Sonntag, 30. Dezember 2012

154 »Der begrabene Tempel«

Teil 154 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Ein Riese aus Stein bewachte einst
Copan ... - Foto: W-J.Langbein
Einst schützten mächtige Mauern die Metropole von Copán. 1576 beschreibt Diego Garcia de Palacio noch dieses Bollwerk. Bewundernd stellt er fest: »Dort befinden sich die Ruinen herrlicher Tempel. Ehe man dorthin kommt, stößt man auf sehr dicke Mauern und einen riesigen steinernen Adler. Auf der Brust trägt er ein Quadrat, dessen Seitenlänge mehr als das Viertel einer spanischen Elle beträgt und auf dem unbekannte Schriftzeichen stehen.«

Verschwunden sind sowohl die »dicken Mauern« als auch der riesige Adler aus Stein. Auch der einstige Wächter von Copán, ein monströser Riese, wurde wohl zerschlagen. Der spanische Chronist Diego Garcia de Palacio war vielleicht der Letzte, der den Koloss noch intakt gesehen hat: »Tritt man näher heran, so entdeckt man die Gestalt eines großen, steinernen Riesen; die Indianer sagen, er sei der Wächter des Heiligtums gewesen.«

Unklar ist, wie die Statue ausgesehen hat, die der spanische Chronist Diego Garcia de Palacio beschreibt. Was ist aus ihr geworden? Wurde sie zerstört? Oder bezieht sich der Spanier auf eine der mächtigen steinernen Stelen, die heute unzählige Besucher nach Copán locken?

Rätsel über Rätsel umgeben die Ruinenstadt Copán. Beispiel: Warum wurde »Tempel Rosalila« begraben? Warum haben die Mayas diesen mysteriösen Tempel mit Sand bedeckt und darüber einen weiteren Tempel, »Tempel 16« errichtet? Und was erwartet die Archäologie von morgen oder übermorgen von der geheimnisvollen Tempelgruft unter »Tempel Rosalila«? Da soll Yax K'uk' Mo', der legendäre Begründer einer mächtigen Dynastie, bestattet worden sein. Von einem Fluch, der die Gebeine des Herrschers schützen soll, ist nichts bekannt. Dennoch wagt sich kaum jemand in die Gruft, obwohl mit reichen Grabbeigaben zu rechnen ist. Der Dynastiegründer wurde sicher mit Prunk bestattet. Vielleicht wurde er gar mit Maya-Codices beigesetzt, die Aufschluss über Religion und Aberglauben geben!

Rekonstruktion des Tempel
Rosalila - Foto: talk2winik
Aber das Grab von Yax K'uk' Mo' wurde einst bis zum Rand ... mit Quecksilber gefüllt! Das schreckte die Archäologen lange Jahre ab. Ein Archäologe erklärte mir vor Jahren: »In diese Gruft wäre es lebensgefährlich, etwa nach Kostbarkeiten und Gebeinen zu suchen! Wussten die alten Mayas, wie giftig Quecksilber ist? Schützten sie so den legendären Herrscher?

Wie auch immer: In stickigen Gängen mussten sich der honduranische Archäologe Ricardo Agurica und sein Team anno 1989 an den begrabenen Tempel heranquälen. Sie waren beeindruckt von der Farbenpracht des sakralen Bauwerks, dessen Rekonstruktion im »Museo de Sitio« besichtigt werden kann. König »Mond-Jaguar« gilt als der Erbauer des Tempels für den Sonnengott. Die Ausmaße: Höhe dreizehn Meter, Grundfläche 18,5 mal 12,5 Meter!

Die Ruinen von Copán stellen einen kleinen Teil der einstigen Metropole dar. Unzählige Gebäude dürften im Lauf der Jahrhunderte abgetragen und zerstört worden sein. Und was heute zum Teil restauriert, sichtbar ist ... ist nur ein kleiner Teil, denn in der »Unterwelt« wartet noch manch sakrales Bauwerk auf Entdeckung. Offizielle archäologische Ausgräber trieben so manchen Tunnel unter die Fundamente der überirdischen Bauten ... in der Hoffnung auf Informationen über das Leben der Mayas in Copán. Auch Grabräuber waren am Werk, auch sie trugen dazu bei, dass die »Unterwelt« von Copán immer mehr einem Schweizer Käse gleicht.

Tempel 11

Foto: W-J.Langbein
Vermutlich war Copán so etwas wie ein wissenschaftliches Zentrum der Maya-Astronomie. Viele Jahrhunderte lang wurden Sonne, Mond und Sterne beobachtet. Viele Jahrhunderte lang wurden penibelst Daten notiert. Und viele Jahrhunderte lang wurde die Flut von Daten ausgewertet. Die Mayas verfügten nicht über Computer, aber über sehr viel Zeit. Und so gelang es einigen Spezialisten der Mayas, das Geheimnis der Mondfinsternisse zu entschleiern. Sie entdeckten die genaue Dauer der zeitlichen Abstände zwischen Mondfinsternissen. So konnten sie präzise berechnen, wann Jahrtausende vor ihrer Zeit Mondfinsternisse die Menschen in Angst und Schrecken versetzt haben mochten. Und sie konnten exakt berechnen, wann in Zukunft Mondfinsternisse stattfinden würden.

Nutzen die Priester-Astronomen ihr Wissen aus, um das ahnungslose Volk zu beeindrucken, ja in Angst und Schrecken zu versetzen? Sie konnten behaupten, dass der Mond von zornigen Monstergöttern gefressen würde ... konnten genau vorhersagen, wann das geschehen würde. Und sie konnten dann ihre priesterliche Macht demonstrieren, mit der sie den verschwundenen Mond wieder an den Himmel zurück holten! Sie konnten für sich in Anspruch nehmen, für die unwissende Masse der Gläubigen zumindest, mit mächtigsten Göttern in Verbindung zu stehen. Sie konnten behaupten, dass die Himmlischen auf sie, die wissenden Priester, hörten. Sie konnten behaupten, dass ihre Opfer den verschlungenen Mond wieder an den Himmel zurück holten!

Der Windgott am Tempel 11
Foto: W-J.Langbein
Anno 746 nach Christus jedenfalls wurde »Tempel 11«   beendet: aus Begeisterung ob der präzisen Erkenntnisse in Sachen Mondfinsternisse! An jenem Tempel wurde eine geheimnisvolle Steinstatue angebracht, die mich sehr an eine Mischkreatur aus Mensch und Tier erinnert. Sie stellt Windgott Hurakan dar.

Wenn wieder einmal die Nachrichten einen todbringenden Hurrikan, einen monströsen Wirbelsturm, vermelden: die Begriff »Hurrikan« und »Orkan« gehen auf den Maya-Gott des Wunders Hurakan zurück!

Hurakan wurde bei den Mayas aber auch als einer der mächtigen Schöpfergottheiten verehrt. Nachdem die ersten Menschen den Zorn der Götter erregt hatten, folgte umgehend drakonische Strafe. Eine gewaltige Sintflut löschte fast alles Leben aus. Hurakan jedenfalls hauste nach der Maya-Mythologie in den Nebeln über der Wasserflut. Hurakan wiederholte immer wieder das Wort »Erde« in einem magischen Ritual ... bis die Wasserfluten wieder wichen und erneut das trockene Land sichtbar wurde.

Gern tun wir die Vorstellung von zyklischem Entstehen und Vergehen der irdischen Kulturen als unsinnig ab. Fakt ist aber: Unser Planet wurde wiederholt von Katastrophen heimgesucht. Bedenken wir, dass Copán schon nach einigen wenigen Jahrhunderten fast vollkommen überwuchert und bereits wieder von Erde bedeckt war. Was bleibt von unserer irdischen Kultur, wenn der Planet Erde von einem Weltuntergang heimgesucht wird? Was ist nach 500, was nach 5000 oder gar 500.000 Jahre noch zu erkennen?

Nach Jahrhunderten kann eine einst
stolze Metropole schon fast vollkommen
verschwunden sein ...
Foto: W-J.Langbein
Eine solche Monsterflut war vor vielen Jahrmillionen Realität, ausgelöst wohl durch den Einschlag eines Himmelskörpers, der Tsunamis auslöste... Wie oft? Im Verlauf der Erdgeschichte gab es immer wieder gewaltige Katastrophen, die in zyklischen Abständen unseren Planeten heimsuchten. Wiederholt wäre fast alles Leben auf Terra ausgelöscht worden....so wie es die Maya-Mythologie auch überliefert. Das »Popol Vuh«, die »Bibel der Mayas«, propagiert eine Weltgeschichte, in der es immer wieder zu gewaltigen Katastrophen kommt.

Vor 75.000 Jahren gab es die Fast-Apokalypse von Sumatra, als ein Vulkan-Kataklysmus beinahe die gesamte Menschheit auslöschte. Seit Millionen brach ein Monstervulkan im Yellowstone-Nationalpark wiederholt aus. Wie mörderisch werden die Folgen des nächsten Ausbruchs des Supervulkans im »Yellowstone Nationalpark« sein? Fakt ist: Er ist längst überfällig! Zigtausende, ja Hunderttausende können als direkte Opfer bei dem Ausbruch zu beklagen sein. Hunderttausende, ja Millionen können den gewaltigen Massen giftiger Gase zum Opfer fallen. Es ist nur eine Frage der Zeit! Die nächste Apokalypse wird die gesamte Welt hart treffen. Gewaltige Temperaturstürze sind möglich, sehr lang anhaltende Zeiten vollkommener Finsternis sind wahrscheinlich. Dann wird es zu unvorstellbaren Hungerkatastrophen kommen. Es wird eine bislang nie gekannte Nahrungsmittelknappheit geben. Wie viele Menschen werden verhungern? Die Apokalypse wird definitiv kommen: nicht als göttliches Strafgericht, aber als Naturkatastrophe.

Düster blickt ein steinernes Gesicht
in die Zukunft - Foto: W-J. Langbein
Die Mayas rechneten mit riesigen Zeitzyklen ... zum Teil in Milliarden von Jahren. Man darf nicht versuchen, die Katastrophe auf den Tag genau vorauszuberechnen. Man muss sich nur einer Tatsache bewusst sein: Die nächste globale Katastrophe kann schon morgen zum Weltuntergang führen. Der Mensch wird dann vielleicht ausgelöscht. Das Leben wird aber zurückkehren, wachsen und gedeihen ... und das sehr viel besser als in der Epoche »Menschheit«! Die Zukunftsaussichten sind – langfristig gesehen – eher düster ...

Eine menschenähnliche Skulptur, von einem Steinmetz in Copán geschaffen, blickt in eine unheilvolle Zukunft ...

Literaturempfehlung
Wenn Sie sich über die zyklisch wiederkehrenden Apokalypsen informieren wollen, dann lesen Sie Walter-Jörg Langbeins aktuellen Bestseller »2012 - Endzeit und Neuanfang: Die Botschaft der Mayas«.

Langbein weist nach, dass die Erde wiederholt am Rande der totalen Katastrophe stand. Wiederholt wäre fast alles Leben auf unserem Planeten ausgelöscht worden. Die nächste apokalyptische Weltkatastrophe kommt bestimmt!

Ruinen werden von Baumwurzeln
gesprengt - Foto: W-J.Langbein
Literaturverzeichnis
Bacon, Edward (Herausgeber): Versunkene Kulturen/ Geheimnis und Rätsel
früher Welten, Volksausgabe, München 1970, (GROSSFORMAT)
(Mayas, Kap. 7. S. 93 fff.)
Biedermann, Hans: Altmexikos Heilige Bücher, Graz 1971
Bourbon, Fabio (Text): The Lost Cities of the Mayas/ The life, art and
discoveries of Frederick Catherwood, Vercelli (Italien) 1999
Bridges, Marilyn: Für die Götter/ Luftaufnahmen heiliger Landschaften,
Frankfurt 1990 (Bildband)
(Bauwerke der Mayas, Yucatán und Chiapas, S. 32-55)
Cotterell, Maurice M.: The Mayan Prophecies, Shaftesbury 1995
Cotterell, Maurice M.: The Supergods/ They came on a mission to save
mankind, London 1998
Cottrel, Leonard: The Horizon Books of Lost Worlds, New York 1964
Drew, David: The Lost Chronicles of the Maya Kings, London 1999
Eggebrecht, Eva und Arne: Die Welt der Maya/ Archäologische Schätze aus
drei Jahrtausenden, 2. Auflage, Hildesheim und Mainz 1992
Fiebag, Peter: Der Götterplan/ Außerirdische Zeugnisse bei Maya und Hopi,
München 1995
Fuls, Andreas: Die astronomische Datierung der klassischen Mayakultur (500-
1100 n.Chr.), Hamburg 2007
Gockel, Wolfgang: Die Geschichte einer Maya-Dynastie/ Entzifferung
klassischer Maya-Hieroglyphen am Beispiel der Inschriften von Palenque,
Mainz 1988
Krickeberg, Walter (Hrsg.): Märchen der Azteken und Inkaperuaner, Maya
und Muisca, Düsseldorf 1972
Martinéz, Pio und Bandini, Pietro: Das Götterorakel von Yucatán/ Das
Geheimwissen der Maya entschlüsselt, München 1998
Méndez, Maria Teresa Mézquita: Die Prophezeiungen der Mayas, Mérida,
Mexiko, 3. Auflage 2010
National Geographic Society: Versunkene Reiche der Maya, Augsburg 1997
Prem, Hanns J. und Dyckerhoff, Ursula: Das alte Mexiko/ Geschichte und
Kultur der Völker Mesoamerikas, München 1986 (GROSSFORMAT)
Schele, Linda und Mathews, Peter: The Code of the Kings/ The Language of
seven sacred Maya Temples and Tombs, New York 1998
Schele, Linda und Freidel, David: Die Unbekannte Welt der Maya/ Das
Geheimnis ihrer Kultur entschlüsselt, Augsburg 1994, Übersetzung von A
Forest of Kings
Schele, Linda und Miller, Mary Ellen: The Blood of the Kings/ Dynasty and
Ritual in Maya Art, Fort Worth 1986 (korr. Nachdruck)
Sitchin, Zecharia: Versunkene Reiche/ Der Ursprung der Zivilisation im
Reiche der Maya und Inka, Rottenburg 2008
Soustelle, Jacques: Die Kunst des alten Mexiko, Osnabrück 1968
Stingl, Miloslav: In versunkenen Mayastädten/ Ein Forscher den Geheimnissen
der indianischen Pyramiden auf der Spur, Leipzig 1971
Stuart, David und George: Palenque/ Eternal City of the Maya, London 2008
Westphal, Wilfried: Die Maya – Volk im Schatten seiner Väter, Bindlach 1991
Wipf, Karl A.: Wanderer in der Nacht/ Religionsgeschichtliche Interpretationen
zu altamerikanischen Chroniken, Hallein 1980

»Die Treppe der Hieroglyphen«,
Teil 155 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 06.01.2013





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Freitag, 28. Dezember 2012

Ein Dank an unsere Leser


Liebe Leserinnen und Leser,

die »Freitagskolumne« von Ursula Prem macht zum Jahreswechsel Pause. Die nächste Folge erscheint wie gewohnt am 4. Januar 2013. Wir, die Autoren von »Ein Buch lesen!«, möchten uns sehr herzlich bei den vielen Lesern bedanken, die unser Blog im Jahr 2012 besucht und/oder sich in unsere Bücher vertieft haben.

Sie haben zu Weihnachten einen Kindle eBook-Reader bekommen? In unserem Buchshop finden Sie neben unseren gedruckten Werken auch ein wachsendes Angebot an passenden eBooks: Brandneu ist der Titel »Das Geheimnis der amphibischen Astronautengötter« von Walter-Jörg Langbein. Für Krimileser empfehlen wir den spannenden Krimi »Mord in Genf«, das neueste Werk von Tuna von Blumenstein. Internetnutzer mit Troll-Erfahrung werden am Buch »ForenTroll« von Sylvia B. ihre reine Freude haben. g.c.roths Buch »Fluffige und andere Zeiten« ist auch auf dem eBook-Reader ein Genuss für Freunde heiterer und besinnlicher Kurzgeschichten. Oder möchten Sie Ihren neuen Kindle mit unterhaltsamem und lehrreichem Vorlesestoff für Vor- und Grundschulkinder bestücken? »EinmaleinsWalpurgisnacht!« von Ursula Prem macht nicht nur Spaß, sondern enthält auch noch alle Reihen des kleinen Einmaleins in eingängiger Reimform.

Auch für das Jahr 2013 sind weitere neue eBook-Titel unserer kleinen Autorengemeinschaft in Vorbereitung, über die wir Sie rechtzeitig informieren werden.

Wir wünschen Ihnen einen guten Rutsch und ein anregendes Lesejahr 2013!

Ihre Redaktion

»Ein Buch lesen!«

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Sonntag, 23. Dezember 2012

153 »21.12.2012«

Teil 153 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


So soll das Zentrum von
Copan ausgesehen haben.
Foto: W-J.Langbein
Zwei Tage ist es her: Der 21.12.2012 war ein Freitag wie jeder andere. Die Welt ist nicht untergegangen, wie so mancher »Maya-Experte« genüsslich prophezeit hat. Auch ein Bewusstseinssprung hat sich nicht bemerkbar gemacht. Auch am 21.12. drehte sich unser Heimatplanet weiter um die eigene Achse, setzte seine Reise um die Sonne fort. »Die Mayas haben sich also geirrt!« triumphiert jetzt so mancher Zeitgenosse, der kaum mehr als sensationsgierige Schlagzeilen in unseriösen Presseorganen gelesen hat.

Fakt ist: Die Mayas haben nicht die abstrusen Prophezeiungen verzapft, die man ihnen gern unterstellt hat. Die Mayas beobachteten die Gestirne und erkannten, dass das Universum so etwas wie ein riesiges Uhrwerk ist. Sie erkannten, dass die Zeit in Zyklen abläuft ... als ewiger Kreislauf ohne Anfang und Ende.

Fakt ist auch: Unser Wissen in Sachen Copán ist auch heute noch, auch wenn Glyphen-Inschriften inzwischen gelesen werden können, nach wie vor bruchstückhaft. Wir setzen unzählige Details zu einem immer noch unvollständigen Mosaik zusammen. Es ist, als versuchten wir ein Buch zu lesen, aus dem viele Seiten herausgerissen worden sind.

Unser Bild von Copan ist immer noch
bruchstückhaft. Foto: W-J.Langbein
Im siebten Jahrhundert nach Christus erreichte die Kultur der Mayas in Copán nach schulwissenschaftlicher Ansicht einen grandiosen Höhepunkt. Und in der Tat: Copán war eine wirklich imposante Metropole im Maya-Reich. Wie groß sie einst war, wir wissen es nicht. Noch so manches Gebäude aus den einstigen »Vororten« von Copán wird unter dicht bewaldeten Erdhügeln vermutet. Das Zentrum von Copán allein hatte erstaunliche Ausmaße: 130.000 Quadratmeter! Im Norden wurde einst von den Mayas eine künstliche Plattform angelegt: Zehn Meter hoch, 50.000 Quadratmeter groß. Wurden hier einst religiöse Zeremonien abgehalten? Die Wissenschaft der Astronomie war fester Bestandteil der Maya-Religion. Die Wissenschaftler der Mayas versuchten über viele Jahrhunderte hinweg den Schöpfungsplan zu entdecken, das Konzept hinter Erde, Sonne, Mond und Sternen. Die Mayas sahen sich als Teil einer hoch komplizierten Schöpfung. Nie und nimmer wären sie auf die anmaßende Idee gekommen, sich als »Krone« der Schöpfung zu sehen!

Noch im 16., 17. und 18. Jahrhundert gab es Überbleibsel des einstigen Maya-Geheimwissens. Die kostbaren Berichte aus jener Zeit liegen noch vor: in Maya-Sprache, aber in lateinischer Schrift notiert. Die »Bücher des Chilam Balam (»chilam«, zu Deutsch »Wahrsager«, »balam« zu Deutsch »Jaguar«) ünerstanden den Zorn jener christlicher Missionare, die derlei »teuflischen Aberglauben« mit heiligem Zorn verfolgten. Allerdings kann man sie leider nicht mehr als »Maya-Wissen pur« bezeichnen. In die mysteriösen Texte floss, von christlichen Spaniern eingefügt, christlicher Glaube mit ein.

Womöglich warten in noch
verschütteten Ruinen verborgene
Maya-Texte auf Entdeckung.
Foto: W-J.Langbein
Der Ursprung dieser Werke ist in der Wissenschaft nach wie vor umstritten. Handelt es sich um schriftlich fixierte mündliche Überlieferungen? Oder lagen vor einigen Jahrhunderten noch Maya-Glyphentexte vor, die – bevor die Originale verbrannt wurden – als christlich verfälschte Transkriptionen erhalten blieben? Unklar ist nach wie vor, wie viele Chilam-Balam-Bücher es einst gab. Waren es zwanzig oder nur sechzehn? Wie viele der Texte sind im Laufe der letzten Jahrhunderte verloren gegangen? Wie viele solcher Bücher befinden sich noch im Besitz von Maya-Nachkommen oder begeistert-fanatischen Sammlern?

Vor Ort hörte ich immer wieder, dass es solche heiligen Bücher nach wie vor in »Maya-Besitz« gibt. Das Misstrauen gegenüber ausländischen Forschern ist nach wie vor sehr groß. Und so muss angenommen werden, dass so mancher Text womöglich niemals der modernen Wissenschaft zugänglich gemacht wird. Einst gab es ein Ritual zur Verherrlichung der vier Ecken der Welt. Wie es im Original ausgesehen hat, wir wissen es nicht. In der verchristianisierten Chilam-Balam-Überlieferung wird der Erste der Maya-Völker des Südens als Erster aus der Noah-Familie bezeichnet. In der mystischen Maya-Mythologie haben heilige Bienen eine große Rolle gespielt. Vermutlich geht dieser weithin vergessene Kult auf Vor-Mayazeiten zurück, als primär Göttinnen verehrt wurden. Die Bienenkönigin bringt alle Bienen hervor, aus ihren Eiern schlüpfen alle Nachkommen. Sie ist – wie die Urgöttin alles Lebenden – die Mutter ihres Volkes.

Astronomen oder Priester ...
Fotos: W-J.Langbein
»Die Worte der Göttinnen und Götter sind unverständlich geworden ... oder die Göttinnen und Götter sind verstummt ...« erfuhr ich mehrfach von Maya-Nachkommen bei meinen Recherchen zum Fortbestehen alten Maya-Glaubens in unseren Tagen. Ich bin davon überzeugt, dass im »Untergrund« Zentralamerikas noch sehr viel mehr Maya-Kultur erhalten wird ... als uns, den Nachkommen der Zerstörer des Maya-Reiches bekannt ist.

So sehr ich die schweißtreibende Arbeit der Archäologen bewundere ... so skeptisch bin ich, wenn es um vermeintlich sichere wissenschaftliche Erkenntnisse in Sachen Mayas geht. So imposant die oft erschöpfende Arbeit der Wissenschaftler ist, so skeptisch bin ich, wenn es um vermeintlich unumstößliche »Wahrheiten« geht. Diese »Wahrheiten« haben oft nur eine kurze Halbwertszeit! Fakt ist, dass häufig heutiges »sicheres Wissen« morgen schon über den Haufen geworfen wird.

Alfred P. Maudslay entdeckte anno 1886 in Copán eine wuchtige, massive Steinplatte. Insgesamt sechzehn Gestalten, im Schneidersitz hockend, sieht man abgebildet. Auf jeder Seite des mächtigen Steins wurden vier Personen in den Stein graviert.
Fast bei jedem meiner Besuche hörte ich eine neue, nun endgültige Erklärung: »Wir sehen hier sechzehn Priesterastronomen bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit! Sie rechnen, werten die astronomischen Daten aus, die ihre Kollegen im Laufe von Jahrhunderten erarbeitet haben!« So wurde mir bei meinem ersten Besuch »Altar q« erklärt, wobei man bis heute nicht weiß, welchem Zweck der wuchtige Stein einst wirklich diente. Die Titulierung als »Altar« erfolgte rein willkürlich. Die Maße von »Altar q«, der wohl gar kein Altar war: Höhe 70 cm (ohne steinerne »Füße«), Seitenlänge 150 cm.

Könige oder Schreiber ...
Fotos: W-J.Langbein
Bei meinem zweiten Besuch erfuhr ich eine ganz andere, angeblich endgültige Interpretation. Copán war so etwas wie ein Knotenpunkt von Mayas, Olmeken und mehrerer weitestgehend unbekannter Völker der Pazifikküste. »Und so zeigt der Gedenkstein alias ›Altar q‹ ein politisches Ereignis von großer Bedeutung. Stammesfürsten und Häuptlinge haben sich in Copán getroffen, um machtpolitische Fragen zu erörtern. Die eingemeißelten Personen stellen Fürsten aus vier Himmelsrichtungen dar, die sich gleichberechtigt versammelt haben!«

So wurden also aus schreibenden Astronomen politische Führer, die die Geschicke ihrer Stämme bestimmen! Doch auch diese »wissenschaftliche« und mit Inbrunst vorgetragene Erklärung wurde längst ad acta gelegt. Heute weiß man, dass die sechzehn Gestalten so etwas wie ein Geschichtsbuch in Stein illustrieren, das man – so heißt es – heute endlich wie ein offenes Buch lesen könne. Abgebildet seien König Yax K'uk' Mo', der anno 426 nach Christus regierte und seine fünfzehn Nachfolger. König Nr.16 sei Yax Pac, der anno 776 n.Chr. das Zepter schwang. Welcher König auch herrschte, alle Regenten haben offenbar einem Jaguarkult gehuldigt. Vermutlich gab es wie in der Maya-Stadt Yaxchilán auch in Copán eigene Jaguar-Priester, die junge Adepten in die Geheimnisse ihrer Religion einweihten.

Yax Pac, so heißt es, hat das massive Monument seiner Macht schaffen lassen. In chronologischer Reihenfolge sieht man die sechzehn Könige nebeneinander sitzen ... und der erste König (Yax K'uk' Mo') händigt seinem 15. Nachfolger (Yax Pac) den Herrscherstab aus, der dreieinhalb Jahrhunderte später die Nummer 1 war. Mit anderen Worten: Der »Altar q« ist ein Stück Propaganda aus Stein, das Yax Pac als ebenbürtigen Nachfolger des legendären Yax K'uk' Mo' feiert.

Symbol eines sich ewig
wiederholenden Zyklus
Foto: W-J.Langbein
Das ist der aktuelle Wissensstand. Wie lange mag es dauern, bis wieder eine vollkommen neue Erklärung als die unumstößlich letzt-gültige angepriesen wird? Jeder der sechzehn Herrscher sitzt auf seiner Namensglyphe, an der Identität der dargestellten Personen kann es also keinen Zweifel mehr geben. Was aber stellt der geschlossene Kreis von sechzehn Herrschern dar? Ich bin davon überzeugt, dass man ihn symbolisch sehen und verstehen muss. Der sechzehnte Herrscher Yax Pac erhält vom ersten Herrscher Yax K'uk' Mo' das »Zepter« der Macht. Mit anderen Worten: Die sechzehn Herrscher stellen einen ewigen Zyklus dar. Vom ersten bis zum letzten der sechzehn Regenten wird das Zeichen der Macht wie in einem Staffellauf weitergegeben. Und der letzte händigt schließlich das Symbol des Königtums wieder an den ersten König.

Genauso symbolisch ist der 21.12.2012 zu verstehen. Es mag durchaus sein, dass am 21.12.2012 ein langer Zyklus von 5125 Jahren endete. Aber dann begann am 22.12.2012 der nächste »long count« von wiederum 5125 Jahren! Nirgendwo im Maya-Kalender ist der 21.12.2012 als Termin des »Weltuntergangs« vorgesehen! Die Welt ging am 21.12.2012 nicht unter ... und die Mayas haben sich nicht geirrt!

»Der begrabene Tempel«,
Teil 154 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 30.12.2012


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Freitag, 21. Dezember 2012

200 Jahre Grimms Märchen – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Im Jahre 1812 erschien die erste Ausgabe der »Kinder- und Hausmärchen«, aufgeschrieben von Jacob und Wilhelm Grimm. Was ursprünglich Clemens Brentano und Achim von Arnim als Anregung für die Volksliedsammlung »Des Knaben Wunderhorn« dienen sollte, gewann bald ein Eigenleben: Bis heute sind »Grimms Märchen« die bedeutendste literarische Sammlung volkstümlicher Überlieferung im deutschen Sprachraum. Generationen von Eltern haben ihren Kindern daraus vorgelesen. Die berühmtesten Märchen der Gebrüder Grimm, wie Hänsel und Gretel, Schneewittchen oder Dornröschen, sind ohne Frage zum kulturellen Allgemeingut geworden. Den Gebrüdern Grimm ist damit das Kunststück gelungen, die Symbolsprache des kollektiven Unterbewusstseins in eine allgemein verständliche Form zu fassen und für künftige Generationen aufzubewahren.

Dass es in manchen Märchen durchaus heftig zugeht, ist ein Vorwurf, der gerade in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger zu hören ist. Manch ängstliches Gemüt fragt sich, ob Kinder in der Lage seien, die geschilderten Grausamkeiten zu verkraften. Nicht wenige Eltern verzichten deshalb zugunsten weichgespülter Versionen auf das Vorlesen der Originalfassung. Auch Bundesfamilienministerin Schröder erklärte laut faz.net, dass sie ihrer Tochter Grimms Märchen nur »dosiert« vorlesen werde, da sie »oft sexistisch« seien und nur wenige positive Frauenbilder darin vorkämen. So ist zu vermuten, dass auch im Hause Schröder wohl eine weichgespülte Variante von Grimms Märchen Einzug halten wird.

Vielleicht wäre es tatsächlich Zeit für ein politisch korrektes Märchenbuch auf Grundlage der Gebrüder Grimm, das noch dazu der allgemeinen Unfähigkeit zum Verstehen umfangreicher Nebensatzkonstruktionen Rechnung trägt. In etwa so:

Johannes und Margarete

»Es war einmal eine arme Familie. Der Vater war aufgrund des Stellenabbaus im holzverarbeitenden Gewerbe schon lange arbeitslos. Bald nach seiner Entlassung hatte sich die Mutter von ihm getrennt. Nach erfolgreichem Heroinentzug absolviert sie inzwischen eine Fortbildung zur Streetworkerin. Den Kontakt zu ihrer Familie hat sie abgebrochen.

Der Vater war im Windelwechseln nicht eben geübt. Deshalb hatte er bald nach der Scheidung neu geheiratet. So waren Johannes und Margarete tagsüber versorgt und Papa konnte in Ruhe seiner Vorliebe für Computerspiele nachgehen. Natürlich ärgerte sich seine neue Frau darüber, dass sie alles alleine machen musste. Das Schreiben der Rentenversicherung hatte ihr die Augen geöffnet: Sie musste nun an ihr eigenes Fortkommen denken und fleißig bei einem 1-€-Job Anwartschaften sammeln. Deshalb setzte sie die Kinder eines Nachmittags am anderen Ende des Stadtparks aus und machte sich aus dem Staub.

Natürlich trafen die Kinder (6 und 8) jede Menge seltsames Volk im Stadtpark. Und so waren sie froh, als eine alte Frau sie mit nach Hause nahm, um sie dort mit Lebkuchen zu füttern. Dass die alte Dame psychisch krank war, merkten Johannes und Margarete erst, als es fast zu spät war. »Ich hab euch zum Fressen gern!«, hatte die Seniorin gemurmelt und Hans und Margarete in ihren Kleiderschank eingesperrt. Doch zum Glück hatte Margarete das Schloss leicht aufbekommen. Das verdankte sie dem Selbstbehauptungstraining für Mädchen, welches sie auf Anraten des Jugendamtes einmal wöchentlich absolvierte. Deshalb schafften die Kinder es gerade noch, aus der Wohnung zu entkommen.

Nun kümmert sich der sozialpsychologische Dienst in enger Verzahnung mit dem Beratungslehrer der Förderschule um Johannes und Margarete. Und auch die alte Dame bekommt endlich im Pflegeheim die Betreuung, die sie braucht. Sicher wird eine umfassende Therapie allen Dreien helfen, wieder in die Spur zu kommen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann stehen sie heute beim Amt an ...«

Wer auf lächerliche Modernisierung, unnötige Infantilisierung und sprachliche Vereinfachung verzichten möchte und lieber dem Original den Vorzug gibt, dem sei die dreibändige Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen empfohlen, die Herausgeber Heinz Rölleke durch Originalanmerkungen der Gebrüder Grimm ergänzt hat.




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Sonntag, 16. Dezember 2012

152 »Von Affen und von Drachen«

Teil 152 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Ein Brüllaffe in Palenque
Komisch, diese Touristen...
Foto: W-J.Langbein
Die letzte Touristengruppe strebt hastigen Schritts dem Ausgang zu. »Und wann besichtigen wir endlich Palenque?« nörgelt jemand mit näselnder Stimme. Genervt antwortet der Guide: »Wir sind hier in Palenque ...« Nach kurzer Pause ist wieder der unzufriedene Reisende zu hören: »Aha. Und morgen fliegen wir dann endlich nach Mexiko?« Der gestresste Guide antwortet: »Nein. Wir sind seit einer Woche in Mexiko. Morgen fliegen wir nach Guatemala!«

Der Nörgler beschwert sich über das Reiseprogramm: »Und warum steht Lima nicht auf dem Programm, wenn wir dann schon mal in Guatemala sind?« Die Antwort des Guide höre ich kaum noch: »Weil Lima in Peru und nicht in Guatemala liegt. Peru gehört zu Südamerika, wir aber ...«

Es wird rasch dunkel in Palenque. Die Dämmerung bricht herein, die Touristen fahren ab. Und plötzlich melden sich die Brüllaffen zu Wort. Es kommt mir so vor, als würden sie miteinander kommunizieren. »Hier sind keine mehr von diesen kranken Nacktaffen!« - »Endlich! Es sind bemitleidenswerte Kreaturen!« - »Ja, schon! Aber hoffentlich ist ihr Fellausfall nicht ansteckend!« Ob wir einige dieser Vertreter der Familie alouatta caraya zu sehen bekommen?

Leise gehen wir in den rasch dichter werdenden Wald unweit des Tempels der Inschriften. Etwas raschelt über uns. Ein Männchen, erkennbar an der schwärzlichen Färbung, schwingt sich von Ast zu Ast. Sein kräftiger Schwanz dient als zusätzliches Greiforgan. Kaum dass der Bursche – etwa einen halben Meter groß – bemerkt, dass wir ihn beobachten, verharrt er in seiner Bewegung. Aus der Ferne machen sich einige seiner Artgenossen bemerkbar. »Unser« Affe beobachtet uns nur, dann klettert er gemächlich seinen Baum empor, bis er im Dunkel der Krone nicht mehr auszumachen ist.

Der Brüllaffe zieht sich zurück
Foto: Ingeborg Diekmann
Brüllaffen halten sich meist in Bäumen auf, wo sie in kleinen Gruppen von meist zehn bis zwanzig Tieren leben. Gelegentlich wagen sie sich bei der Nahrungssuche auf den Boden. Ihre »Kollegen«, die Nasenbären, leben am Rand von Wüsten ebenso wie im Urwald. Auch wenn sie mit sprichwörtlicher affenartiger Geschwindigkeit Bäume erklimmen können, so gehören sie doch zur Gattung der procyonidae, der Kleinbären.

Man trifft sie in Scharen in den Ruinen von Tikal, Honduras, an ... wo sie sich an uns Touristen gewöhnt haben. So possierlich die kleinen Tierchen auch sind ... Vorsicht ist vor ihren scharfen Klauen geboten. Irgendwann haben Nasenbären in Tikal erkannt, dass diese seltsamen Menschen nicht nur steinerne Ruinen bestaunen, sondern auch ein Herz für Nasenbären haben. Wenn wir Menschen unserer Meinung nach genug zwischen Ruinen herumgewandert sind und alle erreichbaren Pyramiden erklommen haben ... dann wird Rast gemacht. Mensch setzt sich dann in den Schatten eines Baumes und verzehrt mitgebrachte Lunchpakete. Örtliche Kleinstunternehmer bieten koffeinhaltige Brause an, die von uns Besuchern aus der Fremde gern erworben und getrunken wird.

Ich rieche Cola ...
Foto: W-J.Langbein
Vor Jahren nun, so wird erzählt, saß ein Amerikaner bei Sandwich und Cola, als sich ihm ein Nasenbär näherte. Der Amerikaner soll aufgesprungen und in Panik ausgerissen sein. Dabei, so heißt es, sei seine Cola-Flasche umgefallen und ausgelaufen. Der ob seiner Wirkung auf den ängstlichen Mann aus den Staaten nicht sonderlich beeindruckte Nasenbär schnüffelte seine Beute ab ... das Sandwich und das auslaufende Cola. Genüsslich schlabberte das possierliche Tierchen die braune Flüssigkeit. Das wiederum beobachteten weitere Nasenbären ... und schon soll es zu einem Streit um das verschüttete Cola gekommen sein.

Das wiederum soll den Amerikaner geradezu gerührt haben. Wie schön, dass diese kleinen Tierchen das amerikanische Nationalgetränk so zu schätzen wussten. Vorsichtig näherte er sich wieder seinem Rastplatz, holte aus seinem Rucksack mehrere Colaflaschen heraus und spendierte das süße Getränk der immer größer werdenden Nasenbärenhorde.

Ob diese Überlieferung der Wahrheit entspricht, das weiß ich nicht. Ich konnte mich aber davon überzeugen, dass die Nasenbären in den Ruinen von Tikal geradezu süchtig sind auf Cola. Die Kleinstunternehmer vor Ort können gar nicht schnell genug Cola heranschaffen, so wie es ihnen von den Besuchern förmlich aus den Händen gerissen wird.

Her mit dem Cola!
Foto: W-J.Langbein
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass bei meinem Besuch die Nasenbären von Tikal ausschließlich Pepsi angeboten bekamen ... und genüsslich konsumierten. Einen Vergleichstest mit Coca Cola konnte ich leider nicht durchführen.

Und wir Besucher freuen uns riesig darüber, wie sich die Nasenbären in großer Zahl nähern und genüsslich besagtes Getränk gleich aus der dargereichten Flasche trinken. Auf diese Weise fördern sie ganz erheblich den Umsatz der örtlichen Kleinstunternehmer.

Ich habe es selbst erlebt: Wasser, Fruchtsaft und Brause wurde von den Nasenbären empört abgelehnt, Cola aber begierig getrunken. Es kam gelegentlich zu Zweikämpfen, wenn nicht rasch genug Flaschen geöffnet wurden. Unser Guide erklärte uns, es sei das Coca in der Cola, was die Nasenbären so verrückt nach der braunen Brause machen würde.

Na endlich!
Foto: Ingeborg Diekmann
Von Brüllaffen über Nasenbären ... zu leibhaftigen Drachen! Von Mexiko über Guatemala nach Copan (Honduras). In den faszinierenden Ruinen von Copan fielen mir zwischen kunstvollen Stelen in Stein gehauene ... Drachen auf! Diese kuriosen Darstellungen werden meist von Besuchern übersehen, die nach Pyramiden Ausschau halten. Und doch gibt es sie, die kleinen Skulpturen dieser uns Europäern nur noch aus Märchen bekannten Wesen. Glotzäugig starren sie offenbar ihre Beute an, die sie wohl gleich mit brachialer Gewalt zerreißen und dann gierig verschlingen wollen.

Wer oder was aber stand der Maya-Künstlern Modell ... Drachen etwa? Das scheint mir unwahrscheinlich zu sein! Welches Drachenmonster harrt denn schon geduldig aus, bis es von einem Künstler als Zeichnung oder gar als Skulptur verewigt worden ist? Vor allem: Welcher Künstler begibt sich freiwillig in die Gefahr, bei Ausübung seines Berufs einem Monster zum Opfer zu fallen?

Drachen aus Stein - Fotos: W-J.Langbein
Des Rätsels Lösung ... Die Drachen hat es wirklich gegeben! Sie wurden von Maya-Künstlern tatsächlich porträtiert. Es waren aber keine Kreaturen von Riesendinosaurierwuchs, sondern wesentlich kleinere Tiere! Ich bin davon überzeugt, dass es sich bei den »Drachen« um Leguane handelte. Der Leguan spielt in der Mythologie der Mayas eine wesentliche Rolle!

Der Kosmos der Mayas hatte drei Ebenen: Die unterste Ebene war die Unterwelt, bestehend aus neun »Etagen«. Hier soll es einst zu einem wahrhaft höllischen Ballspiel gekommen sein. Das Wurzelwerk des Ceiba-Baums steht für dieses unterirdische Reich. Die mittlere Welt wird von uns Menschen und den Tieren und Pflanzen bevölkert. Der mächtige Stamm des Ceiba-Baumes wird in der Maya-Kosmologie mit unserem Lebensraum verglichen.

Der Himmel schließlich, der von den mächtigen Ästen des Ceiba-Baumes getragen wird, ist viel mehr als nur der hohe Luftraum über unseren Köpfen. Dort hausen und herrschen Götter wie Kukulcán alias Quetzalcoatl, Herr der Winde, aber auch der Medizin. Für die Medizin war auch Mondgöttin Ix-Chel zuständig, eine alte Fruchtbarkeitsgöttin. Zugleich war sie die himmlische Repräsentantin der Webkunst.

Ein grüner Leguan in Copan
Foto: W-J.Langbein
Auch Chac war im Himmel angesiedelt. Auch er war ein Gott der Fruchtbarkeit, spendete dem Land den lebenswichtigen Regen. Er schleuderte aber – wie Thor – Blitze vom Firmament.

Itzamná, männlicher Partner der Mondgöttin Ix-Chel, muss von den Mayas als ein besonders hoch stehender Gott angesehen worden sein. Itzamná trug auch den Namen »Leguan-Haus«. Verwundert es da, wenn die Mayas in Copan Leguane in Stein verewigten?

Anmerkung des Verfassers: Anlässlich des für den 21. Dezember 2012 prophezeiten Weltuntergangs wird sich Folge 153 mit dieser Thematik auseinandersetzen – am 23.12. 2012. Sollte die Welt allerdings tatsächlich bereits am 21. Dezember 2012 untergehen, wird Teil 153 meiner Serie nicht mehr erscheinen. Ich bitte um Verständnis! Für den Fall der Apokalypse verabschiede ich mich dann bei allen Leserinnen und Lesern. Sollte – wie so oft geschehen – der Weltuntergang wieder ausbleiben ... dann wird meine Serie am 23.12.2012 fortgesetzt!

»21.12.2012«,
Teil 153 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 23.12.2012


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Freitag, 14. Dezember 2012

Medizindiktatur – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Regelmäßige Leser dieser Kolumne werden sich vielleicht wundern: Zum fünften Mal in Folge dreht sie sich heute um den Fall Gustl Mollath. Wer die aktuellen Ereignisse rund um den seit sieben Jahren gegen seinen Willen in der Forensik festgehaltenen Nürnberger Bürger aufmerksam verfolgt, erkennt schnell, dass der Ausgang dieser Causa eine weit über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung besitzt. Die Frage, ob Gustl Mollath am Ende frei sein, oder aber weiterhin auf unbestimmte Zeit ohne nachvollziehbare Gründe festgehalten werden wird, rüttelt an den Grundfesten unserer Demokratie. Gelingt es den Reichen und Mächtigen, die Empörung der Öffentlichkeit auszusitzen und alle Beobachter mit juristischen oder publizistischen Taschenspielertricks so lange hinzuhalten, bis sie das Interesse verlieren, dann steht der direkte Weg in die Medizindiktatur offen.

Klingt übertrieben, meinen Sie? – Wir werden sehen. Fakt ist: Gustl Mollath sitzt seit nahezu sieben Jahren in der Forensik, seiner angeblichen »Gefährlichkeit« wegen. Grundlage für seine Einweisung war nicht etwa, wie immer behauptet, das Urteil eines unabhängigen Gerichts: Grundlage war, wie so oft, ein für Mollath negatives psychiatrisches Gutachten, das vom Gericht abgenickt wurde. Wo bleibt die Unabhängigkeit des Gerichts, wenn das eigentliche Urteil von Ärzten gefällt wird?

Der Gutachter, seines Zeichens Chefarzt der Forensik am Bezirkskrankenhaus Bayreuth, bescheinigte Mollath in einem nach Aktenlage erstellten Gutachten:

»Aus dieser Betrachtung resultiert als Ergebnis, dass der Angeklagte in mehreren Bereichen ein paranoides Gedankensystem entwickelt hat. Hier ist (...) der Bereich der Schwarzgeldverschiebung zu nennen,* in dem der Angeklagte unkorrigierbar der Überzeugung ist, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und (...) weitere Personen, (...) in dieses komplexe System der Schwarzgeldverschiebung *verwickelt wären.«

Dumm nur, dass ein interner Revisionsbericht der HVB-Bank, bei welcher die ehemalige Frau Mollath als Anlageberaterin tätig gewesen war, Mollaths Anzeige in allen nachprüfbaren Teilen bestätigte und dem angeblichen Wahn dadurch Wirklichkeit bescheinigt. Dass der Gutachter diesen Bericht zur Zeit der Erstellung seiner Beurteilung nicht kannte, hat keine Bedeutung: Wenn die Psychiatrie ein geeignetes wissenschaftliches Medium zur Schaffung gerichtsfester Beweise wäre, dann hätte ihm dieser Fehler nicht unterlaufen dürfen!

Mollaths Unterbringung wird seitdem jährlich gerichtlich überprüft. Doch was heißt das konkret? Es bedeutet: Weitere Gutachter bestätigen die grundsätzliche Richtigkeit des Erstgutachtens, weitere der Gutachtergläubigkeit verfallenen »unabhängigen« Gerichte schicken Mollath jeweils für ein weiteres Jahr in die Forensik. Wer im Fall Mollath von »Verschwörungstheorien« spricht, hat das System grundsätzlich nicht verstanden, denn es ist nichts als ein furchtbarer Automatismus des Sich-gegenseitig-nicht-weh-tuns, den zu durchbrechen Mollath bis heute nicht gelungen ist.

Bis heute wird Mollath von den Medizinern seine mangelnde »Krankheitseinsicht« angekreidet. Er zeige recht wenig Mitwirkungsbereitschaft bei seiner Begutachtung und verweigere jede Therapie, weshalb der »therapeutische Zweck der Unterbringung noch nicht erfüllt sei.«

Eine empfehlenswerte Lektüre in diesem Zusammenhang sind die Erfahrungsberichte anderer Patienten, die online verfügbar sind. So schreibt ein Nutzer namens assi71 am 25.5.2010 auf klinikbewertungen.de

» [...]im 63 er ist mann diesem pack von sadisten ausgesetzt bis zum tod im schlimmsten fall und die sorgen dafür das mann richtig alt wird.« (Kommentar bezieht sich auf eine Unterbringung in der Forensik nach § 63 StGB.)

Passt irgendwie zusammen mit der Aussage von Gustl Mollath, der im Interview mit dem BR von allnächtlich dreimaligen Zellenkontrollen durch Ausleuchten erzählt, die sehr belastend für ihn seien. Auch die aktuelle Diskussion darüber, eine Zwangsmedikation psychisch Kranker, die unter Betreuung stehen, gesetzlich zu ermöglichen, bahnt der diktatorischen Medizin ein Stück weiter den Weg. Wohin wird diese Entwicklung führen, wenn wir eine derartige Grauzone zwischen Justiz und Medizin zulassen?

Fakt ist: Sowohl Schlafentzug als auch Zwangsmedikation stehen auf der Liste der anerkannten Foltermethoden. Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, die all das unter dem Deckmantel der Medizin möglich macht?

Infos zum Fall Mollath: 


Montag, 10. Dezember 2012

Buchtipp Portugal - »Kann denn Fado fade sein?« von Christina Zacker

Kann denn Fado
fade sein?
amazon
Buchvorstellung von Ursula Prem

Auswandern ist nichts für Feiglinge! Das macht Christina Zacker jedem Leser ihres Buches »Kann denn Fado fade sein?« unmissverständlich klar. In locker-flockiger Sprache erzählt sie davon, wie sie als bereits etablierte Journalistin und Buchautorin ihre Zelte in Deutschland abbricht, um das Abenteuer zu wagen: die Auswanderung nach Portugal.

Was in der Theorie traumhaft klingt, erweist sich in der Praxis durchaus als steiniger, mit Hindernissen gepflasterter Weg. Ob Wohnungssuche, Bürokratie oder auch nur die Bestellung eines Internetanschlusses: All das ist in Portugal zwar nicht unbedingt umständlicher als in Deutschland, funktioniert jedoch ganz anders, wie Christina Zacker bald herausfindet.


Bayerischer Optimismus meets saudade

Dass die Verfasserin Optimismus und typisch bayerische Lebensfreude mitbringt, hilft ihr in mancher Situation, an der weniger stabile Gemüter wohl verzweifeln würden. Christina Zacker, das wird schnell klar, liebt Portugal und seine Lebensart. Obwohl das Buch sehr viel über die typischen Anfangsschwierigkeiten von Einwanderern berichtet, verfällt die Autorin nie ins Jammern. Sehr positiv fällt auf: Der erhobene Zeigefinger, mit dem manche Autoren von Auswandererbüchern den Bewohnern ihres Gastlandes angebliche »Fehler« ankreiden, fehlt bei Christina Zacker vollständig. Ohne Vorbehalt lässt sie sich auf die portugiesische Kultur ein, deren Funktionieren sie nicht nur oberflächlich verstanden, sondern sich inzwischen zueigen gemacht hat.

Im Laufe der Lektüre zeigt sich schnell, dass daran auch die kulinarischen Genüsse der portugiesischen Küche nicht ganz unschuldig sind, deren Beschreibungen in »Kann denn Fado fade sein?« breiten Raum einnehmen. Christina Zacker, daran besteht kein Zweifel, kennt inzwischen die saudade, den typischen Weltschmerz, den ein Portugiese empfindet, wenn er sich nicht in seinem Heimatland aufhält. Dass sie auch immer mal wieder gerne nach Bayern reist, macht sie zu einer Wanderin zwischen den Welten, deren saudade in beide Richtungen nie ganz zu enden scheint.


Die portugiesische Seele verstehen

»Kann denn Fado fade sein?« ist ein sehr empfehlenswertes Buch für alle, die den Spirit Portugals erfassen möchten. Ob Auswanderer oder interessierter Tourist: Was Christina Zacker über Portugal und die Mentalität seiner Menschen zu berichten hat, bereichert nicht nur das Wissen über Land und Leute, sondern ermöglicht dem Leser, sich wirklich mit der portugiesischen Seele vertraut zu machen. Entsprechend empfängliche Leser werden nach der Lektüre das Gefühl der saudade verstehen und auch die landestypische Fado-Musik mit ganz anderen Ohren hören.






Sonntag, 9. Dezember 2012

151 »Von Pyramiden und heiligen Bäumen«

Teil 151 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Schöpfung nach der Koberger
Bibel von 1483
Foto: Archiv W-J.Langbein
»Hüten Sie sich vor dem heidnischen Aberglauben!« rief mir der Professor noch nach, als ich am Bahnhof in Nürnberg zum Anschlusszug nach Hannover wechselte. Bei einem Zwischenaufenthalt war ich mit dem Kirchengeschichtler ins Gespräch gekommen, hatte ihm von meiner geplanten Reise nach Tikal erzählt. »Müssen Sie denn unbedingt die teuflischen Tempel dieser primitiven Inkas aufsuchen?« Mein Hinweis, dass es in Zentralamerika keine Inkas, wohl aber Mayas gab, beeindruckte ihn nicht. »Das sind alles primitive Heiden ... Mayas wie Inkas! Beschäftigen Sie sich lieber mit unserem Luther und nicht mit den unsinnigen Lehren der Inkas ...« Ich verwies auf meinen gleich abfahrenden ICE und hastete davon. »Hüten Sie sich vor dem Aberglauben!« rief er mir laut nach. »Gott schuf Himmel und Erde ... die Inkagötter sind teuflische Götzen! Besinnen Sie sich der Schöpfung und seien Sie Ihrem Herrgott dankbar!«
Die Bibel ist zwar das meist gedruckte Buch überhaupt, zugleich aber auch eines der kaum wirklich gelesenen Werke. Selbst der Schöpfungsbericht ist nicht wirklich bekannt ... dabei steht er doch ganz am Anfang des ersten Kapitels des ersten Buch Mose. Wer hat ihn wirklich bewusst gelesen, Vers für Vers? So weiß kaum jemand, dass der biblische Schöpfungsbericht voller Widersprüche steckt. Er ist unlogisch aufgebaut! (1)

Einer der heiligen
Ceiba-Bäume
von Tikal
Foto: W-J.Langbein
So heißt es zunächst, die Erde sei wüst und leer gewesen. Dann aber müssen erst die Wasserfluten beseitigt werden, damit die Erde zum Vorschein kommen kann. Gott lässt eine »Feste« entstehen und sorgt dafür, dass das Wasser zurückweicht und die Erde zum Vorschein kommt. Geschieht dies in Finsternis? Nein! Am ersten Tag befielt Gott (2) »Es werde Licht!« So geschieht es auch. Und Gott ist zufrieden mit seinem Werk (3): »Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.« Tag und Nacht kann es am ersten Tag der Schöpfung noch gar nicht gegeben haben, schuf Gott doch nach dem Bibeltext die Sonne erst am vierten Tag!

In Tikal musste ich wieder an die Begegnung mit dem Professor in Nürnberg denken. Während ich Tempelruinen und Pyramiden bestaunte, erklärte ein Archäologiestudent die religiöse Welt von Tikal. »Kennt jemand die biblische Vorstellung von der Schöpfung?« fragt er plötzlich. »Wie sieht das biblische Bild von Erde und Himmel aus?« Ich melde mich. »Nach der Genesis muss man sich, salopp ausgedrückt, die Erde als eine Scheibe vorstellen. Auf dieser Unterlage sitzt so etwas wie eine Käseglocke. Die Bibel nennt sie Feste.« Der Student nickt. »Welchen Zweck erfüllt diese Glocke?« Wieder antworte ich: »Offenbar erfolgte diese Schöpfung unter Wasser. Die Bibel sagt: ›Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, und die sei ein Unterschied zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also.‹ Unter der Glocke leben wir Menschen auf einer Scheibe ... an der Unterseite der Feste kleben Sonne, Mond und Sterne als Lampen. Und über der Feste befindet sich das himmlische Wasser.«

Der kosmische Baum
der Mayas
Foto: W-J.Langbein
Das Weltbild der Mayas in Guatemala war nicht primitiver als das biblische: Im Zentrum der Welt steht der heilige Ceiba als Weltenbaum. Sein tief ins Erdreich vordringende Wurzelwerk steht für die Unterwelt. Der Stamm stellt die Welt von uns Lebenden dar. Hoch oben tragen die Äste das Himmelszelt. Um den Ceiba dreht sich die Welt. Und der Ceiba verhindert die kosmische Apokalypse. Dank des Ceiba-Baums stürzt der Himmel nicht auf die Erde. So hofft der Maya, dass der Ceiba-Baum nicht zu Fall kommt ... und der Himmel oben bleibt. Und der Anhänger des biblischen Weltbildes muss hoffen, dass die Luken in der Himmelskuppel nicht aufklappen ... denn sonst kommt wieder eine Sintflut über die Welt.

Fazit: Beide Weltbilder haben mit der Realität nichts zu tun. Vor allem haben wir nicht das Recht, verächtlich auf die religiöse Welt der Mayas herabzublicken ...

Bis zu fünfzig Meter hoch wird der Ceiba-Baum. Wie eine mächtige Säule wirkt der mächtige Stamm ... er kann mehrere Meter dick werden. Weit ausladend ist die Krone, die Schatten spendet. Scharfe Stacheln wachsen aus dem Stamm, schützen so die großen birnenförmigen Früchte. Wenn ein Baum das Himmelsgewölbe zu tragen scheint, dann ist das der imposante Ceiba-Baum, der bei den Mayas heilig war.

Baum und Pyramide
Foto: W-J.Langbein
In Tikal, der ältesten Maya-Stadt kann man heute besonders imposante Exemplare bewundern. Tikal ist eine Ruinenstadt der Superlative! Auf einem Areal von sechzehn Quadratkilometern sind heute rund viertausend Gebäude und Ruinenreste aus Mayazeiten bekannt! Wann sie entstanden sein mögen? 400 bis 800 nach Christus soll die Urwaldstadt ihre Glanzzeit gehabt haben. Die ersten Siedlungsspuren aber sind sehr viel älter. Sie stammen aus dem frühen ersten vorchristlichen Jahrhundert!

In Tikal gab es eine echte Kultur – mit religiösen Ballspielzeremonien und Schwitzbädern. 200.000 sollen hier gelebt und den himmlischen Göttern gehuldigt haben. Sinn und Zweck der meisten Gebäude sind unbekannt. Düster wirkt das Innere von schmucklosen Räumen. Dienten sie einst als Speicher? Wurden in ihnen Vorräte für die Priesterschaft aufbewahrt? Bereiteten sich in diesen manchmal zellenartigen Gemächern Priester auf die Zeremonien für die Götter vor? Oder waren sie triste Arbeitsstätten für Verwaltungsbeamte, die Statistiken über Geburten und Todesfälle führten? Wir wissen es nicht.

Die Wissenschaft spekuliert ... wie so oft. Und selbstbewusst werden Vermutungen als definitive Wahrheiten ausgegeben.

Pyramiden wie
Ceiba-Bäume
Fotos: W-J.Langbein
Der zentrale Hauptplatz von Tikal muss zur Glanzzeit der Urwaldstadt wirklich sehr beeindruckend gewesen sein. Rund dreitausend Bauwerke gruppierten sich um den Mittelpunkt der Stadt. Im Westen und Osten des Platzes ragten sechs steinerne Pyramiden in den Himmel ... bis zu siebzig Meter hoch. Tikal war schon immer eine Urwaldstadt. Vor einem Jahrtausend war der grüne Moloch Urwald sehr viel dichter, die steilen Pyramiden-Türme überragten selbst die größten Ceiba-Bäume. Und hoch oben auf den Pyramiden thronten Tempel. So ähnelten die Tikal-Türme sehr dem legendären Turm zu Babel.

Wenn man durch Tikal schlendert, dann fällt die große Harmonie auf: zwischen den mächtigen Ceiba-Bäumen und den sehr steilen Pyramiden-Türmen. Es sieht nicht nur so aus, als seien die Pyramiden nach dem Vorbild der Bäume errichtet worden. In der Maya-Mythologie gab es zum Anbeginn nur Wasser und Himmel. Der Ceibabaum verhinderte, dass der Himmel auf die Fluten stürzt. Ceiba-Baum wie steile Stufenpyramiden stellen den Maya-Kosmos dar. Der Platz vor der Pyramide versinnbildlicht das Urmeer. Die Pyramide entspricht dem heiligen Ceiba-Baum.

Ein Tempel auf der Pyramidenspitze
Der Priester, der die steilen Stufen der Pyramide erklimmt ... nähert sich als Vertreter seines Volkes dem Himmel. Wurden im Tempel an der Pyramidenspitze Riten wie im Babylon der Bibel vollzogen? Wurde die »Heilige Hochzeit« vollzogen, dort, wo sich Erde und Himmel begegnen? Schade, dass keine Codices erhalten sind, die wir wie ein Buch lesen könnten, um die Wahrheit über Tikal zu erfahren ...
Monate nach der Rückkehr aus Zentralamerika begegnete mir wieder der Herr Professor. »Na, haben Sie meinem Rat folgend diese teuflischen Inka-Tempel gemieden?« Es fiel mir schwer, lautes Lachen zu unterdrücken. »Ich glaube fast auch, dass diese Pyramiden Teufelswerk sind!« meinte ich ernst. Freudestrahlend klopfte mir der Kirchenmann auf die Schulter. Ich blieb ernst. »Es kann doch nur Teufelswerk sein, wenn Inka-Tempel aus Peru und Bolivien nach Guatemala geschafft wurden!« Der Professor kniff die Augen zusammen: »Wie meinen Sie das?« Geduldig erklärte ich: »Tikal in Guatemala ist Maya-Land. Da dürfte es nur Maya-Pyramiden geben! Wenn es aber Inka-Bauwerke sind, wie der Herr Professor meinen ... Das kann doch nur der Teufel selbst gewesen sein!«

Fußnoten
1 Siehe hierzu Langbein, Walter-Jörg: »Lexikon der biblischen Irrtümer«, München 2006
2 1. Buch Mose Kapitel 1, Vers 3
3 1. Buch Mose Kapitel 1, Verse 4 und 5

»Von Affen und von Drachen«,
Teil 152 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 16.12.2012


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Freitag, 7. Dezember 2012

Gustl Mollath und der König von Bayern – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Folklore und Brauchtum sind etwas Schönes, wie man nicht nur in Bayern weiß. Traditionen wirken identitätsstiftend, weshalb ein gebürtiger Bayer wohlig durchatmet, wenn er in einer Kneipe irgendwo auf der Welt Zeuge einer »zünftigen« Schlägerei wird. »Jo mei! Dös is ja fast ois wia dahoam!«, wird er konstatieren und sich entspannt zurücklehnen.

Ähnlich mag es hartgesottenen Bayern im Falle Gustl Mollaths ergehen, der seit fast sieben Jahren gegen seinen Willen in der Forensik festgehalten wird. Ja, psychiatrische Gutachten nach Aktenlage mit anschließendem Wegsperren missliebiger Personen, das gibt es im südlichen Weißwurststaat schließlich schon seit weit mehr als hundert Jahren. So wurde »Märchenkönig« Ludwig II. von Bayern von vier damals noch »Irrenärzte« genannten Medizinern in Abwesenheit für »unheilbar seelengestört« erklärt, entmündigt und in Schloss Berg am Starnberger See unter »Betreuung« gestellt. Sein Aufruf an königstreue Untertanen lautete:

Ludwig II. von Bayern
»Der Prinz Luitpold beabsichtigt, sich ohne meinen Willen zum Regenten meines Landes zu erheben, und mein bisheriges Ministerium hat durch unwahre Angaben über meinen Gesundheitszustand mein geliebtes Volk getäuscht und bereitet hochverräterische Handlungen vor. [...] Ich fordere jeden treuen Bayern auf, sich um meine treuen Anhänger zu scharen und an der Vereitelung des geplanten Verrates an König und Vaterland mitzuhelfen.«
(11. Juni 1886, Bamberger Zeitung)


Umstrittene Diagnose auf Betreiben der Regierung von Bayern

Die Diagnose der Ärzte, die von der bayerischen Regierung beauftragt worden waren, gilt bis heute als äußerst umstritten. Anzunehmen ist, dass ihre Entscheidung »nach Aktenlage« von vorneherein feststand. Klar ist: Ludwig hatte sich als künstlerisch veranlagter Schöngeist mit nicht vorhandener Kriegsbegeisterung äußerst verdächtig gemacht. Einer, der viel Geld in die Förderung von Künstlern wie Richard Wagner oder in den Bau von Schlössern wie Neuschwanstein investierte, statt seine Armee auszurüsten, schien doch wirklich nicht ganz zurechnungsfähig zu sein.

Das Ende ist bekannt: Die Leichen von Ludwig und seinem betreuenden »Irrenarzt« Dr. Gudden wurden bereits am 13. Juni 1886 im Starnberger See gefunden, die näheren Umstände sind bis heute ungeklärt. Der König wurde nur 41 Jahre alt.


Verrückt oder genial?

Die Geschichte löst, so lange sie auch her ist, bis heute wohlig-gruselige Schauer in jedem Bayern aus, der etwas auf sich hält. Wohlig auch der Geldregen, den Ludwigs Schlösser bis heute in die Kassen unter dem weiß-blauen Himmel spülen. Ludwigs kühne Bauten haben sich nachträglich als wahrer Segen für die bayerische Tourismusindustrie erwiesen. Ebenso die Bayreuther Festspiele, die ohne seine großzügige Förderung nie zustande gekommen wären. Diese weitsichtigen Investitionen haben weitaus mehr zum Wohlstand des Landes beigetragen, als ein Kriegszug dies je gekonnt hätte. War Ludwig also verrückt? Oder doch eher genial?

Gustl Mollath
Auch Gustl Mollath hätte mit seiner Anzeige bezüglich umfassender Schwarzgeldverschiebungen zum Wohle Bayerns beigetragen, wenn sie denn je verfolgt worden wäre. Stattdessen entschloss man sich, der bayerischen Tradition zu folgen und Gustl Mollath verschwinden zu lassen. Was wollte der sich schließlich beschweren? Immerhin hatte man ihm das Schicksal eines Königs zugedacht! Was konnte ein einfacher Bürger mehr verlangen? Und so hat die weiß-blaue Welt wieder ihre Ordnung. Ein paar unwahre Angaben aus dem Ministerium und schon fühlt man sich so richtig daheim! Ach, Ludwig selig, was sagst dazua? Hund samma scho, gell?





Sonntag, 2. Dezember 2012

150 »Von Riesenköpfen und Monsterwesen«

Teil 150 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Einer der Olmekenschädel von
Laventa mit dem Verfasser
(links im Bild)
Foto: Archiv W-J.Langbein
Mannshoch ist der mächtige steinerne Schädel, den ein Farmer um 1850 bei Hueyapan entdeckte. Wer mochte den tonnenschweren Koloss geschaffen haben? Archäologen verirrten sich damals selten in das Städtchen am Popocatépetl im Nordosten des mexikanischen Staates Morelos. Erst anno 1869 publizierte José Maria Melgar y Serrano im Mitteilungsblatt der »Mexikanischen Geographischen und Statistischen Gesellschaft«. Melgar beging einen schlimmen Fauxpas. Er beschrieb das mächtige Haupt so wie es ist, aber eigentlich nicht sein darf. Heute befindet sich der Riesen-Kopf im »La Venta Park« von Villahermosa, Gemeinde Centro, Bundesstaat Tabasco. Wurde der umstrittene Fund tatsächlich in das Freilichtmuseum geschafft? Oder stammen alle Riesenköpfe des Freilichtmuseums aus dem Sumpfland von La Venta? Wie auch immer:

Der Hueyapan-Kopf hat ganz eindeutig negroide Züge: eine breite Base und wulstige Lippen. So konstatierte Melgar anno 1869, der steinerne Kopfe beweise, das in einer sehr frühen Epoche der Menschheitsgeschichte »Neger« in Mexiko gelebt haben müssten!

Monument Nr.1
Foto: Hajor
Der spektakuläre Fund wurde von wissenschaftlicher Seite mehr als stiefmütterlich behandelt! Nie und nimmer durfte er Zeugnis ablegen für Menschen mit negroiden Zügen, die sehr lange vor Columbus Zentralamerika besucht haben müssten! Diese Behauptung durfte nur falsch sein, also lohne es sich nicht, den Kopf in Augenschein zu nehmen. Erst 1906 stattete der deutsche Forscher Eduard Seler dem Stein des Anstoßes einen Besuch ab. Einen Niederschlag in der wissenschaftlichen Literatur hatte diese Visite nicht zur Folge. Erst 1932 wurde der unmögliche Fund »wissenschaftlich« beschrieben: von Albert Weyerstall.

Der »unmögliche« Riesenfund lässt sich einwandfrei zuordnen seine unzähligen riesengroßen »Brüder« und »Schwestern«, nämlich der Olmeken-Kultur. Die Olmeken betraten vor rund 3200 Jahren die Bühne der Geschichte Zentralamerikas. Um 400 vor Christus erlosch der Stern dieses rätselhaften Volkes. Wenn nun die Olmeken eine riesigen Kopf mit negroiden Zügen schufen, schätzungsweise 30 Tonnen schwer, müssen sie da keinen Kontakt mit Schwarzafrikanern gehabt haben? Und das muss lange vor Columbus gewesen sein! Solch frühe Kontakte über den Atlantik hinweg darf es nach noch gültiger Lehrmeinung aber nicht gegeben haben.

Was nicht sein kann, das darf auch nicht sein. Daran ändern auch nichts die zigtonnenschweren Olmekenköpfe, die man im Sumpfland von La Venta in Küstennähe gefunden hat: und sie alle haben negroide Züge ... wulstige Lippen und breite Nasen! Wenn es nur einen solchen Riesenschädel gäbe ... man könnte von einem Zufall sprechen. Das ist aber nicht der Fall! Es gibt eine Vielzahl solcher Kolossalköpfe, und alle haben diese negroiden Züge. Ein Musterexemplar findet sich im »Museo Nacional de Antropología e Historia«, Mexico. Man sieht heute diese tonnenschweren, wuchtigen Plastiken als typisch für die olmekische Kunst an!

Riesenhaupt im Museum
Foto Maunus
Vor Jahren nahm ich an einer spontanen Diskussion im »Museo Nacional de Antropología e Historia« teil. Es ging um die Frage der Olmekenschädel mit den wulstigen Lippen und der breiten Nase. Ich wurde als »Rassist« beschimpft, als ich zaghaft auf das äußere Erscheinungsbild der Kolossalköpfe hinwies. Ich würde mich beleidigend über die frühen Kulturen Mittelamerikas äußern, hieß es. Ich würde den frühen Völkern Mittelamerikas nicht zubilligen, dass sie ihre alten Hochkulturen Mittelamerikas selbst gegründet haben. Ich würde vielmehr behaupten, sie gingen auf Einwanderer aus einem fernen Kontinent zurück. Eine etwa 50-jährige Amerikanerin mit blau gefärbtem Haar und einem Monokel (tatsächlich!) keifte giftig: »Sie berauben die Völker ihrer ureigensten Historie!«

Was für ein Unsinn! Natürlich wurden die frühen Kulturen Mittelamerikas in Mittelamerika von dort Ansässigen gegründet! Natürlich waren es die ortsansässigen Olmeken, die die grandiosen Riesenskulpturen schufen! Aber wen stellten sie dar? Waren es afrikanische Seefahrer, die lange, lange vor Columbus Amerika entdeckten? Erkundeten afrikanische Pioniere Zentralamerika und wurden von einheimischen Künstlern in Stein verewigt? Erwiesen die Olmeken der fremden Seefahrern auf diese Weise ihren Respekt? Meiner Meinung nach ist es rassistisch zu behaupten, afrikanische Seefahrer seien nicht in der Lage gewesen, bis nach Zentralamerika zu gelangen!

Das parkartige Freilichtmuseum von Villahermosa gehört zu den schönsten der Welt. Man kann heute gemächlich und bequem von Ausstellungsstück zu Ausstellungsstück flanieren ... und mysteriöse Kunstwerke aus Stein aus uralten Zeiten bewundern. Man kann sich kaum vorstellen, welche Strapazen Archäologen auf sich genommen haben, um die Kolossalfiguren aus dem Schlamm von La Venta zu bergen. An den Originalschauplätzen von La Venta ist heute erschreckend wenig zu sehen. Wo sensationelle Ausgrabungen vorgenommen wurden ... hat man später mächtig betoniert ... für die Landebahnen des Flugplatzes. Andere Areale wurden bis heute nicht archäologisch untersucht. Unter Erdhügeln scheinen sich Pyramiden zu verbergen. Wann wird man zum Spaten greifen?

»Altar 4« erinnert den heutigen Besucher am ehesten an einen Schreibtisch, unter dem sich jemand versteckt. Bei näherem Betrachten erkennt man aber das Gesicht und den weit aufgerissenen Rachen eines »Monsters«.

Altar 4 - Foto: Ruben Charles
Häufig wird dieses »Monster« als Jaguar interpretiert. Im Mittelpunkt olmekischer Mythologien – vergleichbar mit den ältesten Texten des »Alten Testaments« – steht ein ganz besonderer Schöpfungsakt: Demnach paarte sich einst ein Jaguar mit einer Frau. So entstand ein Geschlecht von Monstern, vergleichbar mit den Werwölfen, nur dass diese Wesen eben Zwitter aus Mensch und Jaguar waren. Aus diesen Mischwesen sollen später die Regengötter hervorgegangen sein.

»Altar 4« zeigt offenbar einen Jaguar, der seinen mit scharfen Zähnen bewehrten Rachen öffnet. Darin sitzt ein menschliches Wesen. Es könnte sich dabei um einen Priester handeln, der so etwas wie einen Totenkopfschmuck trägt. Verschlingt der Jaguar den »Priester« ... oder spuckt er ihn aus? Stellt der Mensch den Tod dar ... oder jemanden, der den Tod besiegt, der aus dem Rachen des Jaguars steigt? Geht es im Bild um Auferstehung, Wiedergeburt und ewiges Leben?

Niemand vermag mit Sicherheit zu sagen, was der »Schreibtisch« wirklich darstellt. Leider sind uns keine Maya-Hieroglyphen an den Monumenten erhalten, die wir wie ein Buch lesen könnten, um uns die steinernen Denkmäler erklären zu lassen. Gab es Codices, die zum Beispiel den Menschen im Monstermaul erklärten? Wir wissen es nicht. Primitiv waren die Schöpfer dieser Skulpturen nicht! Sicher ist, dass die komplexe Kalenderwissenschaft auf die Olmeken und deren Vorläufer zurückgeht!

Mann mit Totenkopf
Foto: W-J.Langbein
Eine mögliche Erklärung für den »Schreibtisch« lautet so: Dargestellt wird ein Herrscher. Er ergreift mit einer Hand ein Seil. Dieses Seil führt um den Altar herum. An den beiden schmalen Seiten des »Schreibtischs« (im Foto nicht zu sehen) waren ursprünglich zwei Gestalten dargestellt. Die Abbildung auf der rechten Schmalseite (im Bild nicht zu sehen) ist allerdings stark verwittert. Sind es Verstorbene, Vorfahren des Herrschers? Nimmt der Herrscher mit den Totengeistern Kontakt auf, um sich Hilfe von ihnen zu erbitten? Stellt also das Seil die Verbindung unserer Welt mit dem Totenreich dar?

Eine andere Interpretation versteht die vermeintlichen »Verstorbenen« ganz anders, nämlich als Gefangene des Königs. Der Herrscher hat ihr Schicksal in den Händen, entscheidet über Leben und Tod!

Je mehr Fachliteratur man liest, in der alte Kunstwerke Zentralamerikas interpretiert werden, desto mehr voneinander abweichende Erklärungen werden einem geboten. Es müsste von Seiten der Wissenschaft sehr viel deutlicher gemacht werden, dass bei den »Erklärungen« sehr viel Fantasie im Spiel ist! Und je weniger von einer Skulptur zu erkennen ist, desto mehr Spielraum wird der Vorstellungskraft geboten. Leider werden aber fantasiereiche Vermutungen gern als gesicherte Erkenntnis vorgetragen.

Noch ein Schreibtisch
Foto: Archiv W-J.Langbein
Ein weiterer »Schreibtisch« ist leider stark beschädigt. Große Teile scheinen abgeschlagen worden zu sein. Man erkennt wieder eine menschliche Gestalt. Sie kauert, mit nach vorn gebeugtem Oberkörper und einer »Zipfelmütze« auf dem Kopf, wieder im Schlund eines Monsters.

Die sitzende Gestalt hält etwas in den Armen. Was das ist, man kann es nicht mehr erkennen. Auch hier gibt es keine übereinstimmende Erklärung. Da ist von einem Menschenopfer die Rede. Wird ein Baby oder ein Kleinkind den nach Blut schreienden Göttern dargeboten? Oder genießt das Baby ganz besonderen Schutz der mächtigen Götter? Oder wird etwas ganz anderes dargestellt, nämlich die geistige Entwicklung des Menschen auf spiritueller Ebene vom Baby zum Erwachsenen? Oder schützt der Mensch – womöglich ein Priester – ein kleines Jaguar-Baby?

Ich habe großen Respekt vor den wissenschaftlich arbeitenden Archäologen. Was mich aber sehr stört: Sehr häufig trägt jeder Experte seine ganz persönliche Erklärung für ein bestimmtes Monument als absolut sichere Erkenntnis vor. In Wirklichkeit aber wird häufig nur spekuliert, wiedersprechen die verschiedenen »Erklärungen« einander.

Die Bücher von Walter-Jörg Langbein

»Von Pyramiden und heiligen Bäumen«,
Teil 151 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 09.12.2012


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