Sonntag, 30. August 2015

293 »Maria und Jesus am Seil – Mariae Himmelfahrt – Teil 3«

Teil 293 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein

Foto 1: Mariae Himmelfahrt von Steinle
Maria stieg zum Himmel auf. Die Gottesmutter ließ sich Zeit für ihre Reise von der Erde in den Himmel. Die »Erde«, das war der morsche Holzfußboden einer kleinen Kapelle. Der »Himmel«, das war die steinerne Decke der kleinen Kapelle. Das Himmelsblau bröckelte wohl schon seit vielen Jahren. Das Blattgold der Sterne hatte wohl schon vor vielen Jahren seinen Glanz verloren. An einer Wand hing eine Darstellung der Himmelfahrt Mariae, eine verstaubte Kopie eines alten Ölgemäldes. 

Das Original stammt von Eduard Jakob von Steinle (1810-1886) und befindet sich in der fürstlichen Hauskapelle von Schloss Löwenstein in Kleinheubach. Man sieht einen leeren, vermutlich steinernen Sarkophag, in dem offenbar Maria, die Gottesmutter, aufgebahrt lag. Hoch darüber sieht man Maria auf ihrem Weg in den Himmel.

Und der »Himmelsflug« der Maria wirkte weniger majestätisch als riskant. Ruckelnd und zuckelnd wurde die hölzerne Heiligenfigur an einem Strick gen »Himmel« gezogen. Manchmal entglitt dem greisen Küster das Seil, so dass Maria wieder ein Stück Richtung Erde fiel. Ruckartig blieb sie dann hängen, baumelte hin und her. Dann aber packte der Küster im Dachgebälk wieder fest zu und ließ Maria wieder die himmlische Reise fortsetzen.

»Ursprünglich gab es einen Mechanismus mit Seilwinde und Kurbel…«, erklärte mir der Geistliche, der mindestens genauso alt war wie der greise Küster. »Damals sah das alles sehr viel majestätischer aus! Maria schwebte damals förmlich in den Himmel und wurde dann vom Himmel aufgenommen.«

Foto 2: Etwa so sah die Luke zum Himmel aus

Inzwischen war die Marienstatue am »Himmel« angekommen und wurde vom ächzenden Küster durch eine kleine Luke im Gewölbe gezogen. Sekunden später wurde die Luke geschlossen. Polternd fiel eine mit goldenen Sternen bemalte Klappe in das Loch im Himmel. Von der Decke lösten sich Teile des blauen Himmels und vom verblassenden Blattgold der Sterne. Und hoch oben im Himmel hustete der Küster wie ein leibhaftiger Zeus mit Asthma im Staub des Gewölbes.

Foto 3: Auferstehung von Sonneborn
Später saß ich mit dem Küster und dem Geistlichen im alten Pfarrhaus des kleinen fränkischen Dorfes. Es gab hausgemachten Weißkäse, selbstgebackenes Brot und Bier aus einer dörflichen Privatbrauerei. »Mit der Reformation kam die Wende!«, erklärte mir der Geistliche. »Heiligenfiguren wurden aus unserer kleinen Kapelle entfernt und versteckt, weil übereifrige Anhänger Luthers die alten Figuren verbrennen wollten. 

Untersagt wurde vor allem, die Feier der ›Himmelfahrt Mariae‹, bei der zur Veranschaulichung eine Marienstatue vom Fußboden der Kapelle zur Decke gezogen und durch eine Luke in den Himmel aufgenommen wurde…«

Die kleine Kapelle im oberfränkischen Bergdorf hatte einst zum herrschaftlichen Anwesen eines Adeligen gehört. In dem kleinen Gotteshaus wurden nur Gottesdienste für die Familie des Adeligen und das Dienstpersonal abgehalten.

Es wurde als Zeichen der hochherrschaftlichen Huld angesehen, wenn jemand vom »Gesinde« einen nahen Verwandten aus dem Dorf zur Feier der Himmelfahrt Mariae mitbringen durfte.

Der Küster wusste zu berichten, dass Laternen über der Luke das himmlische Licht veranschaulichen sollten. In dieser göttlichen Herrlichkeit wurde die hölzerne Marienstatue aufgenommen. Wann dies zum letzten Mal geschehen ist? »Offiziell wurde der Brauch mit der Reformation im 16. Jahrhundert verboten, aber noch einige Zeit zelebriert!«, erklärte mir der altehrwürdige Geistliche verschmitzt lächelnd. »Aber jetzt gibt es unsere kleine Kapelle offiziell gar nicht mehr. Sie wird in keiner Liste mehr geführt und seit vielen Generationen nicht mehr für Andachten und Gottesdienste genutzt.«

Foto 4: Jesu Füße ragen aus dem Himmel

Mein Besuch in der damals schon recht maroden Kapelle fand Mitte der 1970er Jahre im Oberfränkischen statt. Damals bestand schon Einsturzgefahr. Ich wollte das kleine Gotteshaus vor wenigen Jahren noch einmal besuchen, wurde aber barsch abgewiesen. Eine solche Kapelle habe es nie gegeben, wurde mir mitgeteilt. Und außerdem befände ich mich auf Privatbesitz, sei unerwünscht. »Verschwinden Sie lieber, bevor die Polizei gerufen wird. Sie wollen doch nicht wegen Landfriedensbruch belangt werden?«

Foto 5: Jesus fährt gen Himmel
Ich resignierte und trat den Rückzug an. Einer der gestrengen Wächter raunte mir noch zu, die Kapelle sei vor »gut dreißig Jahren« abgerissen worden. Ob sich noch jemand an das Ritual mit der Heiligenfigur, die in den »Himmel« gekurbelt wurde, erinnert? Wahrscheinlich nicht. Übrigens: Die Luke nahm einst nicht nur eine Statue der Gottesgebärerin Maria auf. Auch Christi Himmelfahrt wurde in jener kleinen Kapelle einst sehr anschaulich zelebriert. Statt einer Marienfigur wurde eine Christus-Statue am Seil durch die Luke in den Dachboden gezogen.

Jahrzehnte sind vergangen seit jener merkwürdig-mysteriösen Demonstration in einer kleinen oberfränkischen Kapelle. Durch das Hochhieven einer Marienfigur sollte die Aufnahme der Gottesgebärerin in den Himmel dargestellt werden.

Moderne Theologen mögen die Auferstehung und die Himmelfahrt Jesu bis zum letztlich inhaltsleeren Symbol verklausulieren. Sie vergessen dabei, dass es im Artikel 6 des Glaubensbekenntnisses heißt: »Jesus ist aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters.«

Der »Katechismus der katholischen Kirche« ist sehr konkret, was die »Himmelfahrt Mariae« angeht. Da lesen wir (1): »Nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes wurde die heiligste Jungfrau Maria mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen, wo sie schon an der Auferstehungsherrlichkeit ihres Sohnes teilhat und so die Auferstehung aller Glieder seines Leibes vorwegnimmt.«

Da ist ganz eindeutig von leiblicher, körperlicher Aufnahme in den Himmel die Rede und nicht von einer wie auch immer theologischen Verklausulierung ins Belanglose. Man mag eine solche Glaubenslehre für naiv und kindlich halten. Es ist aber unbestreitbar zentraler Bestandteil der katholischen Glaubenslehre.

Foto 6: Aufnahme Mariens im Himmel.
Von Alonso López de Herrera (ca. 1585 - ca.1675) gibt es eine ganze Reihe sakraler Darstellungen, etwa von der körperlichen Himmelfahrt Jesu oder von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Nicht minder konkret sind die herrlichen Gemälde von Pietro Perugino (circa 1446/1450 – etwa 1523), geboren als Pietro Vannucci.
 
Es gibt letztlich keinen wirklichen Unterschied zwischen derartiger christlicher Kunst einerseits und dem naiven Ritual, Heiligenfiguren an einer Schnur in eine Luke zu ziehen, andererseits. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte lernte ich immer wieder »moderne« Theologen kennen, denen »naive« Glaubensvorstellungen nur noch ein herablassendes Lächeln abverlangen. Diesen ach so wissenschaftlichen Theologen scheint dabei aber zu entgehen, dass sie sich im Bemühen um moderne Glaubensformen von den einst zentralen Glaubenslehren verabschieden. Dieses Vorgehen ist in meinen Augen nicht legitim. Schließlich betreiben diese Theologen Etikettenschwindel, indem sie als »christlich« verkaufen, was diese Bezeichnung schon lange nicht mehr verdient. Solche »modernen« Theologen haben sich meiner Meinung nach schon bereits viel zu weit vom christlichen Glauben entfernt. Wirklichen Trost vermögen sie Menschen, die – zum Beispiel – um einen verstorbenen Angehörigen trauern, nicht mehr zu spenden. Sie bieten letztlich nur leere Worthülsen.

Der katholische Katechismus ist auch sehr klar in seinen Aussagen über die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu. Da lesen wir (2): »Diese letzte Stufe der Verherrlichung bleibt eng mit der ersten verbunden, das heißt mit der Herabkunft vom Himmel in der Menschwerdung. Nur wer ›vom Vater ausgegangen‹ ist, kann ›zum Vater zurückkehren‹: Christus. ›Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn‹ (Johannes 3,13).«

Die leibhaftige Himmelfahrt Jesu wird am Altar von Bad Segeberg etwa 1501 bis 1525 dargestellt. Man sieht die kleine Anhängerschar Jesu versammelt, während der »Messias« gen Himmel schwebt. Genauer gesagt: In der bunt bemalten Schnitzerei ist Jesus schon fast ganz in den Himmel aufgenommen worden, nur seine Füße ragen noch heraus.

Foto 7: Engel empfangen Jesus im Himmel.
Unter der Auferstehungsszene finden sich erklärende Worte in lateinischer Sprache: »Sanctus sanctorum christus petit alta potorum«, zu Deutsch »Der Allerheiligste Christus entschwebt in die Höhen der Herrscher«.

Heutige Theologie verabschiedet sich vom christlichen Glauben, wenn sie den Spagat zwischen moderner wissenschaftlicher Erkenntnis und traditionellem Glauben versucht. Die einen glauben. Die anderen belächeln Glauben und ersetzen doch nur allzu oft religiösen durch pseudowissenschaftlichen Glauben.

Ich erinnere mich an das mysteriös-naive Ritual in der kleinen Kapelle, als der greise Küster eine Marienstatue am Seil in den Himmel des kleinen Gotteshauses zog. Ich verkneife mir arroganten Spott ob solch »naiven« Glaubens. Religiöser Glauben kann nur naiv sein. Sonst ist es kein Glauben mehr. Man kann glauben oder auch nicht. Der Versuch, religiösen Glauben wissenschaftlich zu verklausulieren, der kann allerdings nur scheitern. Dabei darf man den modernen christlichen Theologen durchaus gute Absichten zubilligen: Sie glauben, den alten Glauben in eine Zeit der modernen Wissenschaften retten zu können, indem sie ihn zu »Symbolhaftem« machen und so letztlich doch aufgeben. Es ist durchaus legitim, sich von alten Glaubenslehren zu verabschieden. Nur darf man dabei nicht so tun, als würde man sie in neuem Gewand beibehalten.

Die Vorstellung, dass Maria als Gottesgebärerin in den Himmel aufgenommen wurde, ist keine christliche »Erfindung«. Fast identische Darstellungen sind sehr viel älter und wurden von frühen christlichen Theologen übernommen und neu etikettiert. Die Suche nach Maria, der Gottesmutter, führt uns ins antike Griechenland, nach Ephesus… und zu Göttinnen aus frühesten Zeiten!

Fußnoten

(1) »Katechismus der katholischen Kirche«, München 1993, S. 281, Artikel 974
(2) ebenda, S. 203, Artikel 661

Zu den Fotos

Foto 1: Foto Creative Commons/ Altera levatur; Gemälde von Eduard Jakob von Steinle (1810-1886)
Foto 2: Etwa so sah die Luke zum Himmel aus. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Auferstehung von Sonneborn. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Jesu Füße ragen aus dem Himmel. Kirche Sonneborn. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Jesus fährt gen Himmel. Gemälde von Alonso López de Herrera. Public Domain/ gemeinfrei
Foto 6: Aufnahme Mariens im Himmel. Gemälde von Maria Alonso López de Herrera. Public Domain/ Gemeinfrei.
Foto 7: Engel empfangen Jesus im Himmel. Perugino. Public Domain.

294 »Maria und die Biene –
Mariae Himmelfahrt – Teil 4«
Teil 294 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 06.09.2015


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Freitag, 28. August 2015

Schulengel Teil 2 – Wo sind eigentlich die Mathematiklehrer?

Freitagskolumne von Ursula Prem

Am vergangenen Freitag  beschäftigte sich meine Kolumne mit dem Geschäftsmodell der Schulengel GmbH, die sich auf die Ausschüttung von als Spenden deklarierter Unterprovisionen an Bildungseinrichtungen beschäftigt. Hierzu werden die Partnerprogramme von insgesamt etwa 1.300 Internetshops zweckentfremdet. Ein eigenes Browser Add-On namens »Shop-Engel« sorgt für das möglichst flächendeckende Einsammeln der Provisionen, sodass teilweise sogar die bereits verdienten Vergütungen reell arbeitender kleiner Websitebetreiber in die Taschen von Schulengel fließen, ohne dass die Geprellten dies im Einzelfall überhaupt bemerken.


schulengel.de:
Aktueller Spendenstand
vom 25. August 2015
Dass leicht zu begeisternde Elternbeiräte und Vereinsvorstände das kuschelige Erlebnis gemeinschaftlichen Flyerverteilens nicht missen möchten, dürfte der wahre Grund für den Erfolg des rasant wachsenden Systems sein, denn die Erträge sehen für die einzelnen Beteiligten eher mau aus: Die durch das System geköderten inzwischen 7.804 Bildungseinrichtungen dürfen sich aktuell über einen durchschnittlichen Gesamtspendenstand von etwa 272 Euro freuen, für deren Vereinnahmung eine Menge Überzeugungsarbeit geleistet worden sein dürfte: Immerhin müssen die Schulen und Vereine dafür sorgen, dass möglichst viele ihrer Mitglieder und Freunde beim Online-Einkauf den Umweg über Schulengel tätigen. Da fragt man sich im Ernst, warum bisher weder Mathematik- noch Informatiklehrer die Diskrepanz zwischen Aufwand und Ertrag bemerkt und ihr Veto eingelegt haben. Ist die Idee angeblich »kostenloser Spenden« zu bestechend, als dass man sich ihrer Faszination entziehen könnte, und das selbst dann, wenn man es von Berufs wegen eigentlich besser wissen müsste? 

Umsatz top und Spenden Flop


Vergleicht man den auf der Startseite von schulengel.de ausgewiesenen Gesamtspendenstand über einen längeren Zeitraum mit der Zahl der jeweils beteiligten Spendenempfänger, so fällt auf, dass der durchschnittliche Ertrag nur sehr langsam steigt, während die Einkünfte von Schulengel selbst rasant anwachsen. So beliefen sich die ausgeschütteten Spendenbeträge am 30. Mai 2012 auf 619.509 Euro, welche sich auf damals 3.480 beteiligte Einrichtungen verteilten. Vor über drei Jahren also betrug der durchschnittlich erzielte Spendenerlös pro beteiligtem Verein 178 Euro. Ein Wert, der ein Jahr später gerade einmal auf 207 Euro (1.058.220 € : 5.098 Bildungseinrichtungen) angewachsen war. Wohlgemerkt: Vereinnahmt im Gesamtzeitraum, nicht etwa pro Jahr!

Für die Schulengel GmbH selbst lohnt sich das amorphe Geschäft aufgrund seiner schieren Masse, verbleiben doch für jede auf diese Weise vereinnahmte Provision 30 % beim Unternehmen (in den oben genannten Zahlen nicht enthalten). Zusatzeinkünfte in unbekannter Höhe verzeichnet Schulengel zudem beim Verkauf von Büchern: Diese Provisionen verbleiben zu 100 % bei den umtriebigen Spendeneintreibern, möglich macht es die Buchpreisbindung.

Würden Mathematiklehrer ihre Textaufgaben der sie umgebenden Wirklichkeit entnehmen, so könnte eine davon lauten:

  1. Zeichnen Sie aufgrund der angegebenen Werte einen Graphen, der den zu erwartenden durchschnittlichen Spendenstand pro Schule/Verein innerhalb der nächsten zehn Jahre abbildet. 
  2. Stellen Sie ihm einen ebenfalls zu fertigenden Graphen gegenüber, der den absehbaren Umsatz der Schulengel GmbH im selben Zeitraum darstellt (jeweils gleichbleibende Entwicklung vorausgesetzt).
  3. Beantworten Sie abschließend die Frage, welche Konsequenzen sinnvollerweise aus dem entstandenen Bild gezogen werden sollten.



Auch ohne die Aufgabe zeichnerisch durchzuführen, ist näherungsweise leicht absehbar, dass Teilaufgabe 1 als praktischer Anwendungsfall einer linearen Funktion ihre Lösung in einer relativ flachen Gerade findet, während Teilaufgabe 2 aufgrund der rasant wachsenden Anzahl teilnehmender Schulen und Vereine einen kühnen exponentiellen Schwung aufweisen wird: An welchem Beispiel könnte man das Wesen der quadratischen Funktion eingängiger darstellen?

Kostenlose Werbeträger


Auf so viel praktisch-mathematische Kreativität wird man an den meisten Schulen wohl vergeblich warten: Teilaufgabe 3 wird unbeantwortet bleiben. Stattdessen hoffen immer mehr Beteiligte darauf, der Effekt fleißigen Flyerverteilens möge der kläglich flachen Gerade den gewissen Drall verleihen. Dass all die wohlmeinenden Flyerverteiler damit hauptsächlich unentlohnt die Umsätze der Schulengel GmbH erhöhen, während sie auf normalem Wege (»Wir bitten Sie um eine kleine Spende für unseren Förderverein!«) bei gleichem Aufwand ungleich höhere Spendenerträge für ihre Einrichtung erzielen könnten, ist ebenso tragisch wie unvermeidlich.

Mit diesem kleinen Beispiel sind die Einsatzmöglichkeiten ambitionierter Mathematiklehrer auf dem Gebiet Schulengel noch längst nicht erschöpft: Am nächsten Freitag beschäftigt sich meine Kolumne mit den Gefahren des spendenwütigen Einkaufens aufgrund der Shop- und Produktempfehlungen bei schulengel.de.

>> Teil 1 Schulengel



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Sonntag, 23. August 2015

292 »Mariae Himmelfahrt – Teil 2«

292 »Mariae Himmelfahrt – Teil 2«
Teil 292 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein

Foto 1: Belagerung von Konstantinopel
Konstantinopel. Jeden Freitag erlebten die Christen in der Kirche »Sankt Maria von Blachernae« im Nordwesten Konstantinopels ein »Wunder«. Jeden Freitag versammelten sich die Gläubigen in stiller Andacht nach Sonnenuntergang. Ein Vorhang wurde – wie von Geisterhand – angehoben und gab den Blick auf eine altehrwürdige Ikone der Muttergottes frei. Im Halbdunkel schien das Bildnis lebendig zu werden. Die Ikone, auf Holz gemalt und mit Gold und Silber bekleidet, ließ die Menschen staunen…. im 11. Jahrhundert, also vor rund einem Jahrtausend.

Ein Jahrtausend später haben viele Menschen das Staunen verlernt. Viele Zeitgenossen haben im »christlichen Abendland« die Ehrfurcht vor altehrwürdigen Zeugnissen der Frömmigkeit verloren. Und Fanatiker, die sich auf Allah und den Koran berufen, zerstören – zum Beispiel in Timbuktu, Mali, unersetzbares Weltkulturerbe.

Wir werden zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends mit einer Flut von Bildern überschwemmt. Wir sind unzähligen Fernsehbildern ausgesetzt, die Stille in uralten Gotteshäusern ist, so scheint es, für viele unerträglich geworden. Im Zuge von »Multikulti« laufen wir Gefahr, unsere kulturelle Eigenständigkeit zu verlieren. Ich persönlich schätze das Schlagwort »Multikulti« überhaupt nicht. Es klingt für meinen Geschmack zu respektlos gegenüber den Wurzeln der Völker, nach banalem Mischmasch.

Foto 2: »Mariens Himmelfahrt«
In »Sankt Jakobus«, der kleinen Wehrkirche von Urschalling am Chiemsee, versucht  eine uralte Fresken-Malerei aus dem 14. Jahrhundert eine geheimnisvolle Geschichte zu erzählen.

Obgleich die unbekannten Künstler Pergament P. Vindob K 7.589 (»Transitus Mariae«) nicht gekannt haben können, erzählt ihre Malerei doch die gleiche Geschichte von Marias Tod und Aufnahme in den Himmel. Jahrhunderte lang war das Bild unter Putz und dicken Tüncheschichten verborgen.

Schon 1808 wurde festgestellt, dass sich einst an den Wänden flächendeckende Malereien befanden. Anno 1927 soll eine gelangweilte Gottesdienstbesucherin zum Zeitvertreib Putz gelöst haben. Farben kamen zum Vorschein und man begann mit der Freilegung einiger Fresken, erst zögerlich, dann mit wachsendem Eifer. Voller Spannung wartete man, was wohl noch alles zutage treten würde.

1941 und 1942 wurden schließlich die Ausmalungen freigelegt. Leider waren die Bildnisse nun schutzlos Algen und Schimmel ausgesetzt, so dass die altehrwürdigen Kunstwerke Ende der 1960-er Jahre aufwändig saniert werden mussten.

Einst war das altehrwürdige Gotteshaus, ehemals Burgkapelle der Falkensteiner, großflächig als »Biblia Pauperum« gestaltet, als Bibel für Arme, die des Lesens unkundig waren. Aber konnte man die kostbaren Malereien einst wie ein Buch lesen und verstehen? Ein greiser Küster öffnete mir »Sankt Jakobi«? Aus dem grellen Tageslicht eines strahlenden weißblauen Nachmittags trat ich in eine mysteriöse Bilderwelt, wie ich sie in ähnlicher Form in altehrwürdigen Darstellungen in Kirchen von Konstantinopel gesehen habe.

Foto 3: Betender Jesus

Schon nach kurzer Zeit übersehe ich die diversen Beschädigungen, die man bei der letzten Restaurierung nicht ausgebessert hat. Man hat darauf verzichtet, die Leerstellen wieder herzustellen. Ziel der Restaurierung war es, Originale wieder sichtbar werden zu lassen. Ausfüllung der zerstörten Stellen wären möglich gewesen, dann aber wären die Malereien nicht mehr authentisch.

Foto 4: Sündenfall Adam und Evas

Stunden durfte ich in der Kirche verbringen. Viele der Darstellungen waren mir vertraut… vom »Sündenfall von Adam und Eva« (beschädigt!) bis hin zur Kreuzabnahme Jesu, vom betenden Jesus im Garten Gethsemane über seinen Einzug in Jerusalem auf einem Esel reitend bis zur Befreiung der Seelen aus dem Höllenschlund. Besonders beeindruckt hat mich aber ein Kunstwerk, das in einem Bild eine ganze Geschichte erzählt, vom Tod Marias bis hin zur Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel. Leider weist auch dieses christliche Kunstwerk Leerstellen auf. Ich frage mich, ob manche Bilder bewusst zerstört wurden. Es kommt mir so vor, als seien da und dort ganz gezielt Darstellungen von Gesichtern abgekratzt worden.

Übrigens: Im Byzanz des achten und neunten Jahrhunderts wurde heiß und heftig diskutiert, ob man das Göttliche überhaupt bildlich darstellen darf. Schon vor mehr als 1200 Jahren standen sich Bilderverehrer und Bilderzerstörer im byzantinischen Kulturkreis gegenüber. 721 oder 722 n.Chr. erließ der Umayyadenkalif Yazid ibn ‚Abd al-Malik ein Edikt über die Vernichtung von Bildern in christlichen Kirchen auf seinem Staatsgebiet. Es ist ein Segen, dass sich die Ikonoklasten (Bilderzerstörer) damals nicht durchsetzen konnten.

Foto 5: Maria schläft im Stall von Bethlehem.

Aus heutiger Sicht unverzeihlich war die Zerstörungswut von Eiferern im 16 Jahrhundert. Luther nahestehende Theologen ließen Darstellungen Jesu und von Heiligen aus Kirchen entfernen. Darstellungen von Maria und Josef (Dom zu Bremen!) wollten besonders strenge Eiferer nicht dulden. Leider wurden von diesen fanatischen Bilderstürmern vor rund einem halben Jahrtausend wertvolle Kunstwerke zerstört. Zum Glück erwiesen sich manche der Luther Anhänger als geschäftstüchtig. So wurden religiöse Bildwerke aus so manchem Gotteshaus entfernt, aber nicht zerstört, sondern verkauft… und blieben so erhalten. 

Leider wollen heute fundamentalistische Anhänger eines »Gottesstaates – ein halbes Jahrtausend nach den christlichen Bilderhassern – vermeintliche »Götzenbilder« uralter Kulturen zerstören. Zwei Beispiele aus unseren Tagen: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat im Norden des Iraks einzigartige Kulturgüter aus altorientalischer Zeit zerstört. Dem religiösen Fanatismus fiel zum Beispiel eine assyrische Türhüterfigur, die mehr als 2600 Jahre alt war, zum Opfer. Mit einem Presslufthammer wurde die Statue zerstückelt. Im Museum der Stadt Mossul wurden antike Bildwerke systematisch zerschlagen. Laut Pressemeldungen handelte es sich um unersetzliche Originale.
  
Doch zurück zum eigentlichen Thema, zur »Himmelfahrt Mariae«, wie die Aufnahme der Gottesmutter gern genannt wird. Die Darstellung in der St. Jakobus Kirche zu Urschalling hat mich besonders beeindruckt. Unten sehen wir die entschlafene Maria. Die Weggefährten Jesu nehmen Abschied von der Gottesmutter.

Foto 6: Maria Magdalena? (Pfeil!)

Vier bärtige Gesichter sind zu erkennen, ein fünftes ist bartlos. Es wird zum Teil von der Hand eines Jüngers, der zum Himmel deutet, verdeckt. Ich kann mir nicht helfen, aber das Gesicht wirkt feminin. Sollte es Maria Magdalena sein, die da um Jesu‘ Mutter trauert?

Ob einst alle Apostel Jesu zu sehen waren? Wir wissen nicht, wie das Gemälde einst aussah, bevor wesentliche Teile zerstört wurden…. Zu erkennen ist Maria, die auch – wie alle Jünger – einen Heiligenschein trägt. Sie ruht auf einer »Bahre«, die mich aber eher an einen steinernen Sarkophag erinnert. Einer der Jünger, zur Rechten der Maria Magdalena stehend, weist mit dem Zeigefinger nach oben. Wir folgen diesem Hinweis und wandern mit dem Blick nach oben, so wie die beiden Jünger in der oberen Reihe auch nach oben schauen. Dort sehen wir Jesus, in königlichem Gewand, mit Krone auf dem Haupt und goldenem Zepter  in der linken Hand.

Foto 7: Jesus dominiert das Szenario.

Jesus, der König, dominiert das Szenario. Einst erstrahlte wohl gerade der himmlische König Jesus leuchtend rot im Sonnenschein, der durch ein strategisch geschickt abgebrachtes Fenster fiel. Das Fenster allerdings wurde zugemauert. Jesus scheint »im Himmel« überseinen Jüngern und seiner toten Mutter zu schweben. Seine Körperhaltung deutet darauf hin, dass er auf einem Thron sitzt. Auf Jesu Schoß sitzt, an Jesu rechte Schulter gelehnt, ein junges Mädchen. Das Kind trägt – wie Jesus – eine Krone. Dargestellt wird auf diese Weise, wie Jesus die Seele seiner verstorbenen Mutter in den Himmel trägt.

Foto 8: Engel begrüßen Maria und Jesus

Im Himmel, ganz oben im Bild, warten Engel auf Jesus und die gekrönte Himmelskönigin. Mächtige Flügel schmücken die Himmelsboten, von denen einer zur Begrüßung eine lange Posaune bläst.

Fotos 9 und 10: Blick in die Kirche. Rechts: Byzantinischer Jesus?

Welcher Meister dieses ausdrucksstarke Bild schuf? Wir wissen es nicht. Blickt man Richtung Altar, so sieht man hoch oben in der Apsis Jesus als Weltenherrscher, umgeben von einer Mandorla, einer mandelförmigen Aura und den Symbolen der vier Evangelisten. Kein Zweifel: Diese und andere Darstellungen könnten einige Jahrhunderte vor den Werken in St. Jakobus von byzantinischen Künstlern in einer Kirche wie der Hagia Sofia in Istanbul geschaffen worden sein. Sollte der unbekannte Künstler also byzantinische Vorbilder gesehen haben? Oder stammte er gar aus dem byzantinischen Kulturkreis?

Auch und gerade die Darstellung von Mariens Aufnahme in den Himmel deutet auf frühe byzantinische Vorbilder hin. Die ältesten Darstellungen der sterbenden Gottesmutter finden sich in der byzantinischen Ikonographie. Führt uns die Kunst in der St. Jakobi Kirche zu Urschalling in das geheimnisvolle Byzanz? Verstehen wir wirklich, was die Malereien im Gotteshaus bezeugen sollen? Oder verstehen wir nur, was wir schon zu wissen glauben?


Literatur

Fenzl, Fritz: »Orte der Liebe in Bayern«, München 2006
»National Geographic Special«: »Das Mittelalter«, Heft 1/ 2015
Schipflinger, Thomas: Sophia-Maria/ Eine ganzheitliche Vision der
     Schöpfung, Schalksmühle, Neuauflage 2007
»Spiegel Geschichte«: »Byzanz«, Nr. 1/ 2014

Weiterführende Literatur (geht über die Themen obiger Serienfolge hinaus!):

Benko, Stephen: »Protestanten, Katholiken und Maria«, Hamburg 1972
Foto 11: Cover Hesemann

Buchholz, Marlies: »Anna selbdritt/ Bilder einer wirkungsmächtigen Heiligen«,    
     Königstein 2005
Debus, Michael: »Maria-Sophia/ Das Element des Weiblichen im Werden der
     Menschheit«, Stuttgart 2000
Derungs, Kurt: »Magische Stätten der Heilkraft/ Marienorte mythologisch neu
     entdeckt/ Quellen, Steine, Bäume, Pflanzen«, Grenchen 2006
Hesemann, Michael: »Maria von Nazareth/ Geschichte, Archäologie,
     Legenden«, Augsburg 2011
Hierzenberger, Gottfried und Nedomansky, Otto: »Erscheinungen und
     Botschaften der Gottesmutter Maria/ Vollständige Dokumentation durch
     zwei Jahrtausende«, Augsburg 1993

Foto 12: Cover Linsbauer
Linsbauer, Helga Marie: »Marienlegenden/ Zeugnisse der Marienverehrung
     aus vielen Jahrhunderten«/ Titel innen: »Marienlegenden/ Erzählungen von
     den Wundertaten der Gottesmutter aus 13 Jahrhunderten«, Augsburg 1989

McClure, Kevin: »The Evidence for Visions of the Virgin Mary«, 2. Auflage,
     Wellingborough 1984

Mulack, Christa: »Jesus, der Gesalbte der Frauen/ Weiblichkeit als Grundlage
     christlicher Ethik«, Stuttgart 1987

Mullen, Peter: »Shrines of our lady/ A guide to fifty of the most famous Marian
     shrines«, London 1998



Foto 13: Cover Widauer
Oberröder, Wolfgang: »Die Mutter der Gnade/ Mariengebete und Gebetsführer
     zu Stätten der Marienverehrung«, Donauwörth 2004

Schmidt, Heinrich und Margarete: »Die vergessene Bildersprache christlicher
     Kunst«, München 1981 (Dritter Teil: Mariendarstellungen, S. 195-256)

Swann, Ingo: »The Great Apparitions of Mary/ An Examination of twentytwo
     supranormal appearances, New York 1996

Widauer, Simone: »Marienpflanzen/ Der geheimnisvolle Garten Marias in
     Symbolik, Heilkunde und Kunst«, Baden und München 2009

Zu den Fotos:

Foto 1: Belagerung von Konstantinopel. Gemälde, 1499, gemeinfrei
Foto 2: »Mariens Himmelfahrt«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Betender Jesus (im Garten Gethsemane). Man beachte die Beschädigung!
Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Sündenfall Adam und Evas. Man beachte die starken Beschädigungen.
Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Maria schläft im Stall von Bethlehem. Dom zu Bremen!
Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Maria Magdalena? (Pfeil!) Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Jesus dominiert das Szenario. Dieser  Teil des Gemäldes ist so gut wie unbeschädigt.
Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Engel begrüßen Maria und Jesus. Unbeschädigtes Teilstück. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 9 und 10: Blick in die Kirche. Rechts: Byzantinischer Jesus?
     Foto 9 (links): Blick in die Kirche. Foto Walter-Jörg Langbein
     Foto 10 (rechts): Byzantinischer Jesus. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Cover Hesemann. Foto Verlag
Foto 12: Cover Linsbauer. Foto Verlag
Foto 13: Cover Widauer. Foto Verlag


293 »Maria und Jesus am Seil/
Mariae Himmelfahrt – Teil 3«
Teil 293 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 30.08.2015


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Freitag, 21. August 2015

Schulengel

Freitagskolumne von Ursula Prem

»Einfach. Spenden.« - so lautet das
Motto von Schulengel.
- Von fremdem Geld?
(Bild: Screenshot der Startseite)
Wir alle lieben die Vielfalt des Internets. Kaum jemand, der sich nicht schon einmal auf diversen Blogs mit Lese- oder Filmtipps versorgt hat, sich regelmäßig modisch inspirieren lässt oder nach außergewöhnlichen Kochrezepten sucht. Das unbegrenzte Angebot in allen Bereichen begeistert durch seine Fülle und Authentizität.

Wie sich besonders die vielen kleinen Websites finanziell über Wasser halten, auf denen sich nicht selten die originellen Ideen abseits des Mainstreams finden lassen, diese Frage stellt meist niemand. Ist halt das Hobby der Betreiber!, denkt sich mancher, der im Vorbeisurfen mal eben die gesuchte Bastelanleitung mitnimmt oder die gewünschten Hintergrundinformationen entdeckt, für deren Recherche die oft oberflächlich und unter Zeitdruck arbeitende Presse gar keine Ressourcen hätte. Machen wir uns nichts vor: Das Netz mit immer neuen Inhalten zu füllen, ist für viele Seitenbetreiber ein Akt der Selbstausbeutung. Warum auch immer sie tun, was sie tun: Sie bereichern unser virtuelles Leben.

Auf der Suche nach Möglichkeiten, wenigstens die Betriebskosten ihrer Portale zu decken und im günstigen Fall ein kleines Zubrot zu erwirtschaften, setzen nicht wenige Seitenbetreiber auf themenrelevante Affiliate-Links. So bezeichnet man individualisierte Links zu diversen Webshops, über die im Verkaufsfall Vermittlungsprovisionen verdient werden können. Beispiel: Ein Blogger, über dessen Affiliate-Link ein Buch zum Preis von 10 Euro verkauft wird, erhält für diese Vermittlung (bei einer Provision von 5 %) nach Adam Riese 50 Cent.

Bei höherpreisigen Artikeln sind die Margen natürlich größer, jedoch bedarf es einer noch viel höheren Zahl an Seitenaufrufen, ehe jemand den Affiliate-Link nicht nur betätigt, sondern sich auch zum Kauf entschließt. Wenn er den Link denn betätigt und das entdeckte Produkt nicht einfach anderswo einkauft. Doch das ist das Risiko des Websitebetreibers.

Die Erschaffung immer neuer Inhalte für das Netz zu diesen Konditionen ist aber ziemlich anstrengend!, mögen sich da manch Schlaue denken, wie beispielsweise die Betreiber der Schulengel GmbH. Deren System führt explizit vor, wie sich Vermittlungsprovisionen für Affiliate-Verkäufe nahezu automatisiert abgreifen lassen.


Wie das System Schulengel funktioniert


»Unterprovisionierung« lautet das Zauberwort, das man auf der Website von Schulengel jedoch vergeblich suchen wird. Die Betreiber ziehen es vor, das Prinzip des Durchreichens von Provisionsanteilen weichgespült als »Dankeschön-Prämien« oder »Spenden« zu bezeichnen. Schulengel funktioniert folgendermaßen:

Das Angebot richtet sich an sämtliche Schulen und Vereine, die sich eine zusätzliche Möglichkeit zum Eintreiben von Spenden wünschen. Aktuell 7.787 derartiger Einrichtungen machen laut Schulengel-Website bereits von dieser scheinbar bestechenden Idee Gebrauch, fast täglich kommen neue hinzu. Wer die Schule seiner Kinder oder den eigenen Kaninchenzüchterverein mit einer Spende unterstützen möchte, ist künftig dazu aufgerufen, seine Online-Einkäufe über die Website schulengel.de vermitteln zu lassen. 70 % der ausgeschütteten Vermittlungsprovisionen reicht die in Berlin ansässige Schulengel GmbH anschließend an die gewählte Einrichtung weiter, 30 % verbleiben in der Kasse des Betreibers. Außerdem kassiert Schulengel eine weitere Summe in unbekannter Höhe, deren 100%ige Vereinnahmung das Unternehmen der Buchpreisbindung verdankt. Da die Ausschüttung von Spenden einen Verstoß gegen die Buchpreisbindung bedeuten würde, erklärt Schulengel hierzu folgendes:

Wenn Sie Bücher kaufen
Dankeschön-Prämien von Amazon für Artikel mit Buchpreisbindung bzw. Dankeschön-Prämien einiger Partner-Shops, die primär Bücher verkaufen, verbleiben zu 100% bei Schulengel. Diese Shops sind mit einem orangenen Buch-Piktogramm gekennzeichnet!
Schulengel.de verwendet das Geld u.a. für Druck und Versand der kostenlosen Schulengel-Flyer. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

»Einige Partner-Shops, die primär Bücher verkaufen«, hierzu zählt beispielsweise der Shop von buecher.de. Dieser verkauft natürlich tatsächlich »primär Bücher«, deren durchschnittlicher Verkaufspreis sich im ein- bis niedrigen zweistelligen Eurobereich bewegt, sodass die dafür ausgeschüttete Provision (aktuell 7 %) sich im niedrigen Bereich halten dürfte. Doch das Sortiment von buecher.de umfasst mehr und mehr auch teurere Artikel wie hochpreisige Elektronikgeräte. Dies ergibt sich aus folgender Seite des Shops:



Das teuerste aktuell bei buecher.de angebotene Gerät aus dem Bereich »Fernseher und Heimkino« kostet beispielsweise 1.476,99 €. Schon ein einziger Verkauf würde also satte 103 € in die Kasse von Schulengel spülen. Und buecher.de führt auch Handys, Haushaltswaren, Heimwerkerbedarf und vieles mehr.


Der nächste Shitstorm ist nicht weit


Obwohl die aktive Aufforderung zum Einkauf über die eigenen Affiliate-Links durch den Websitebetreiber gegen die Geschäftsbedingungen fast aller Shopbetreiber verstößt, lassen die meisten Internet-Shops Schulengel gewähren, während jeder andere Seitenbetreiber für diese Vorgehensweise aus dem jeweiligen Partnerprogramm fliegen würde. Der Grund dafür ist ganz einfach erklärt:

Schon im Januar 2011 hatte es der Internetshop von Tchibo gewagt, vorübergehend aus dem Schulengel-System auszusteigen. Ein Umstand, der von Schulengel prompt auf Facebook öffentlich gemacht wurde und die ersten Ansätze zu einem Shitstorm provozierte. Hier der Screenshot der betreffenden Seite:

Quelle 


Warum ein größerer Skandal danach ausgeblieben ist, ist ebenfalls sehr einfach erklärt: Schon wenige Tage später war Tchibo wieder bei Schulengel an Bord, wenngleich seitdem nur noch die sogenannten Tchibo-Geschenkkarten über Schulengel bezogen werden können. Sich dem System komplett zu verschließen jedoch, das wagt auf Dauer offenkundig nicht einmal ein Konzern wie Tchibo.


Über 2,1 Mio. € an Spenden (genauer gesagt: Unterprovisionen) wurden durch Schulengel bisher an die beteiligten Schulen und Vereine ausgeschüttet. Was nach einer hohen Summe klingt, relativiert sich schnell, wenn man den Mittelwert errechnet: Mit Stand vom 18. August 2015 entfielen (im Gesamtzeitraum seit der Gründung von Schulengel im Jahre 2008) durchschnittlich 272 € auf jede der beteiligten Einrichtungen. Hierfür dürfte hohes Engagement der Vereine erforderlich gewesen sein: Verteilen von Flyern, Aushängen von Plakaten, die nötige Mund-zu-Mund-Propaganda und sonstige Aktionen stellen einen Aufwand dar, mit dem auf anderen Wegen mit Sicherheit höhere Spendenerträge für die Vereine hätten erwirtschaftet werden können. Doch es klingt einfach zu schön um wahr zu sein: »Helfen ohne jegliche Mehrkosten für Sie!«, lautet einer der Slogans, mit denen Schulengel an die Gier und Gedankenlosigkeit der Menschen appelliert. Klar, die Zeche zahlen die beteiligten Webshops, deren Partnerprogramme auf diese Weise ad absurdum geführt werden: Nicht wenige der eifrigen Online-Shopper wissen natürlich längst, in welchem Shop sie die gewünschte Ware bestellen möchten und würden ihren Weg gegebenenfalls auch ganz ohne Schulengel gehen. In die Röhre schauen auch die ehrlichen Vermittler: Kleine Websitebetreiber, die ihre Leser erst auf eine bestimmte Ware aufmerksam machen. Denn in vielen Fällen passiert nach erfolgreicher Vermittlung folgendes:


Das Browser AddOn »Shopengel«


Damit auch niemand vergisst, seinen Einkauf tatsächlich über Schulengel zu tätigen, hat der Betreiber ein Browser-AddOn namens »Shopengel« im Angebot, das, mit wenigen Mausklicks installiert, sofort Alarm schlägt, wenn jemand auf seinem Weg durch das Netz einen der beteiligten Webshops öffnet. Dies stellt sich dann dar wie am folgenden Beispiel von buecher.de gezeigt:



In der rechten oberen Ecke des Bildschirms lockt der Shopengel den Einkaufswilligen aus dem Shop heraus auf die Seite von Schulengel, ehe er komfortabel zurückgeleitet wird, um so den Provisionstracker zugunsten von Schulengel in Aktion zu setzen. Ist er zuvor über die Website eines regulären Affiliate-Partners in den Shop gelangt, so ist damit die bereits verdiente Provision für diesen futsch. Mag er sich noch so sehr mit dem Aufbau guter Seiteninhalte abgemüht haben, es nützt ihm nichts: Der Spendenzweck heiligt jedes Mittel, während die Schulengel GmbH den wahren Reibach macht.

Was diese Vorgehensweise künftig für die Existenz und Qualität zahlloser Themenblogs und -websites bedeuten wird, liegt auf der Hand: Je mehr Provisionen durch den »Shopengel« im Vorbeiflug abgegriffen werden, desto mehr dürfte die Motivation zahlloser Websitebetreiber in den Keller gehen, parallel zu den sowieso überschaubaren Umsätzen, denn das Problem betrifft bereits die Partnerprogramme von über 1.300 Internetshops. Aus einem fairen System der Provisionierung von Vermittlungsleistungen wird so nach und nach ein Krake, der unter dem Mantel des Spendenzwecks nach gegenleistungslosen Einkünften greift und so eine Monokultur des Internets befördert.


Es ist davon auszugehen, dass die große Mehrheit der Nutzer keine Ahnung davon hat, wie negativ sich Schulengel auf vielen Ebenen auswirkt. Aus diesem Grund werde ich das Thema im Rahmen meiner Freitagskolumne eingehender beleuchten und in der kommenden Zeit auf viele Aspekte dieses für unsere Zeit symptomatischen Systems eingehen.





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Sonntag, 16. August 2015

291 »Mariae Himmelfahrt – Teil 1«

Teil 291 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Die berühmten Kolosse der Osterinsel.

Hanga Roa, Osterinsel. Auf dem kleinen Flughafen mit der kilometerlangen Landebahn angekommen, ließ ich mich von einem »Taxi« direkt zum berühmten Steinbruch fahren. Im »Ranu Raraku«-Vulkankegel wurden einst die berühmten Kolosse, die Moais, herausgearbeitet. Irgendwann endete dort die emsige Tätigkeit der Steinmetze. Aus welchem Grund auch immer wurde die Riesenproduktion abrupt beendet. So finden wir heute fast fertige Moais und solche in sehr frühen Stadien der Produktion. Andere Kolosse wiederum liegen in Sichtweite des Steinbruchs. Man hat sie einfach nicht weiter transportiert, einfach liegengelassen.

Als mein Taxifahrer hörte, dass ich noch kein Zimmer gebucht hatte, zerrte er mich förmlich in sein Vehikel und auf ging es in holperiger Fahrt an den Rand der »Hauptstadt« der Osterinsel. Hanga Roa, die »Metropole«, ist die einzige Siedlung auf dem Eiland. Die Einwohnerzahl dürfte bei etwa 4000 liegen. Wir hielten vor einem bescheidenen Häuschen, der eifrige Chauffeur schleppte sogleich meinen Koffer an die Tür und klingelte Sturm.

Foto 2: Im »Steinbruch« der Kolosse

Ein altes Mütterlein öffnete schließlich. Ja, sie hatte noch ein Zimmer frei. 50 Dollar sei der Preis für die Übernachtung. Mein erstauntes Gesicht wurde wohl missverstanden. Ich hatte von horrenden Zimmerpreisen gehört und wunderte mich über das sehr kostengünstige Angebot. Die Wirtin indes glaubte wohl, mir wären die fünfzig Dollar zu viel. Im Preis inbegriffen, so erfuhr ich, seien ein Abendessen und ein Frühstück. Mein Zimmer wurde mir gezeigt. Kaum hatte ich meinen Koffer geöffnet, klopfte es an der Tür. Es war die freundliche Wirtin, die mir einen Suppenteller mit einer gewaltigen Portion Bohnenstampf und Rührei servierte.

Das Mahl war wirklich üppig, sehr gut gewürzt und schmackhaft. Die Wirtin war Peruanerin, deshalb gab es als Schlummertrunk noch zwei, drei Pisco Sour. Das schaumig geschlagene Eiweiß milderte den namengebenden sauren Zitronengeschmack, die fein gehackten Eisstückchen machten den hochprozentigen Cocktail angenehm erfrischend. So schlief ich bald tief und fest….

Morgens sechs Uhr… Heftiges Klopfen an meiner Zimmertür weckte mich aus komaartig tiefem Schlummer. Frühstück war angesagt. Es gab Bohnenstampf, Rührei und Kaffee von tiefer Schwärze und einer Stärke, die den Trunk zum wahren Hallo-wach-Wundermittel machte. Einnehmen durfte ich das üppige, nahrhafte Mahl mit einem zweiten Gast.

So kam ich mit dem älteren Herrn in ein anregendes Gespräch. Der Mann war katholischer Geistlicher und wollte zu einer »religiösen Feier« zu Ehren der »Gottesmutter« auf die Osterinsel gekommen. Ich berichtete von meinem abgebrochenen Studium der evangelischen Theologie. Der Geistliche zeigte sich sehr erfreut. Ich sei doch auf dem rechten Weg, könne ja zum Katholizismus konvertieren.

Foto 3: Verleih von Verkehrsmitteln aller Art

Ob ich denn wisse, was der 15. August für ein besonders wichtiger Feiertag sei? Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung hatte. »Wir erinnern uns an die Himmelfahrt der Gottesmutter Maria!«, klärte mich der Geistliche freundlich und in gut verständlichem Englisch auf. Milde verzieh er mir mein Unwissen. »In deiner Kirche hält man ja nichts von diesem wichtigen Tag…« Ich murmelte etwas von Martin Luther und von fehlenden Hinweisen in der Heiligen Schrift zur Aufnahme Mariens in den Himmel.

»Für die frühen Christen war es selbstverständlich, dass die Gottesmutter leibhaftig in den Himmel aufgenommen wurde! Natürlich wussten die Evangelisten von dem wundersamen Ereignis, aber sie schwiegen, gingen davon aus, dass jeder wusste, was mit Maria geschehen ist!«

Foto 4: »Himmelfahrt« Mariens

Alljährlich begeht die römisch-katholische Kirche das Hochfest »Assumptio Beatae Mariae Virginis«, auch als »Vollendung Mariens« oder »Mariae Aufnahme in den Himmel« bekannt. Die geläufige Bezeichnung »Himmelfahrt Mariens« entspricht nicht ganz dem lateinischen Terminus »assumptio«. Gemeint ist eine »Aufnahme« in den Himmel, keine »Himmelfahrt«. Suggeriert doch »Himmelfahrt« eine Reise aus eigener Kraft in himmlische Gefilde, während unter »Aufnahme« ein passiver Vorgang zu verstehen ist. Diese Präzisierung mag vermeintlich »modernen Menschen« als unnötige Haarspalterei erscheinen. Gern verweisen sie, so sie sich oberflächlich informiert haben darauf, dass die ganze Geschichte doch nur eine moderne Erfindung sei. Stimmt das?

Zum Dogma wurde der Glaube an die körperlich-leibliche Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel tatsächlich erst anno 1950 von Papst Pius XII. erklärt. Was wir bei den vier Evangelisten vergeblich suchen, das findet sich in einer koptischen Apokryphe. Michael Hesemann, profunder Kenner biblischer Historie, weiß zu berichten (1):

Foto 5: »Transituts Mariae«
»Das in Wien verwahrte koptische Pergamentblatt mit der Katalognummer P. Vindob K 7.589 stammt zwar aus dem 9. Jahrhundert, doch es handelt sich wohl um die Abschrift eines sehr viel älteren Textes, vielleicht sogar das Fragment einer ›primitiven Marien-Apokalypse‹ aus dem 2. Jahrhundert, wie zumindest Förster (2) glaubt. Dafür sprechen die Schlichtheit des Textes, ihre simple Theologie, vor allem aber die konsequente Titulierung Mariens als ›Jungfrau‹ (parthenos) statt ›Gottesmutter‹ (theotokos), was ab dem 4. Jahrhundert üblich und seit dem Konzil von Ephesus geradezu zwingend gewesen wäre.«

Pergament P. Vindob K 7.589 (»Transitus Mariae«) bietet eine Fülle präziser Informationen (3): »Die Jungfrau gebar den Emmanuel, den lebendigen Gott. Und als sie ihn geboren hatte, näherte sie sich in etwa 13 Lebensjahren. Er verbrachte 33 Jahre, nämlich Jesus der Christus, in denen er nicht gekreuzigt wurde. Als sie den Herrn Jesus kreuzigten, war die Jungfrau im 48. Jahr. Und sie verbrachte elfeinhalb Jahre nach der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Diese alle zusammen machen also 60 Jahre. Die ganze Zeit, die die Jungfrau auf der Erde verbracht hat, sind also 60 Jahre.

Ferner nun: Nach der Himmelfahrt unseres Erlösers ging die Jungfrau Maria mit den Aposteln verkündigen. Danach führte der Heilige Geist sie den Weg hinauf nach Jerusalem. Es war nämlich die Zeit gekommen, dass die Jungfrau sterben sollte, wie es jedem Menschen auferlegt ist. Denn sie hatte den Lauf vollendet und den Glauben bewahrt.«

Die Apostel waren darüber, so heißt es, sehr betrübt. Maria sprach »ein großes Gebet zum Herrn«. (4) »Und nachdem sie das Amen gegeben hatte, legte sie sich auf das Ruhebett. Und sofort, siehe, ein großer Duft verbreitete sich an dem ganzen Ort, und ein großes Licht erschien in dem Haus, und Christus trat mit einer großen Schar von Engeln zu ihr, und er sprach zu uns: ›Friede mit euch. Freue dich, o Maria, meine Mutter. Friede deinem Verlassen dieser Welt, in ein anderes wunderbares Licht. Friede sei mit euch, meine gesegneten Apostel.‹ Danach wandte er sich an Maria, seine Mutter, und sprach: ›O Maria, meine Mutter, keine Macht der Finsternis wird zu dir kommen können. Ich bin das Leben der ganzen Welt.‹«

Foto 6: Maria der Osterinsulaner
Zum Dogma wurde der Glaube an die körperlich-leibliche Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel erst anno 1950 von Papst Pius XII. erklärt. Daraus meinen skeptische Lutheraner ableiten zu können, dass diese Lehre sehr jung sei. Dem ist aber nicht so. Cyrill von Alexandrien war es, der schon im fünften Jahrhundert n.Chr. am 15. August ein Marienfest zelebrieren ließ. Das Fest »Mariae Aufnahme in den Himmel« lässt sich schon im sechsten Jahrhundert nachweisen. Und die Urfassung von Vindob K 7.589 beschrieb womöglich schon im zweiten Jahrhundert n.Chr. die Aufnahme Mariens in den Himmel.

Michael Hesemann kommt nach akribischer Recherche alter und ältester Dokumente wie des Vindob K 7.589 zur Überzeugung, dass das Dogma der »Assumptio« Mariens alles andere als ein neuzeitliches Produkt der Theologie ohne historischen Hintergrund ist. So schreibt er (5): »Die genauen Umstände ihres Todes (gemeint: Maria) .. bleiben auf ewig ein Geheimnis. Es ist uns nicht möglich, sie mit den Methoden der Geschichtsschreibung und der Archäologie zu ergründen. … Wir können allerdings sicher sein, dass die Legende des Transitus, bei allen noch so phantastischen Ausschmückungen, einen wahren Kern hat. Schließlich waren all die verwendeten Bilder nur Versuche, eine tiefere Wahrheit, die unbeschreiblich ist, zu erfassen.«

Foto 7: Das bescheidene Kirchlein der Osterinsel

Nach dem reichhaltigen Frühstück ging es dann zu Fuß zum kleinen Kirchlein der Osterinsel. Es war ein unerträglich heißer Vormittag, als wir am Gotteshaus ankamen. Da warteten schon viele Insulaner. Der Geistliche sprach einige Worte in Spanisch, die ich nicht verstand. Wir betraten das Kirchlein. Jetzt ging es auf Rapanui, also auf Osterinsulanisch, weiter. Und schließlich wurden alte Lieder voller freudiger Inbrunst gesungen…Wie mir der Geistliche nach dem Gottesdienst versicherte, wächst das Interesse der heutigen Osterinsulaner an ihrer alten Kultur. Die Jungen lernen wieder eifrig die alte Sprache Rapanui, die noch vor wenigen Jahren in Vergessenheit zu geraten drohte.

Verstanden habe ich die frommen Gesänge nicht. Aber ich meinte sehr wohl, den tiefen Glauben der einfachen Menschen zu spüren. Die Atmosphäre an jenem heißen Morgen war eine ganz besondere. Sie ließ sich nicht in Worte kleiden. Und so verzichtete ich natürlich darauf, die kleine Andacht durch Fotografieren zu stören.

Jahre später besuchte ich, jetzt mit einer kleinen Reisegesellschaft, wieder die Osterinsel. »Meinen« Geistlichen traf ich nicht mehr an. Er war, so erfuhr ich, nur für wenige Tage auf die kleine Vulkaninsel gekommen und hatte nur einen Gottesdienst als Gast zelebriert.


Fußnoten

(1) Hesemann, Michael: »Maria von Nazareth - Geschichte, Archäologie, Legenden«, Augsburg 2011, S. 283
(2) Hans Förster, Wiener Kirchengeschichtler
(3) Förster, Hans: »Transitus Mariae: Beiträge zur koptischen Überlieferung«, Berlin 2006, S. 15
Anmerkung: »transitus«, zu Deutsch etwa »Übergang«
(4) ebenda, S. 16
(5) Hesemann, Michael: »Maria von Nazareth - Geschichte, Archäologie, Legenden«, Augsburg 2011, S. 286

Zu den Fotos:

Foto 1: Die berühmten Kolosse der Osterinsel.
Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Im »Steinbruch« der Kolosse
Halbfertiger Koloss, liegend. Stehend: der Verfasser.
Foto: privat
Foto 3: Verleih von Verkehrsmitteln aller Art
Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: »Himmelfahrt« Mariens: Bibelillustration, um 1870. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 5: »Transituts Mariae«. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Maria der Osterinsulaner. Aufgenommen in der kleinen Kirche der Osterinsel. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Das bescheidene Kirchlein der Osterinsel. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Sehr empfehlenswert! Foto Verlag/ Archiv Walter-Jörg Langbein

Zur Lektüre empfohlen:

Michael Hesemann: »Maria von Nazareth«, Augsburg 2011, gebundene Ausgabe, 304 Seiten, 22,00 Euro

Foto 8: Sehr empfehlenswert!
Wer das »Neue Testament« oberflächlich liest, mag zur Erkenntnis kommen, dass wir über Maria von Nazareth nur sehr wenig wissen. Wer vermeintlich »wissenschaftliche« Werke der »kritischen Theologie« studiert, wird sich in seiner Meinung bestärkt sehen. Wer aber wirklich ausführliche Informationen über Maria von Nazareth sucht, dem sei die Lektüre von Michael Hesemanns »Maria von Nazareth/ Geschichte, Archäologie, Legenden« wärmstens empfohlen.

Michael Hesemann ist ein einzigartiges Werk gelungen, als Ergebnis profunden Wissens, intensivsten Quellenstudiums, ausführlicher Recherchen an heiligen Stätten. Kein zweites mir bekanntes »magnum opus« bietet geradezu detektivische Präzision wie Michael Hesemanns grundlegendes Werk. Nirgendwo sonst sah ich so präzise biblische Texte ausgewertet, ergänzt durch eine Fülle außerbiblischer Quellen. Und siehe da: Wir verfügen über eine erstaunliche Fülle an altehrwürdigem Material über Maria. In sehr überzeugender Weise fügt Hesemann unzählige Informationen aus Bibel und Apokryphen, aus Legenden und alten Überlieferungen zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Für mich ist »Maria von Nazareth« ein wirklich schlüssiges Buch. Die Einzelinformationen, von Hesemann in bewundernswerter  Manier zusammengetragen, ergeben ein einheitliches Bild. Sie wurden für den interessierten Leser zu einer widerspruchsfreien Gesamtschau vereint.

Michael Hesemann betrieb aber nicht nur umfassendes Quellenstudium, er recherchierte an heiligen Stätten vor Ort… und lässt uns staunen! Werner Keller machte mit seinem Bestseller »Und die Bibel hat doch recht« weltweit Furore.  Michael Hesemanns »Maria von Nazareth« wird dem Titel von Keller sehr viel gerechter. In einer Zeit des antireligiösen Szeptizismus und der Unwissenheit in Sachen Bibel im »christlichen Abendland« unserer Tage bietet es – anschaulich geschrieben, vorzüglich illustriert, sachlich und ohne Sektierertum – Einblicke in das Leben der »Maria von Nazareth«!

Lesenswert? Sehr lesenswert! 

Rezension: Walter-Jörg Langbein

292 »Mariae Himmelfahrt – Teil 2«
Teil 292 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 23.08.2015

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Mittwoch, 12. August 2015

Alien – Die Verwandlung zur Libelle

Liebe Leserinnen und Leser!

Mein kleiner Gartenteich, direkt an meiner Terrasse gelegen, ist für mich ein ständiger Hort der Freude. An und in ihm tummelt sich, neben den obligatorischen Grünalgen, allerlei Fauna und Flora. 





Auch »mein Lisa« fand von Anfang an gefallen an dem munteren Treiben, wie das Foto schön zeigt. 






Den Goldfischen geht es gut, auch Frösche haben sich angesiedelt. 




Einer näherte sich mir bereits, vermutlich wollte er unter Vortäuschung falscher Tatsachen von mir geküsst werden! 
















Ich bin doch nicht blöd! Ich küsse keine Frösche, aus gutem Grund:












Vermehrt haben sich die beiden Turteltauben und wie die Natur nun einmal so ist, liefert sie mit ihrem Laich Lebendfutter für eine besondere Gattung von Wasserbewohnern: Libellenlarven.

Wie Monster aus der Urzeit huschten diese am Wassergrund hin und her, fraßen gierig, was ihnen nicht schnell genug entkommen konnte. Aber keine Angst, einige Kaulquappen konnten den Räubern entkommen!

Wie wir alle wissen, ist irgendwann Schluss mit räubern. Dann ist der Moment der Metamorphose gekommen, den ich mehrmals verpasst habe. So fand ich urplötzlich am Schilf nur leere Larvenhüllen vor, an denen Libellen klebten, die ihre Flügel in der Sonne trockneten. Das weckte natürlich meinen Ehrgeiz. Morgen für Morgen schlich ich um meinen Teich herum, scannte die Uferpflanzen in der Hoffnung, ein Urmonster zu entdecken.

Ich will es nicht über Gebühr spannend machen. Am vergangenen Montag war es endlich soweit: Ich hatte das Morgenlied noch auf den Lippen, als ich fündig wurde. Alien war sogar so nett und drehte sich der Terrasse zu. So konnte ich das Objektiv wechseln und die Kamera auf ein Stativ setzen. Der Prozess ging über mehrere Stunden. Gegen 7.00 Uhr habe ich das erste Bild geschossen, um 13.00 Uhr war die Speicherkarte voll und die Verwandlung soweit abgeschlossen. Die Bilder habe ich zu einem Clip zusammengefasst, den ich Ihnen voller Stolz präsentieren möchte.
Herzlichen Dank für die Musik:
Summer Days (Kai Engel) / CC BY-NC 4.0
Free Music Archive.



Jetzt können wir diesem Wunder der Natur nur alles Gute wünschen.

Übrigens hat das Münsterland noch mehr zu bieten, z. B. das hier! Im Übrigen »Ein Buch lesen!« auch.

Bleiben Sie mir gewogen!

Ihre 

Sylvia B.



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Sonntag, 9. August 2015

290 »Die Wahrheit?«

 »Die Wahrheit«,
Teil 290 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Jesus wird verhaftet

Die Frage nach Wahrheit scheint eine einfache zu sein, wenn man nicht theologisch denkt. Vermelden die Evangelien die Wahrheit über Jesu Verhaftung, Prozess, Misshandlung und Hinrichtung Jesu die historische Wahrheit? Hans Conzelmann (1915-1989) verwundert den Laien mit einer befremdlich anmutenden Antwort (1): »Die Frage, ob die Auferstehung Christi ›ein historisches Ereignis‹ sei, ist theologisch abwegig.« Conzelmann, 1954 Extraordinarius an der Uni Zürich, 1956 ordentlicher Professor, von 1960 bis 1978 Inhaber des Lehrstuhls für »Neues Testament« an der Georg-August-Universität Göttingen, schreibt weiter (2): »Die Frage nach der Historizität der Auferstehung muß als irreführend aus der Theologie ausgeschieden werden. Wir haben andere Sorgen.«

Worüber aber macht sich der Theologe Sorgen in Sachen Glauben, wenn die Frage nach der historischen Wahrheit des für das Christentum bedeutsamsten Ereignisses »theologisch abwegig« ist?

Foto 2: Jesus wird vor Kaiphas gezerrt

Erstaunlich ist, wie rapide theologische »Erkenntnisse« über historische Hintergründe wachsen. So stellte Conzelmann 1983 im »Arbeitsbuch zum Neuen Testament« (3) noch lapidar fest: »Der historische Grundbestand der gesamten Passionstradition erweist sich also als relativ schmal: Viel mehr als die Tatsache der Verurteilung und der Kreuzigung läßt sich historisch nicht absichern.« 2004 erschien die 14. Auflage des gleichen Opus, von Andreas Lindemann fortgeführt. Jetzt heißt es: »Der historisch gesicherte Grundbestand der Passionstradition erweist sich als relativ schmal. Unbezweifelbar ist die Tatsache der Verurteilung Jesu, ferner seine Kreuzigung und sein Tod, überaus wahrscheinlich ist die Beisetzung des Verstorbenen durch einen Fremden.«

Weltweit wird in christlichen Predigten die Leidens- und Sterbegeschichte Jesu als historisch gepredigt. Mich hat auf meinen Reisen der naive Glaube an die Wahrheit der biblischen Schriften beeindruckt, im kleinen Kirchlein auf der einsamsten Insel der Welt, der Osterinsel, ebenso wie in der riesigen Basilika der »Jungfrau von Guadalupe« am Stadtrand von Mexico-City in »Villa da Guadalupe«.

Fotos 3 und 4: Jesus wird gedemütigt und gepeinigt

In der kleinen Kirche der Osterinsel erklärte mir der örtliche Geistliche voller Überzeugung: »Die Evangelien vermelden die Wahrheit über Jesu Leben, Wirken, Leiden und Sterben! Der Verlauf der Geschehnisse wird ja auch in außerbiblischen Quellen bestätigt!« Auf meine Frage hin, wo man denn in außerbiblischen Werken etwas über Jesus erfahren könne, wurde prompt und voller Überzeugung beantwortet: »Lesen Sie bei Tacitus nach! Da werden Sie fündig!« Bei Tacitus freilich erfahren wir nur, dass Nero die »Christianer« für den Brand Roms von 64 n.Chr. verantwortlich machte.

Foto 5: Jesus wird gegeißelt

Tacitus erklärt da lediglich, dass der Name »Christianer« auf Christus zurückgehe, der »unter der Herrschaft des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.« Als weitere Lektüreempfehlung legte mir der Geistliche den Historiker Sueton nahe. Von Sueton erfahren wir aber nur, dass Kaiser Claudius (10 v. Chr. bis 54 n. Chr.) »die Juden, die von Chrestus aufgehetzt, ständig Unruhe stifteten« aus Rom vertrieben hat. Es ist aber fraglich, ob mit »Chrestus« tatsächlich auch Jesus gemeint war. Chrestus könnte sehr wohl ein Jude gewesen sein, der in der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts in Rom agierte und seine Glaubensgenossen gegen die römischen Autoritäten aufhetzte.

Ob denn auch jüdische Historiker Jesus erwähnen, wollte ich von meinem Gesprächspartner wissen. Der Geistliche legte mir Flavius Josephus ans Herz. Flavius Jopsephus allerdings erwähnt  nur einen gewissen Jakobus, der anno 62 (6) mit einigen Gesinnungsgenossen hingerichtet wurde. Und dieser Jakobus sein »ein Bruder Jesu, des sogenannten Christus« gewesen.

Foto 6: »Kreuzigt ihn!«
Schließlich zitierte der belesene Gottesmann noch eine weitere Stelle aus Flavius Josephus (7). Da geht es wiederum um Auseinandersetzungen zwischen Juden und Römern zu Zeiten des Pontius Pilatus. In diesem Zusammenhang wird Jesus in höchsten Tönen gepriesen und die Kreuzigung Jesu erwähnt (8): »Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mensch, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er war nämlich der Vollbringer ganz unglaublicher Taten und Lehrer aller Menschen, die mit Freuden die Wahrheit aufnahmen. So zog er viele Juden und auch viele Heiden an sich. Er war Christus. Und obgleich ihn Pilatus auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreuzestod verurteilte, wurden doch seine frühesten Anhänger ihm nicht untreu. Denn er erschien am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten dies und tausend andere wunderbare Dinge von ihm vorherverkündet hatten. Und noch bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, fort.« Heute gilt allerdings dieser Passus als ein später eingefügter Text aus christlicher Feder, also als ein nicht von Flavius Josephus stammender Einschub (9).

Foto 7: Pilatus gibt nach
Ernst Bammel (1923-1996) wurde anno 1953 Privatdozent an der Universität Erlangen und 1984 Professor an der Universität Münster (»Wissenschaft des Judentums und neutestamentliche Theologie«). Der sympathische Gelehrte war auch im europäischen Ausland tätig. In den neunzenhundertsechziger und neunzehnhundertsiebziger Jahren hat er mehrere Gastprofessuren in Cambridge wahrgenommen. Sehr gern denke ich an mehrere Seminare, die ich bei Professor Bammel besuchte. Wir übersetzten damals Texte der »Qumran-Bibliothek« aus dem Hebräischen ins Deutsche. In kleiner Runde erörterten wir interessante Themen. Intensiv beschäftigten wir uns mit der Frage, ob Jesus in rabbinischen Texten erwähnt wird. Professor Bammel verwies auf einen in rabbinischer Literatur beschriebenen jüdischen Katzer namens »Jeschu«. Besonders konkret wurde der »Babylonische Talmud« (10):

»Am Vorabend des Pesahfestes hängte man Ješu. Vierzig Tage vorher hatte der Herold ausgerufen: Er wird zur Steinigung hinausgeführt, weil er Zauberei getrieben und Jisraél verführt und abtrünnig gemacht hat; wer etwas zu seiner Verteidigung zu sagen hat, der komme und sage es. Da aber nichts zu seiner Verteidigung vorgebracht wurde, so hängte man ihn am Vorabend des Pesahfestes.« Sollte damit wirklich Jesus gemeint sein? Das ist mehr als fraglich. Schließlich wurde Jesus weder gesteinigt, noch gehängt.

Was die »Wahrheit« über Jesu Leben, Wirken, Leiden und Sterben angeht, so ist unklar, ob die rabbinische Literatur überhaupt brauchbare Informationen bietet. Nach Professor Bammel wissen wir nicht, ob mit dem Ketzer Jeschu überhaupt der Jesus des Neuen Testaments gemeint ist. Wir sind bei unserer Wahrheitssuche auf die vier Evangelien angewiesen. Und bieten die uns »die Wahrheit«? So erweckt das Evangelium nach Markus (11) den Eindruck, als ob die Verhandlung gegen Jesus vor dem jüdischen Synedrium unmittelbar nach der Verhaftung in der Nacht stattfand. Das wäre rechtlich nicht möglich gewesen. Erweckt wird auch der Eindruck, als ob Jesu Behauptung »Sohn des Hochgelobten« zu sein nach jüdischer Rechtsprechung damals eine Gotteslästerung gewesen sei und somit als ein Kapitalverbrechen mit der Todesstrafe geahndet werden musste. Auch das ist falsch.

Foto 8: Jesus wird gedemütigt und vorgeführt

Seltsam mutet das Verhör Jesu durch Pilatus an (12). Es ist wohl kaum historische Wahrheit, dass Pilatus Jesus als »König der Juden« titulierte, so wie im Evangelium nach Markus behauptet wird (13): »Pilatus aber antwortete ihnen: Wollt ihr, dass ich euch den König der Juden losgebe?... Pilatus aber fing wiederum an und sprach zu ihnen: Was wollt ihr denn, dass ich tue mit dem, den ihr den König der Juden nennt?« Diese Worte wurden dem Römer wohl von Anhängern des jungen Christentums in den Mund gelegt.

Wenn Jesus gekreuzigt wurde, dann können das keine noch so mächtigen Juden veranlasst haben, sondern nur Vertreter der römischen Staatsbehörde. Die Kreuzigung war römische, nicht jüdische Hinrichtungsart. Das Todesurteil Kreuzigung muss von der römischen Justiz verhängt und ausgeführt worden sein. Demütigung, Misshandlung und Hinrichtung am Kreuz können also sehr wohl der historischen Wirklichkeit entsprechen. Sollten die Römer als religiös motivierten Aufständischen gesehen haben? Das ist möglich. Fürchteten die Römer eine religiös verbrämte Rebellion der allerdings machtlosen Juden? Wollten sie eine potentielle Gefahr schon im Keim ersticken? Dann machte es aus römischer Sicht Sinn, wenn sie sich über den »Messias« lustig machten und ihn folterten und durch die Straßen Jerusalems zur Hinrichtungsstätte trieben. So sollte den Juden jede Hoffnung auf einen Messias genommen werden, der sie von den Römern befreien würde.

Foto 9: Tod am Kreuz
Außerbiblische Quellen bieten nichts Brauchbares über Jesu Leben und Tod. Die Evangelien weisen den Juden die Schuld am Tode Jesu zu, sprechen die Römer von der Verantwortung frei. So muss Pontius Pilatus dem hasserfüllten Begehren der Juden nachgeben. Warum wird die Tragödie um Jesu Tod so römerfreundlich und vermutlich historisch nicht korrekt dargestellt? Das »Arbeitsbuch zum Neuen Testament« (14) bietet eine plausible Antwort:»Besonders bei Lukas, zumal in dessen Apostelgeschichte, wird deutlich, daß die sich ausbreitende christliche Gemeinde auf eine Duldung durch die römischen Behörden angewiesen ist; dabei geht es offenbar nicht um die Furcht vor römischen Verfolgungen, sondern Lukas will zeigen, daß die christliche Gemeinde für Rom keine Gefährdung darstellt.«

Für mich war die Diskrepanz zwischen gepredigtem Glauben einerseits und »wissenschaftlicher Theologie« andererseits der ausschlaggebende Anlass, mein Studium der evangelischen Theologie abzubrechen.


Fußnoten

(1) Conzelmann, Hans: »Grundriß der Theologie des Neuen Testaments«, Tübingen, 6. Auflage 1979, S. 227, Orthographie wurde unverändert übernommen
(2) ebenda, S. 228, Orthographie wurde unverändert übernommen
(3) Conzelmann, Hans: »Arbeitsbuch zum Neuen Testament«, Tübingen, 7. Verbesserte und ergänzte Auflage, S. 390, Orthographie wurde unverändert übernommen, Orthographie unverändert übernommen
(4) Conzelmann, Hans: »Arbeitsbuch zum Neuen Testament«, Tübingen, 14., durchgesehen Auflage, S. 505, Orthographie wurde unverändert übernommen
(5) Tacitus: »Annalen«, XV 44,2 und folgende
(6) Flavius Josephus, »Jüdische Altertümer«, XX 200
(7) Flavius Josephus, »Jüdische Altertümer«, XVIII.
(8) Theißen, Gerd und Merz, Annette: »Der historische Jesus/ Ein Lehrbuch«, 3 Auflage, Göttingen 2001, S. 75
(9) Siehe hierzu auch… Theißen, Gerd: Der historische Jesus/ Ein Lehrbuch, 3. Auflage, Göttingen 2001
(10) »bSanh43« zitiert nach Theißen/Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch. Göttingen, 3. Auflage 2001, S. 83.
(11) Evangelium nach Markus Kapitel 14, Verse 53, 55-64
(12) Evangelium nach Markus Kapitel 15, Verse 1-20
(13) Evangelium nach Markus Kapitel 15, Verse 9 und 12
(14) Conzelmann, Hans: »Arbeitsbuch zum Neuen Testament«, Tübingen, 14., durchgesehen Auflage, S. 508, Orthographie wurde unverändert übernommen

Alle Fotos: Altar Bad Segeberg - Walter-Jörg Langbein

291 »Mariae Himmelfahrt - Teil 1«,
Teil 291 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 16.08.2015

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