicht der heutigen angepasst, sondern belassen!)
2) Weibezahn, Dr. Ingrid: »Rätsel der Fassadenfiguren gelöst«, »Domnachrichten« Nr. 4/ 2001, S. 10 und 11
3) Weibezahn, Dr. Ingrid: »Rätsel der Fassadenfiguren gelöst«, »Domnachrichten« Nr. 4/ 2001, S. 5
4) Erhardt, E(rnst): »Der Dom in Bremen/ Handbuch und Führer«, Bremen 1921, Seite 5
5) Weibezahn, Dr. Ingrid: »Rätsel der Fassadenfiguren gelöst«, »Domnachrichten« Nr. 4/ 2001, S. 10 und 11
6) Siehe hierzu Waddell, Augustine: »Tibetian Buddhism«, New York 1972

267 »Mumien und eine geheimnisvolle Unterwelt«
Teil 267 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 01.03.2015



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Sonntag, 15. Februar 2015

265 »Von der Heiligen Taube zum Schlangenmonster«

Teil 265 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Der Dom zu Bremen. Foto Walter-Jörg Langbein

Es war ein verregneter Nachmittag im November gegen 15 Uhr. Düster hingen pechschwarze Wolken über dem Dom zu Bremen. Düster wirkte auch das massive Mauerwerk. Wie die Monstermauern einer mittelalterlichen Burg aus bösen Zeiten scheinen vor einem Jahrtausend massive Steine bis in den Himmel aufeinander getürmt worden zu sein. Setzten die Bauherren, die im 11. Jahrhundert den Bremer Dom St. Petri errichten ließen, eine alte Tradition fort? Wollten sie, um einige Beispiele zu nennen, so wie die Architekten von Babylon, Indien, Zentralamerika und Ägypten seit Jahrtausenden, Erde und Himmel miteinander verbinden? Wurde der Dom wie einst die Zikkurats von Babylon von christlichen Himmelsstürmern geschaffen?

Hoch oben auf der Spitze des Turms zu Babel begegneten sich vor Jahrtausenden Mensch und Gott. Im Tempel hoch oben zelebrierten Gott und Mensch die »Heilige Hochzeit«. In den ältesten Überlieferungen war es eine Göttin, die vom Himmel kam, um sich einen Irdischen als Gemahl zu erwählen. In christlichen Zeiten wurde eine derartige »heidnische« Überlieferung natürlich verabscheut, als blasphemische Unzucht verurteilt. Übersehen wird dabei allerdings, dass es diese uralte Tradition noch im »Neuen Testament« gibt (1): »Da komm die Taube vom Himmel herab und verbindet sich mit Jesus. Und es begab sich, als alles Volk sich taufen ließ und Jesus auch getauft worden war und betete, da tat sich der Himmel auf, und der Heilige Geist fuhr hernieder auf ihn in leiblicher Gestalt wie eine Taube, und eine Stimme kam aus dem Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.« Bei Markus lesen wir (2): »Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn.

Wilhelm II als Karl der Große

Und da geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.«  Selbst im Evangelium nach Johannes fehlt der Hinweis auf die himmlische Taube nicht (3): »Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb.«

Die Taube war von Alters her das Sinnbild von Göttinnen wie der Venus. So lässt sich die heute merkwürdig anmutende Szene von der himmlischen Taube, die sich mit Jesus »verbindet« als Reminiszenz an den uralten Mythos der heiligen Hochzeit zwischen Göttin und auserwähltem Menschen verstehen. (4)

Löwe und Spieler. Foto Walter-Jörg Langbein

Tatsächlich fühlt man sich dem Himmel so nah, wenn man die 256 Stufen – vorbei an den vier Glocken des Geläuts – erklommen hat. 99 Meter über dem Boden erscheint einem die Hektik der Menschen weit unten auf dem Marktplatz wie das konfuse Treiben verwirrter Insekten. Anstrengend ist es, den quadratischen Südturm zu besteigen, doch der Blick nach unten und in die Ferne belohnt für die Mühen. Es lohnt sich auch, in den Bleikeller des Doms hinab zu klettern.

Adler und Eitelkeit. Foto W-J.Langbein

Der Name erklärt sich so: Einst wurden im gespenstischen Keller die Bleiplatten gelagert, die man für die Domdächer benötigte. Zufällig stieß man im unheimlichen Gewölbe auf die Mumien von neun (nach anderen Quellen sechs) Menschen. Seit 1984 befindet sich der »Bleikeller« in einem Nebengebäude des Doms zu Bremen.

Da liegt zum Beispiel Georg Bernhard von Engelbrechten (1658 bis 1730), der letzte schwedische Domverwalter. Einst glaubte man annehmen zu dürfen, dass das Gift der Bleiplatten zur Mumifizierung der Toten führte. Inzwischen weiß man aber, dass die Körper der Toten einfach nur auf natürliche Wiese austrockneten. Makaber-unheimlich mutet es an, wie ein Zimmermann, ein schwedischer General, eine schwedische Gräfin, ein englischer Major und ein Student scheinbar den ungebetenen Besucher in ihrer Gruft mustern. Es kommt dem leicht (?) beklommenen Eindringling so vor, als stützen sich die trockenen Mumien ab, um gleich aus den weit geöffneten Särgen zu klettern.

Löwe und Lüsternheit. Foto W-J.Langbein

Eine der Mumien könnte einem heutigen Horrorfilm entsprungen sein. Der männliche Tote hat den Mund wie zu einem Schrei weit aufgerissen. Man nahm lange Zeit an, dass es sich bei dem Mann um einen Dachdecker handelte, der beim Sturz vom Turm zu Tode kam. 1985 wurde die Mumie geröntgt. Es zeigte sich, dass die erstarrte Leiche keinen einzigen Knochenbruch aufwies, wohl aber eine Kugel in der Wirbelsäule. War der vermeintliche »Dachdecker« also ein Soldat, der vor Jahrhunderten erschossen wurde… oder ein Mordopfer?

Ich jedenfalls würde mich zu nächtlicher Stunde auf keinen Fall in jenen unheimlichen Keller wagen. Was dort zu sehen ist, ist wirklich makaber. Die sterblichen Überreste von sechs Menschen wurden in der Unterwelt des Doms zu Bremen gefunden. Wusste man vom natürlichen Mumifizierungsprozess, als man die Toten unter dem Dom beisetzte? Wollte man bewusst diese – etwas pietätlos formuliert –  Konservierung durch Eintrocknung der Leichen herbeiführen? So manche Frage ist bis heute nicht wirklich beantwortet worden! Hat man die Toten, sie stammen aus unterschiedlichen Jahrhunderten –  im Verlauf von Jahrhunderten nach und nach in die »Krypta« geschafft? Oder wurden sie aus Friedhöfen und Krypten geholt und nach und nach unter dem Dom zur letzten Ruhe gebettet?

Blick in den Bleikeller. Foto um 1900. Archiv Langbein

Wurden die Mumien zur Schau gestellt, um die Gläubigen an ihr künftiges Schicksal zu erinnern? Solle der Christ, angesichts der doch erschreckend aussehen Toten an christlichen Lebenswandel erinnert und zur Frömmigkeit angehalten werden?

Völlig unklar ist nach wie vor, wer die Toten auswählte, die in der Gruft unter dem Dom zu Bremen bestattet wurden. Ein System ist nicht zu erkennen. Menschen aus unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung kamen auf gruselige Weise zu besonderen »Ehren«. Dahingestellt bleiben muss, ob die Toten alle mit der Zurschaustellung einverstanden wären? Das Problem des pietätvollen Umgangs mit sterblichen Überresten von Menschen ist weltweit nicht gelöst. Genauer gesagt: Menschen, die schon vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden das Zeitliche segneten, finden sich in Vitrinen der unterschiedlichsten Museen, und das weltweit! Die eigene Großmuter oder den eigenen Urgroßvater möchte wohl kaum jemand so zur Schau gestellt sehen.

Und was hat es zu bedeuten, dass auch die Mumien eines Äffchens und einer Katze im Bleikeller von Bremen scheinbar für ewige Zeiten »konserviert« wurden? Der Stubentiger mag sich dort unten zu den Toten verirrt haben und zugrunde gegangen sein. Aber Affen gehörten zu keinem Zeitpunkt zur Population von Bremen. Waren beide Tiere Opfer experimentierfreudiger Menschen? Galt es den natürlichen Mumifizierungsprozess zu studieren? Oder waren Katze und Äffchen einst Haustiere, die seit Jahrhunderten mit ihren Menschen unter dem Dom zu Bremen auf den »Jüngsten Tag« warten?
Stolz, ja majestätisch präsentiert sich heute der Dom zu Bremen. Was viele Zeitgenossen heute nicht wissen:  Wie viele andere Gotteshäuser, so wurde auch der Dom zu Bremen offenbar von den Alliierten als kriegswichtiges Ziel angesehen.

Ziel alliierter Brandbomben... Foto W-J.Langbein

Anno 1944 wurden Brandbomben auf das altehrwürdige Gotteshaus abgeworfen, die allerdings – zum Glück – nur verhältnismäßig geringen Schaden anrichteten. Es barsten »nur« einige kostbare Scheiben der großen Kirchenfenster. Damit begnügten sich die Angreifer nur vorübergehend. Im März des Jahres 1945, wenige Wochen vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 7. Mai 1945, explodierte an der Nordseite des Doms eine Sprengbombe, die große Teile einstürzen ließ. Das gesamte Gebäude war einsturzgefährdet. Schon 1945 wurden gewaltige Anstrengungen unternommen, um die sakrale Kostbarkeit wieder instand zu setzen. Wer denkt schon an diesen Teil der Geschichte Deutschlands, der vor dem Dom zu Bremen steht?

König David mit Harfe. Foto W-J.Langbein

Betrachten wir die Domfassade, dann fallen fünf steinerne Figuren auf. Kann man sie wie ein Buch lesen? Da blicken König David (Kennzeichen: Harfe) und Moses (Kennzeichen Gesetzestafeln und »Hörner«) vom linken Portal herab. Vom rechten Portal grüßen Petrus (Kennzeichen Schlüssel) und Paulus (Kennzeichen Schwert). In der Mitte thront Karl der Große, als steingewordene Propaganda. Bewusst wurde der Sachsenschlächter mit den Gesichtszügen Kaiser Wilhelms II. versehen. Auf diese Weise sollte der Monarch als »wiedergeborener« Karl der Große gepriesen werden.

Moses mit Gesetzestafeln. Foto W-J.Langbein

Zu Füßen der fünf Fassadenfiguren geben fünf Fassadenfiguren Rätsel auf. Die mächtigen Ungeheuer passen auf den ersten Blick nicht so recht zu einem christlichen Gotteshaus. Doch eine christliche Interpretation liegt nahe! Löwe und Adler symbolisieren das Christentum. Da brüllt ein mächtiger Löwe triumphierend über sein Opfer, das er mit mächtigen Pranken hält und zu Boden drückt. Der Mann hält Würfelbecher und Würfel in den Händen. Dargestellt werden soll offensichtlich der Sieg des Christentums über die Sünde der Spielsucht. Als Sieger wird ein Adler mit mächtigen Klauen und gewaltigem Schnabel dargestellt: über eine recht attraktive Frau. Sie hält einen Spiegel, als allegorische Darstellung der Eitelkeit und Zügellosigkeit. Nicht auf Anhieb zu verstehen ist der Löwe als Sieger über einen Bock.

Dr. Ingrid Weibezahn erklärt (5): »Mit dem Mann mit Würfeln und Würfelbecher ist wohl die Spielsucht, mit dem Bockskopf die Lüsternheit, mit der Schlange das Böse schlechthin und bei der Frau mit Spiegel die Eitelkeit gemeint«

Adler und Schlangenmonster. Foto Walter-Jörg Langbein

Ein stolz dreinblickender Adler – Darstellung des siegreichen Christentums – hat eine gewaltige Schlange besiegt. Besiegt? Tatsächlich windet sich das nach wie vor kraftstrotzende Reptil noch in den mächtigen Klauen des Adlers. Es hat den Schlund weit aufgerissen und beißt mit scharfen Zähnen in eine der mächtigen Pranken des Adlers, die eher zu einem Löwen als zu einem Vogel passen. Und das Schlangemonster hat, im Gegensatz zu den in der Natur vorkommenden Artgenossen, Zähne im Maul. Die Schlange – in fast allen alten Kulturen unseres Planeten positives Symbol  – wurde erst im Christentum im sprichwörtlichen Sinne verteufelt.

Ausblick auf Folge 266... Foto W-J.Langbein
Fußnoten

(1) Evangelium nach Lukas, Kapitel 3,
Rätsel gelöst? Foto W-J.Langbein
Verse 21 und 22
(2) Evangelium nach Markus, Kapitel 1,
Verse 10 und 11
(3) Evangelium nach Johannes,
Kapitel 1, Vers 32
(4) Siehe hierzu auch – weniger deutlich –
Evangelium nach Matthäus Kapitel 17, Vers 5.
Der Verfasser des Evangeliums lässt die
ursprünglich heidnische Taube weg.
(5) Weibezahn, Dr. Ingrid:
»Rätsel der Fassadenfiguren gelöst«,
»Domnachrichten« Nr. 4/ 2001, S. 10 und 11

266 »Tod und Leben«
Teil 266 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 22.02.2015

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