Montag, 31. März 2014

Fido Buchwichtel: Mord zu Ostern – wenn Häsinnen genug haben!

Hallo liebe Leute!

Was will Euch die Überschrift sagen liebe Menschen? Ich will es Euch erklären: bis zum Osterfest ist sie Programm! Eine neue Serie bei 
»Ein Buch lesen!« ist angesagt.

Das hat natürlich seine guten Gründe. Zum einen habe ich meiner über alles geliebten Wichtelfrau versprochen, bis Ostern den Ball flach zu halten. KEINE Reise bis dahin. Aber  für die Zeit danach konnte ich ihr ein OK zu einem längeren Trip aus den Rippen quetschen. Mit meinem Freund Walter-Jörg Langbein geht es dann auf große Fahrt. Wohin, das verrate ich noch nicht.

Zum anderen weist der Titel der neuen Serie auf Missstände hin. »Wenn Häsinnen genug haben!«, sagt ja eigentlich schon alles. Anders als bei uns Wichtelvölkern geht es bei Hasenfamilien nicht immer harmonisch zu, auch wenn Ihr Menschen da einen anderen Eindruck habt.

Gerade in der Vorosterzeit stehen die Hasenvölker unter einem enormen Leistungsdruck. Da rammelt es im Karton, das kann ich Euch sagen. Frühlingsgefühle machen sich gerade bei den Hasen breit. Ostereier müssen im Akkord bemalt werden und auf wem bleibt die Arbeit hängen? Auf den Häsinnen. Habt Ihr das gewusst? Ich auch nicht. Meine Wichtelfrau hat mir das gesteckt. Tja und wenn die bunten Eier in den Kiepen ausgeliefert werden sollen kann es passieren, dass der Hase einem Jäger vor die Flinte hoppelt und anschließend im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre schaut - in die eines Backofens.

»Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um!« Mit diesen mahnenden Worten und einem durchdringenden Blick aus ihren entzückenden Knopfaugen beendete meine geliebte Frau ihren Vortrag. Irgendwie wurde mir allerdings mulmig, denn ihre Schilderung waren mir zu zeitnah an meine Reisepläne gekoppelt. Aber wie dem auch sei, es geht ja ausnahmsweise nicht um mich, sondern um Hasenschicksale.

»Undank ist der Menschen Lohn!«, pflegte bereits mein Ururahn, der berühmte Literaturwichtel Johann-Wolfgang von Kurzarm, von sich zu geben. Und auch ich kann nicht laut genug klagen, jetzt, wo mir meine Holde dergestalt die Augen geöffnet hat. Darum mein Appell an alle Jägersleute: Ein Hase mit Kiepe ist in der Osterzeit tabu für Euch! Wer meint, sich nicht daran halten zu müssen, bekommt was auf die Löffel!

Wobei, wenn ich an die oben beschriebene Kiste zu sprechen komme … irgendwie kann ich es schon verstehen, dass manche Häsinnen nicht ohne Hintergedanken ihre angetrauten Hasen über die Felder schicken ... Aber manchmal lassen sie sich auch was anderes einfallen … 
Darum die neue Serie: 
Exklusiv auf der Nachrichtenseite von »Ein Buch lesen!«

Bei den Fototerminen soll ich übrigens anwesend sein … Nun, ich meine, dass ich armer Wichtel kein Zeugnisverweigerungsrecht habe, weil ich nicht zu der Hasenfamilie gehöre ... Das werden harte Tage für mich  ...

Also liebe Menschen, wie bei einem Adventskalender gibt es jeden Tag einen neuen Mord bis Ostern. Und weil ich Euch ja immer sagen muss, wo Ihr Euer Geld lassen sollt, auch heute wieder mein Lieblingsspruch: Klicken! Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!

Winke winke Euer

Fido Buchwichtel 


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Sonntag, 30. März 2014

219 »Die Krypta und das Grab«

Teil 219 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Blick auf den Dom im Hintergrund. Foto Walter-Jörg Langbein

Der »Hohe Dom« zu Paderborn ist auch heute noch ein imposantes Gebäude. Wie eine massive Burg im Zentrum der Stadt wirkt das »Gotteshaus«, spätromanisch und gotisch geprägt. 104 Meter ist er lang, zwischen 31 und 49 Metern ist er breit. Einst wirkte das mächtige Bollwerk wie eine Monstermauer, die so gut wie jedem militärischen Angriff standhalten konnte. An massive Fliegerangriffe konnten die Baumeister noch nicht denken …

»Ein feste Burg ist unser Gott.«.
Foto: W-J.Langbein


Warum, so frage ich mich, wurde der Dom in sumpfigem Gelände gebaut? Warum wurde er errichtet, so zahllose Quellen aus dem Boden sprudelten? Der Bauplatz wurde nicht trotz, sondern wegen der Quellen im Untergrund gewählt. Warum?

Quellen kennzeichneten in matriarchalisch-heidnischen Glaubenswelten heilige Orte. »Wassermütter« genannte Göttinnen hatten einen besonders hohen Stellenwert in der sakralen Hierarchie. Quellen spendeten Wasser, machten Leben erst möglich. Quellen versinnbildlichten den Kreislauf des Lebens.

Während ich die in den Himmel zu reichen scheinenden Mauern bestaune, denke ich über den religiösen Wandel vom Matriarchat zum Patriarchat nach. Mit dem Patriarchat wurde die Göttin nach und nach entmachtet. Die Göttin wurde, so stellt Marija Gimbutas (1921-1994), Professorin für Europäische Archäologie an der Universität von Los Angeles, fest (1), »in die Tiefen der Wälder oder auf die Gipfel der Berge zurückgedrängt«.  Und wo einst zu den Göttinnen gebetet wurde, stampfte man Kirchen aus dem Boden, die dem männlichen Gott geweiht wurden.

Wo einst Göttinnen verehrt wurden, ließ Karl der Große im achten Jahrhundert nach Christus Kirchen errichten. Mit brachialer militärischer Gewalt wurden zum Beispiel die Sachsen »bekehrt«. Anno 776 triumphierte Karl der Große in Paderborn.  Seine Truppen hatten die »heidnischen Sachsenstämme« gewaltsam unterworfen und zum Glauben der Nächstenliebe »bekehrt«. Wer sich nicht zwangsweise taufen ließ, musste mit dem Schlimmsten rechnen (1). So wurden in Verden an der Aller anno 782 auf Befehl Karls des Großen 4500 bekehrungsunwillige Sachen abgeschlachtet.

Der Dom. Foto Walter-J.Langbein
Im siebten Jahrhundert ließen sich heidnische Sachsen an den Quellen der Pader nieder. Sie nannten ihre Siedlung »Padrabrunno«. 772 machte sich Karl der Große an die Eroberung des Sachsenreichs, verwüstete gezielt ihre Heiligtümer. So ließ er das Zentralheiligtum der Sachsen, die Irminsul, zerstören. »Padrabrunno« war dem Sachsenschlächter ein besonderer Dorn im Auge. Mit militärischer Gewalt »christianisierte« der Herrscher den heidnischen Ort und machte ihn zu einem christlichen Zentrum. Anno 799 wurde Papst Leo III. aus Rom vertrieben. Er flüchtete nach Paderborn, um Karl den Großen um Hilfe anzuflehen.

Archäologische Ausgrabungen belegen die Jahrtausende alte Geschichte von Paderborn, die weit in die Steinzeit reicht. Große Erdwerke deuten auf kultische Praktiken hin. In Verbindung mit auf engstem Raum sprudelnden Quellen ist ein matriarchalischer Quellgöttinnenkult wahrscheinlich. Der Dom zu Paderborn wurde just dort errichtet, wo ein erstes christliches Gotteshaus gebaut worden war: über einigen Quellen des Flusses Pader, der dem Ort den Namen gab. Die erste Kirche wurde wohl schon im achten Jahrhundert gebaut – im Quellgebiet der Pader. Die Weihe fand anno 777 statt.

Dass Karl der Große so besonders fromm war, ist angesichts seiner grausamen Kriege gegen die Heiden zweifelhaft. Selbst unter seinen theologischen Beratern war seine »Schwertmission« umstritten. Der Herrscher war ein militärischer Stratege. Zur vollkommenen Unterwerfung der Sachsen gehörte es nicht nur, ihre militärische Macht zu brechen. Ihre religiösen Wurzeln sollten gekappt werden. Ein fremder Glaube wurde ihnen aufgezwungen. Es ist der blanke Hohn, dass die Heiden mit brutaler Gewalt zur Religion der Nächstenliebe bekehrt wurden. So leicht waren die Sachsen aber nicht zu besiegen. Immer wieder attackierten sie das »christianisierte« Paderborn, zerstörten das steinerne »Gotteshaus«. Immer wieder wurde es aufgebaut.


Blick in die unterirdische Krypta des Doms zu Paderborn.
Foto: Walter-Jörg Langbein

Ich erkenne drei Ebenen des Doms zu Paderborn. Da ist die mittlere Ebene, auf der sich die Gottesdienstbesucher und Touristen bewegen. Darüber hinaus ragen mächtige Türme. Und unter der mittleren Ebene befindet sich die unterirdische Welt. Mich erinnert diese Struktur an den »Tempel der Inschriften«. Auch das heilige Bauwerk weist drei Ebenen auf: in der Mitte die Pyramide, oben der auf der Pyramide thronende Tempel… und darunter die die mysteriöse Gruft.

Während das Kirchenschiff von dröhnend-mächtigen Orgeltönen erfüllt ist,  steige ich - vom sogenannten »Pfarrwinkel« aus – hinab in die Unterwelt, in die Krypta. Sie ist eine der größten Krypten Deutschlands. Schon bei einem der frühen Vorgängerbauten wurde diese Unterwelt« angelegt. Die mächtige Gruft dürfte schon vor fast einem Jahrtausend angelegt worden sein. Von der Krypta steige ich in die Bischofsgruft hinab. Der Vorraum wurde 1935 mit einem Mosaik versehen. Ein Engel bewacht mit gezücktem Schwert das Paradies. Der Heilige Petrus hält den Himmelsschlüssel. In der Grablege hält Maria den toten Gottessohn.

Blick in die Gruft. Foto Walter-Jörg Langbein


Mir kommen »ketzerische« Gedanken! Ich setze mich auf die Stufen zur Gruft, blicke in den von Blau dominierten Vorraum. Ich sehe Maria mit dem zu Tode gefolterten Jesus…. Und muss an das uralte Motiv der »Heiligen Hochzeit« denken, das es schon vor vielen Jahrtausenden gegeben hat. Es gibt unzählige Varianten, doch in allen Versionen geht es um den Erhalt des Lebens. Die Göttin sucht sich einen Bräutigam, der nach der »Heiligen Hochzeit« geopfert wird. Die Göttin steigt in die Unterwelt hinab und holt den »Bräutigam« in die Welt der Lebenden zurück.

Maria mit dem toten Jesus.
Foto Walter-Jörg Langbein
Das Ritual hat immer eine fundamentale Bedeutung: Im Winter oder in der Trockenzeit stirbt die Natur. Der Hungertod droht. Die Göttin sucht sich einen Partner, der geopfert wird und ins Totenreich steigt. Die Göttin holt ihn zurück ins Reich der Lebenden… und die Natur wird neu geboren. Der ewige Kreislauf des Lebens darf niemals zum Stillstand kommen, denn sonst bleibt das Leben erstarrt. Der Partner der Göttin muss geopfert werden, damit er wieder ins Leben zurück gerufen werden kann… und mit ihm erwacht die erstarrte Natur wieder aus dem Todesschlaf.

Ich sehe die Gottesmutter, die ins »Totenreich«, in die Krypta, hinab gestiegen ist. Und ich frage mich, ob die Geschichte vom Opfertod Jesu nicht eine Variante der uralten Geschichte vom Kreislauf des ewigen Lebens ist? Genauer: Geht es, in verschlüsselter Form, um den Erhalt des Lebens durch magische Rituale?

Im biblischen Text spielt, aller Zensur zum Trotz, Maria Magdalena die Rolle der »Himmlischen«. Ketzerische (?) Gedanken kommen mir. Was wäre, wenn ursprünglich die Hochzeit zu Kana in Wirklichkeit die rituelle Hochzeit zwischen Maria Magdalena und Jesus war? Dann folgt nach dem altehrwürdigen Schema der Opfertod des Bräutigams… und dessen Auferstehung. Und tatsächlich: Jesus wird geopfert, fährt hinab ins Totenreich und kehrt zurück. Im Neuen Testament ist es Maria Magdalena, die Jesus in die Totengruft folgt. In der biblischen Version holt sie allerdings Jesus nicht aus dem Totenreich zurück. Sie begegnet als erste dem aus dem Reich der Toten zurückgekehrten Jesus an.


Die Krypta ... symbolisiert sie das unterirdische Totenreich?
Foto: Walter-Jörg Langbein


Erinnert die Geschichte von Jesus und Maria Magdalena an den vielleicht ältesten Kult überhaupt, dessen bald nicht mehr verstandene Magie gewährleisten sollte, dass auf den Winter (auf die Trockenzeit) wieder eine neue Phase des Lebens folgt? Ich halte es für möglich, dass die ursprüngliche Geschichte durch Bearbeitung verfremdet wurde, aber nach wie vor zu erkennen ist (2). Vor diesem Hintergrund würde das Drei-Hasen-Fenster eine ganz andere, weniger christliche Bedeutung erhalten. Die im Kreis laufenden, miteinander verbundenen drei Hasen mit den drei Ohren symbolisieren dann das ewige Rad des Lebens. Kommt deshalb das Drei-Hasen-Motiv auch in nichtchristlichen Kulturkreisen vor? Wurde es von christlichen Theologen »christianisiert«?

Petrus im Grabmosaik. Foto:
Walter-Jörg Langbein
Viel Leid wurde durch Religionskriege über die Menschheit gebracht. Hass entstand, weil rechthaberische Theologen nur die eigene Sichtweise von den letzten Dingen gelten lassen wollten und andere Lehrmeinungen als teuflische Ketzereien verdammten. Sollte es eine tiefere Wahrheit geben, die in allen Religionen zu finden ist. Wäre es nicht die Aufgabe aller Theologen, diese tiefere Wahrheit zu suchen und so allen Streitigkeiten um den wahren Glauben ein Ende zu bereiten?

Aus der ersten Kirche zu Paderborn (8. Jahrhundert) entwickelte sich nach und nach der heutige Dom. 1220 dürften die Bauarbeiten für den Dom schon im Gange gewesen sein. Ende des dreizehnten Jahrhunderts waren die Arbeiten abgeschlossen… In den folgenden Jahrhunderten wurde ergänzt, erweitert, abgerissen, aufgestockt, neu aufgebaut…

Im Jahre 1945 war der Dom Ziel mehrerer britischer Bombenangriffe. Die Militärs haben wohl dem Dom – warum auch immer – kriegsentscheidende Bedeutung zugemessen. Anders sind die gezielten Einsätze wenige Wochen vor Kriegsende gegen das altehrwürdige sakrale Gebäude nicht zu erklären. Am 17. Januar, am 22. und am 27. März 1945 wurden besonders heftige Angriffe geflogen. Am 27. März 1945 m 17.30 kamen 270 britische Flugzeuge zum Einsatz. 2000 Gebäude wurden vollkommen zerstört, 1500 Großbrände brachen aus, 350 Menschen kamen ums Leben. Vier Tage später, am Ostersonntag, rückten US-Kampfverbände ein. Paderborn war nur noch eine Trümmerwüste. 85% von Paderborn waren vollkommen zerstört….


Fußnoten

Der »Heilige Geist« im
Grabmosaik. Foto:
Walter-Jörg Langbein
1) Frauen-Museum Wiesbaden: »Sprache der Göttin/ Annäherung an das Werk von Marija Gimbutas«, Wiesbaden 1994
Siehe auch Gimbutjas, Marija: »The Gods and Goddesses of old Europe/ Myths and Cult Immages«,  New and updated Edition, London 1982

2) Siehe hierzu: Langbein, Walter-Jörg: »Maria Magdalena – Die Wahrheit über die Geliebte Jesu«, Aufbauverlag, Taschenbuch, Berlin September 2006 und Langbein, Walter-Jörg: »Das Sakrileg und die Heiligen Frauen«, Aufbauverlag, Taschenbuch, Berlin Januar 2006








»Die Götter der Steine«,
Teil 220 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von 

Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 30.03.2014

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Freitag, 28. März 2014

Gustl Mollath – bayerische Justizfolklore

Grundrechtsverstöße offiziell für »gegenstandslos« erklärt


Ein Kommentar von Ursula Prem

Ein Unrecht ist juristisch völlig belanglos, wenn es zum Zeitpunkt der gerichtlichen Befassung damit bereits beendet ist. - Auf diese ebenso einfache wie kafkaeske Formel lässt sich ein Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg reduzieren, der am 24. März 2014 in Sachen Gustl Mollath ergangen ist. Vorausgegangen war eine beispiellose Klatsche des Bundesverfassungsgerichts, das den Bambergern sorgfältiges Nachsitzen verordnet hatte: Am 26. August 2011 hatte das OLG eine Beschwerde Gustl Mollaths gegen die vom Landgericht Bayreuth angeordnete Fortdauer seiner Unterbringung in der forensischen Psychiatrie des BKHs Bayreuth verworfen. 


Den damaligen Bamberger Beschluss fasste das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung folgendermaßen zusammen:

»Das Landgericht Bayreuth habe zu Recht die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, da zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon ausgegangen werden könne, dass dieser bei einer Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Der Sachverständige Prof. Dr. Pfäfflin stelle in seinem überzeugenden Gutachten ausführlich begründet dar, dass der Beschwerdeführer bei Fortbestehen der Einweisungsdiagnose einer wahnhaften Störung keinen Zugang zu seiner eigenen Aggressivität finde und daher gefährdet sei, erneut vergleichbar gefährliche Handlungen vorzunehmen.«   
Quelle: strate.net  

Wer sich die Mühe macht, das Gutachten des Friedemann Pfäfflin zu lesen, wird vor allem eines feststellen: Das darin gezogene Fazit

»dass die sachverständig zu beurteilenden Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 63 StGB weiterhin vorliegen«

passt in keiner Weise zu den im selben Gutachten vorangegangenen Ausführungen. Es schwebt im luftleeren Raum und erweckt den Eindruck, Pfäfflin könnte sogar durch eventuell parallele Arbeit an verschiedenen Gutachten schlicht und einfach die Schreibdateien verwechselt haben. Eine zusammenfassende Betrachtung der pfäfflinschen Kapriolen gab es bereits hier im Blog. Wer sich einen vollständigen Eindruck verschaffen möchte und starke Nerven hat, dem ist die Lektüre des Originals zu empfehlen, das auf der Website von Rechtsanwalt Gerhard Strate abrufbar ist .  


Wer lesen kann, ist klar im Vorteil


Weder das Landgericht Bayreuth noch das Oberlandesgericht Bamberg scheint sich damals die Mühe des vollständigen Lesens gemacht zu haben. Die vollkommene Unvereinbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse mit dem daraus gezogenen Fazit fiel beiden nicht auf: Kritiklos schlossen sie sich der Auffassung des »Sachverständigen« an. Erst beim Verfassungsgericht, das sich im Sommer 2013 mit der Beschwerde befasste, scheint es Schriftkundige zu geben, weshalb das forensische Martyrium Gustl Mollaths auch nach dem Pfäfflin-Gutachten noch volle zweieinhalb Jahre weiter andauerte.

Dass das Verfassungsgericht pikanterweise ausgerechnet das OLG Bamberg dazu verdonnert hatte, über die eigene damalige Fehlleistung neu zu entscheiden, mag den dortigen Richtern sauer aufgestoßen sein: Ihr dazu jetzt ergangener Beschluss, an dessen Ausstehen RA Strate sie im Dezember sogar nochmals explizit erinnern musste, ist eine Demonstration der spezifisch-bayerischen Auslegung richterlicher Unabhängigkeit: unabhängig von jeglicher Logik. Unabhängig sogar vom Bundesverfassungsgericht.

Statt nämlich in den ebenso sauren wie unvermeidbaren Apfel zu beißen und den damaligen Fehler festzustellen, übt sich das OLG einfach in Arbeitsverweigerung, indem es die Beschwerde für »erledigt« erklärt:

»Mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Vollzug der Unterbringung aufgrund Anordnung der Wiederaufnahme des Erkenntnisverfahrens durch Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 06.08.2013 ist die verfahrensgegenständliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth vom 09.06.2011 jedoch gegenstandslos geworden und das hier aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.08.2013 weiter anhängige Beschwerdeverfahren hat sich somit spätestens zu diesem Zeitpunkt objektiv erledigt.« 
Quelle: strate.net   


Ein feiner Schachzug ohne Aussicht auf Bestand 


Eine jahrelang erlittene, vom Verfassungsgericht festgestellte Grundrechtsverletzung also ist laut Auffassung eines bayerischen Oberlandesgerichts »gegenstandslos«.

»Eine Maßnahme, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, ist daher grundsätzlich nicht anfechtbar«,

heißt es weiter in diesem Dokument des Grauens. Nicht anfechtbar, damit dürften nach dieser Lesart dann auch Mollaths eventuelle Schadenersatzansprüche hinfällig sein. Ein feiner Schachzug, jedoch mit wenig Aussicht auf Bestand: Zusammen mit dem Beschluss hat RA Strate auch gleich seine Gegenvorstellung veröffentlicht. Der bayerischen Justizfolklore setzt er eine klare Erinnerung entgegen:

»Gemäß § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Diese Bindungswirkung kommt auch den Kammerbeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zu.«

Weiter heißt es:

»Die Missachtung der Bindungswirkung einer vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Entscheidung verstößt gegen Art. 20 Abs. 3 GG und verletzt darüber hinaus den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.«

Und:

»Ich bitte ebenso höflich wie nachdrücklich darum, den Beschluss vom 24.3.2014 nochmals zu überprüfen. So oder so: dieser Beschluss wird nicht das letzte Wort sein.«

Nachtrag 27.4.2014:
Mit Datum vom 26. April 2014 legten die Rechtsanwälte Strate und Ventzke Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung ein.
  
Foto: Pixelio, La-Liana
Vollständige Dokumente hier nachlesen:



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Nichtkommerziell – ein Qualitätsmerkmal?

Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Lebensdauer. Materialqualität. Tragekomfort. 24-Stunden-Support. Sichererer. – Der Qualitätsmerkmale von Waren und Dienstleistungen sind es gar viele. Sie dürfen mir das gerne glauben, liebe Leser, denn als Vielschreiberin von Werbetexten für das Netz kenne ich mich aus: »Verschaffen Sie dem Leser bitte einen Mehrwert und erklären Sie ihm besonders die hochwertige Qualität unseres Angebots!«, lautet ein häufiger Kundenwunsch, dem ich immer gerne entspreche. Derartige Auftraggeber sind nicht selten Websitebetreiber aus dem mittelständischen Bereich, die mangels positivem Anschluss an das staatliche Umverteilungssystem ihren ganz eigenen Kampf zu kämpfen haben. Kurz gesagt: Nach dem Verfassen von über 2.000 Auftragstexten in den letzten drei Jahren weiß ich ziemlich sicher, was als Qualitätsmerkmal gilt und was nicht. Und ganz gewiss weiß ich, dass ein als Monstranz daher getragenes »Nichtkommerziell« diese Kriterien in keiner Weise erfüllt. Nichtkommerziell, das sind nicht einmal Google und Facebook, mit ihren 1.001-Nacht-Angeboten von »Kostenlos«. Nichtkommerziell, so meine Erkenntnis, ist in vielen Fällen eine Mogelpackung.

Zieht ein Dienstanbieter seinen gesamten Stolz aus dem Begriff »Nichtkommerziell«, sollte man immer ganz genau hinschauen. Handelt es sich nicht um jemanden, der aus anderen Quellen grundsätzlich finanziell abgesichert ist und die Sache als reine Fleißarbeit betreibt, sind folgende Hintergründe möglich:

  • Hinter dem Anbieter steht ein Geldgeber mit kommerziellen Interessen.
  • Der Anbieter ist ein bedürfnis- und obdachloser Yogi, der weder regelmäßig isst, irgendwann schläft, noch jemals ins Puff geht, heiratet oder gar Kinder zeugt, und für dessen Serverkosten sein Orden geradesteht. Oder:
  • Der stolze Nichtkommerzielle wird seinen erstaunten Usern eines Tages die Rechnung präsentieren, in Gestalt eines Spendenaufrufs, dem zu widerstehen dem Adressaten wenigstens ein schlechtes Gewissen abnötigen wird. Wäre es da nicht generell ehrlicher gewesen, für 50 Cent eine Paywall durchdringen zu müssen und dem Anbieter danach nicht mehr zu lebenslanger Dankbarkeit verpflichtet zu sein? 

»Ich betreibe diese Seite nichtkommerziell, also bitte ich Sie um Ihre Spende!«, schreibt Ihnen dieser Kandidat vielleicht und demonstriert damit, dass er Ihnen grundsätzlich überlegen ist, der Sie doch jeden Tag irgendwo und irgendwie »Leistung gegen Geld« um Ihre Existenz kämpfen und deshalb zum minderwertigen Teil der Menschheit zählen.

Zu solchen Aufrufen habe ich eine ganz eindeutige Meinung: Wer lieber betteln geht, als sich gegebenenfalls über ein reelles, kaufmännisch sauberes Refinanzierungssystem Gedanken zu machen, ist entweder

  • ein eitler Pfau
  • ein fauler Sack oder
  • bestenfalls ein Traumtänzer, an den zu spenden nichts weiter hieße, als eine Illusion mit scheinbaren Lebenschancen anzufüttern. 

Fazit: All die nichtkommerziellen Spendensammler und sonstige selbstlose Bedürftige mögen sich deshalb an andere Stellen wenden, statt auf diese Weise Geld zu erbetteln, das in ihren Augen sowieso schmutzig ist.


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Montag, 24. März 2014

Fido Buchwichtel, das Wichtelkind Polli und ein armes Menschenkind

Hallo liebe Leute!
Habe ich schon mal erwähnt,
dass ich offenbar Schwierigkeiten
mit dem Selbstauslöser habe?

In einem Wald, im Schutz alter Bäume, liegt das Dorf der Wichtel. Dort lebe ich, Fido Buchwichtel und auch Polli, ein Wichtelmädchen, mit ihrer Familie. Heute möchte ich Euch von Polli erzählen. Sie ist von Natur aus ein neugieriges Wichtelkind. Und sie ist mutig. Darum wagt sie auch mehr als andere. Sie ist die einzige, die sich nahe an eine Menschensiedlung traut. Ihre Eltern dürfen das natürlich nicht wissen. So schleicht sie sich regelmäßig von zu Hause fort und läuft an den Rand des Waldes. Dort ist ein Feldweg, der zwischen dem Wald und einer Wiese liegt, und zu den Häusern der Menschen führt.

Das an sich ist nichts ungewöhnliches und hätte auch nicht Pollis Interesse geweckt. Wenn da nicht dieses Menschenkind wäre … Polli wusste mittlerweile, dass der Name des Kindes Lars ist und, dass er in eine Menschenschule geht. Seinen Namen hatte sie herausbekommen, weil seine Mutter ihn laut ruft. Überhaupt war diese Menschenmutter eine sehr laute Person. Die Art, wie sie mit Lars umgeht, gefällt Polli überhaupt nicht. »Lars komm rein!«, »Lars, wird’s bald?« Ständig schreit sie ihn an, dass es bis in den Wald schallt. Solche Umgangsformen sind in der Wichtelwelt verpönt. Wichtelmütter kommandieren ihre Kinder nicht herum. Polli hätte sich auch längst von den Menschen und auch von Lars abgewandt. Aber Lars kann zaubern und Polli wollte unbedingt hinter diesen Zauber kommen.

Darum wartet sie auch, versteckt hinter einem Baumstumpf, bis Lars von der Schule nach Hause kommt. Aus ihrem Versteck heraus beobachtet sie ihn, wie er zaubert. Bisher ist sie nicht hinter sein Geheimnis gekommen, aber sie hat dafür viel erfahren über das Leben der Menschenkinder. So lernen die schon früh, schwere Lasten zu tragen. Darum gehen sie auch langsam und mit gebeugtem Kopf einher, einen schweren Tornister auf dem Rücken schleppend. Wichtelkinder müssen das nicht. Die haben ihre Bücher in der Wichtelschule liegen. Die Menschenschule muss auch sehr streng sein, denn Polli hatte Lars noch nie mit einem fröhlichen Gesicht nach Hause gehen sehen.

Polli hatte den Baumstumpf erreicht und sah bereits Lars. Irgendetwas war aber anders als sonst. Das Wichtelkind hielt die Luft an, denn Lars kam direkt auf den Baumstumpf zu, zog den Tornister von seinem Rücken und warf ihn in Pollis Richtung, die sich nur mit einem Sprung zur Seite retten konnte. Dabei fiel sie auf den Rücken.

»Aua, kannst du nicht aufpassen, du dummer Mensch!« Im selben Moment erschrak sie, denn Wichtelkinder dürfen sich Menschen nicht zu erkennen geben. Und das aus gutem Grund, denn unvermittelt hatte Polli das Gesicht von Lars über sich, der sie mit großen Augen ansah. In diesem Moment bekam sie dann doch etwas Angst.

»Was bist Du denn?«
Polli überlegte einen Moment, nahm dann ihren Mut zusammen, ändern konnte sie jetzt eh nichts mehr an der Situation. Ein Menschenkind hatte sie entdeckt, es gab Sinn keine Ängstlichkeit zu zeigen.
»Ich bin ein Wichtelmädchen und mein Name ist Polli! Und du bist der Lars!«

»Woher weißt du das?« Lars schien ehrlich überrascht zu sein.
»Das sage ich dir, wenn du mich aufstehen lässt. Vielleicht setzt du dich auf den Baumstumpf, dann können wir uns unterhalten.«

Lars gehorchte und so stand Polli auf und stellte sich vor den sitzenden Lars.
»Jetzt ist mein Kleidchen schmutzig geworden!« Polli zupfte Äste und Blattwerk von ihren Ärmelchen.
»Bekommst du jetzt Ärger deswegen?«
Lars wirkte betroffen.
»Nein, ich darf mich schmutzig machen. Aber ich möchte es nicht. Ist auch nicht schlimm ...«
Ein Schrillen zerriss die Stille. Da war er wieder. Der Schachtelzauber, den Lars beherrschte und hinter dessen Geheimnis Polli unbedingt kommen wollte. Gebannt betrachtete sie das Menschenkind. Lars griff in seine Hosentasche, verdrehte dabei seine Augen, als wäre es ihm lästig. Er holte eine kleine Schachtel heraus, drückte dabei mit dem Finger auf die Fläche, führte die Hand mit der Schachtel an sein Ohr und raunzte ein ›Ja!‹

Polli starrte fasziniert auf Lars und hörte tatsächlich aus der Schachtel die Stimme der Mutter.
»Das Essen ist fertig!«
»Ja, ich bin gleich da!«
»Hast du Mathe zurück?«
»Ja«
»Und?«
»Ne fünf.« Seine Stimme wurde immer leiser, dicke Tränen liefen Lars über die Wange. In diesem Moment vergaß Polli ihr Interesse an dem Schachtelzauber.
»Komm du nach Hause, Männeken. Heute wirst du nur das kleine Einmaleins üben! Und eine Woche Fernsehverbot, verstanden?«
»Ja.«
Die Schachtel verschwand in der Tasche. Es kam auch keine Musik aus der Schachtel wie sonst. Polli verstand die Menschen nicht. Sie konnte Stimmen und Musik aus kleinen Schachteln zaubern, aber das Einmaleins mussten sie üben. Polli befand, dass Lars viel zu alt war, um das zu lernen.

»Ich muss nach Hause.«
Lars bückte sich nach seiner Schultasche.
»Du kannst das Einmaleins nicht? Das musst du mir erklären! Aber putze dir erst die Nase, du hast Schnodder hängen!«
Jetzt musste Lars leise lachen. Er schnäuzte sich die Nase, wischte sich die Tränen weg und steckte das Taschentuch wieder ein.

»Na ja, ich hätte vor der Klassenarbeit üben müssen.« Seine Antwort kam kleinlaut.

»Wir Wichtelkinder lernen das kleine Einmaleins bevor wir in die Wichtelschule gehen. Unsere Mütter lesen uns aus einem Buch vor. Da sind Reime und Sprüche aufgeschrieben. So lernen wir das ganz einfach und haben keine Probleme damit. Hat das deine Mutter nicht bei dir gemacht? Dir vorgelesen?«
Lars schüttelte traurig den Kopf. Er sah das Wichtelmädchen an.
»Eine Tante hatte mir mal ein Buch geschenkt, das ist lange her, da war ich noch im Kindergarten. Da waren auch Einmaleinsgedichte drin. Sie hatte meiner Mutter gesagt, dass die mir daraus vorlesen soll. Dann würde ich das Einmaleins mühelos lernen. Aber meine Mutter hat das nie gemacht. Das Buch muss ich aber noch irgendwo haben.«

Polli dachte einen Augenblick nach.
»Weißt du was, Lars? Such doch das Buch hervor. Jetzt kannst du selbst darin lesen.«
»Sehe ich dich morgen wieder?«
Polli überlegte einen Moment. Dann nickte sie, ihr fiel die Schachtel wieder ein und der Zauber aus der Schachtel, hinter dessen Geheimnis sie ja kommen wollte.

Als Lars das häusliche Donnerwetter seiner Mutter und auch das Mittagessen hinter sich gebracht hatte, ging er in sein Zimmer. In der hintersten Ecke einer seiner Spielzeugkisten fand er das Buch wieder, das ihm die Tante vor langer Zeit geschenkt hatte. Er setzte sich auf sein Bett und las sich selber vor:
»Einmaleins Walpurgisnacht!: Rechnen ist (k)eine Hexerei«


Eine schöne Woche wünscht

Fido Buchwichtel

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Sonntag, 23. März 2014

218 »Drei Hasen«

Der Hohe Dom zu Paderborn
birgt ein Geheimnis.
Foto Walter-Jörg Langbein
Teil 218 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Sorgfältig reinige ich die fünfzehn mal zehn Zentimeter kleine Glasplatte vom Staub. Da und dort schimmert etwas wie ein Bildnis durch. Die freien Flecken lassen sich vergrößern. Das geht, so scheint es, recht einfach. Doch dann bleibt immer noch eine Schmutzschicht, die verbirgt, was auf der Glasplatte zu sehen ist. Ein »Screen Cleaner« löst Verkrustungen. Nach und nach kommt so etwas wie ein Bild zum Vorschein.

Endlich ist die Glasplatte vollständig von Schmutz befreit. Das Bild erweist sich als Fotonegativ. Etwas Kreisrundes steht im Mittelpunkt. Drei »Stäbe« ragen in den Kreis hinein. Daran befinden sich… ja was? Komplett einscannen kann ich das Glasnegativ nicht, also digitalisiere ich es streifenweise und füge die Streifen schließlich zu einem Ganzen zusammen.

Jetzt erkenne ich das Schwarzweißbild. Da ist so etwas wie ein rundes Fenster. Drei steinerne (?)Hasen – an Metallstäben befestigt – laufen im Kreis (ein Fenster) wie in einem Laufrad um die Wette. Irgendwo habe ich diese Darstellung – oder eine ähnliche –  schon gesehen.

Es war in England, in der Grafschaft Devon. Ich besuchte als Schüler das Kleinstädtchen Tavistock am Tavy, im westlichen Devon gelegen.  Bei einem Gottesdienstbesuch schaute ich gelangweilt an die Decke des Gotteshauses. Da erspähte ich den Schlussstein mit eigenartiger Verzierung. Drei goldene Hasen mit blaugrünen Augen liefen im Kreis. Die niedlichen Häschen hatten natürlich alle jeweils zwei Ohren, insgesamt aber nicht sechs, sondern nur drei Ohren. Die drei Ohren bildeten ein Dreieck… Drei Hasen.. drei sichtbare Augen… drei Ohren.

»Das ist das Symbol für die christliche Dreifaltigkeit!«, erklärte mir der örtliche Geistliche nach dem Gottesdienst. »Aber wieso Hasen?«, wollte ich damals wissen. Der Geistliche zuckte nur mit den Schultern. Etwas ganz Ähnliches ist offensichtlich auf der Glasplatte zu sehen: drei Hasen laufen im Kreis, sie haben alle je zwei Ohren… insgesamt aber nur der Ohren drei. Ein Reim fällt mir beim Betrachten des von mir zusammengestellten »Puzzles« ein:

Leicht übersieht man die drei Hasen... Foto Walter-Jörg Langbein

»Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei!«, der alte Merkspruch erinnert an ein Kuriosum des Doms zu Paderborn! Also machte ich mich auf nach Paderborn. Von Bad Pyrmont sind es mit der S-Bahn nur 45 Minuten. Vom Bahnhof in Paderborn zum Dom marschiere ich in knapp dreißig Minuten. Aber wie komme ich zu den drei Hasen vom Paderborner Dom? Ein freundlicher Geistlicher führt mich geduldig. »Das Dreihasenfenster befindet sich an der Nordseite, allerdings nicht im Dom selbst, sondern im Innenhof des Domkreuzgangs!«, erfahre ich.

Geschaffen wurde das rätselhafte Motiv vermutlich im beginnenden 16. Jahrhundert, also vor etwa einem halben Jahrtausend. Ein unbekannter Künstler hat sie aus rotem Wesersandstein gemeißelt. Im Lauf der Jahrhunderte änderte sich das mysteriöse Kunstwerk. Zeitweise waren die drei Hasen mit metallenen Stangen am steinernen Kreis befestigt. Zeitweise hatten die Nager einen anderen Hintergrund. Die drei Hasen selbst haben sich aber im Verlauf der letzten fünfhundert Jahre nicht verändert.

Drei Hasen springen im Kreis... Foto Walter-Jörg Langbein

»Das Dreihasenfenster ist symbolisch zu verstehen!«, erklärt mir der Gottesmann vor Ort. »Es versinnbildlicht die Heilige Dreifaltigkeit!« Aber wieso Hasen? Der Geistliche zuckt mit den Schultern. »Manche bringen den Hasen als Symbol mit der Unsterblichkeit in Verbindung!« Andere wiederum verstehen den Hasen als Erinnerung an vorchristliche, heidnische Zeiten! Christlich ist das Symbol des Hasen allerdings ganz und gar nicht, auch wenn uns der Hase an den Osterhasen erinnert.

Das zentrale Fest der christlichen Konfessionen ist Ostern. Es ist auch zugleich das älteste christliche Fest und wurde bereits in der ersten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts gefeiert. In der jungen Gemeinde gedachte man allerdings zunächst mehr des Kreuzestodes Jesu und nicht, wie heute, seiner Auferstehung. Um den genauen Zeitpunkt von Ostern stritt man sich Jahrzehnte lang. Fast hätte der Disput zu einer Kirchenspaltung geführt. Erst im Jahr 325 n.Chr. einigte man sich auf dem Konzil von Nizäa auf den heute noch gültigen Termin.

Heute ist Ostern das wichtigste Fest im christlichen Kirchenjahr. Sein Ursprung ist allerdings alles andere als christlich. Er reicht weit in vorchristliche Zeiten zurück. Ostern hatte zwei heidnische Vorläufer: ein germanisches Frühlingsfest und die Feierlichkeiten zu Ehren der Göttin Ostara. Auf sie geht auch der Name Ostern zurück. Über die nordische Gottheit Ostara gelingt aber wiederum der Brückenschlag, so erstaunlich das klingen mag, zur Bibel: Die Frühlingsgöttin entspricht der biblischen Astarte.

Astarte (1) allerdings war offiziell alles andere als beliebt bei den Anhängern des biblischen Jahweglaubens. Kein Wunder! Astarte dürfte als mächtige Konkurrenz gesehen worden sein! Die Herrin von Byblos wurde schon Jahrtausende vor dem Eingott Israels angebetet. Sumerische Rollsiegel aus Lagasch zeigen sie schon um 2300 v.Chr. als »Himmelskönigin«. Sie führte das Regiment über Sterne und Tote. Salomo, so berichtete es das erste Buch der Könige, betete Astarte an. Dadurch zog sich der berühmte König Israels den Zorn Gottes zu.

Der Hase ...  ein heidnisches Symbol. Fotos Walter-Jörg Langbein

Verwirrend sind die Familienverhältnisse der Göttin. Angeblich war sie eine Tochter von Ascherah und El. El wird im Alten Testament häufig mit Jahwe gleichgesetzt. Dank der syrischen Angewohnheit, wichtigen Göttinnen stets zwei Namen zu verleihen, waren Verwechselungen geradezu vorprogrammiert. Sorgsamen Götterrecherchen zufolge sind Astarte und Anath ein und dieselbe Himmelsgöttin.

Astartes Name bedeutete ursprünglich, sinngemäß übersetzt, »die, die gebärt«. Sie wurde als Symbol der Fruchtbarkeit verehrt. Lebt im »christlichen« Osterhasen ein heidnisches Symbol für Fruchtbarkeit weiter? Kann man die drei im Kreis laufenden Hasen als Symbol für Unsterblichkeit sehen, für den ewigen Kreislauf des Lebens?

Die drei Hasen auf der Glasplatte ...
mühsam rekonstruiert. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein

Christliche Interpreten werden das bestreiten. Sie werden nur eine Interpretation gelten lassen: »Drei Hasen gleich Heilige Dreifaltigkeit«. Tatsächlich sind die drei Hasen im christlichen Europa weit verbreitet. Das konnte inzwischen nachgewiesen werden. In England gibt es eine Studiengruppe, die sich ausschließlich den drei Hasen verschrieben hat. Das »Three Hares Project« (2) hat Erstaunliches herausgefunden. Die drei Hasen mit den drei Ohren, die sie sich teilen, wurden in Dutzenden von englischen Kirchen verewigt, besonders häufig, wie es scheint, in Devon, aber auch in Suffolk. In der Kathedrale von Chester wurde um 1400 n.Chr. das »Drei-Hasen-Motiv« in einer Fließe verewigt. Es taucht offenbar in ganz Europa auf, in Deutschland, Frankreich und in der Schweiz.

Das mysteriöse Fenster...
Oben: Die drei mysteriösen Hasen.
Foto Walter-Jörg Langbein


Allerdings gibt es das mysteriöse »Drei-Hasen-Motiv« auch außerhalb christlicher Glaubenswelten! Die ältesten bekannten Beispiele wurden in den Höhlentempeln von Magao bei Dunhuang, China gefunden. Sie entstanden zwischen 581 und 907 n.Chr. Due buddhistischen Künstler hatten mit Sicherheit keine christliche Symbolik im Sinn! Das gilt ohne Zweifel auch für eine Kupfermünze, anno 1281 oder 1282 in Urmiya, Iran, geprägt! Noch ein Beispiel: Ein Reliquienschrein aus dem »südlichen Russland« soll im späten 13. Oder frühen 14. Jahrhundert angefertigt worden sein. Offenbar entstand das kostbare Behältnis nicht in christlichem, sondern islamisch-muslimischem Umfeld!

Kurzum: Das »Drei-Hasen-Motiv« vom Hohen Dom zu Paderborn taucht häufiger auf als man annehmen möchte, und das nicht nur in christlichem Umfeld. Unterschiedlichste Kulturkreise kennen es, verehren es. Aber wie interpretieren sie es? Es gibt keine einzige zeitgenössische Interpretation. War die Bedeutung der drei Hasen mit den drei Ohren geheim?

Schon die Mayas von Palenque glaubten an eine »Dreifaltigkeit«. Demnach waren die Vorfahren der ersten Herrscher von Palenque drei Gottheiten, die eine Triade bildeten. Dreigegliedert war auch das Weltbild der Mayas, bestehend aus Himmel, Erde und Unterwelt. Reichlich prosaisch heißen die drei Götter der Palenque-Trinität »GI«, »GII« und »GIII«.



Fußnoten
1) Siehe: Langbein, Walter-Jörg: »Lexikon der biblischen Irrtümer«, München 2003
2) Siehe hierzu auch: »The Three Hares Project«, http://www.chrischapmanphotography.co.uk/hares/index.html


Der Innenhof ... Fenster über Fenster ... ein Drei-Hasen-Motiv.
Foto: Walter-Jörg Langbein

»Die Krypta und das Grab«,
Teil 219 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 30.03.2014


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Montag, 17. März 2014

Fido Buchwichtel begibt sich in Liebensgefahr

Hallo liebe Leute!

Habt Ihr lieben Menschen die vergangene Woche auch so genossen wie ich? Der Frühling ließ sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte und ich machte auch die Flatter. Mein Schwippschwager, der vor vielen Jahren nach Holland ausgewandert war und sich dort gemütlich eingerichtet hatte, hat mich eingeladen. Er wohnt direkt an einem Tulpenfeld. Schaut mal, das Bild ist dort entstanden, ist es nicht schön?

Fido Buchwichtel im Tulpenfeld
Foto: Selbstauslöser
Als das Wetter zum Freitag umschlug, habe ich mich wieder nach Hause begeben. Was soll ich sagen, meine über alles geliebte Wichtelfrau hielt mir einen Vortrag bei meiner Rückkehr. So musste ich ihr versprechen, bis zum Osterfest auf auf meine Reisen zu verzichten. Dabei sind das ja fast schon Dienstreisen, die ich unternehme. Immerhin geht es ja um Bücher und darum, die Orte der Geschehen zu inspizieren. Irgendwie scheint es mir, dass mich meine Frau nicht versteht. Das habe ich auch meinem Schwippschwager schon erzählt, als wir uns abends in einer typisch holländischen Wichtelkneipe einige Nussschalen Holunderschnaps gönnten.

Meine Wichtelfrau geht mir manchmal ganz schön auf den Zeiger! Auch wenn ich sie natürlich liebhabe, nervt es mich einfach, dass sie ihren Verpflichtungen nicht immer so nachkommt, wie sich das für eine ordentliche Wichtelfrau gehört. Manchmal kommt sie zu spät vom Einkaufen zurück, weil sie mit den schweren Tüten einfach zu langsam ist. So schafft sie es dann nicht rechtzeitig, mein Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Ich werde doch immer so unleidlich, wenn ich richtig Hunger habe!

Neulich hat sie sich zwar extra beeilt, doch genau deshalb sind die Blütenpollenklößchen  angebrannt. Mal im Ernst: Wer mag so etwas essen? Also ich ganz sicher nicht! Wie bringe ich sie nur dazu, sich ein bisschen zu organisieren und ihre Arbeit besser einzuteilen? Tatsächlich ist es so, dass ich jedes Mal gestört werde, wenn ich gerade ein Spiel der Wichtelliga im Fernsehen anschauen will, weil sie unbedingt mit dem Staubsauger hantieren muss. Dazu ist später auch noch Zeit, wenn ich in der Kneipe sitze! Was soll das alles nur?

Aber ich muss sagen, dass sie andererseits auch oft richtig süß zu mir ist! Neulich hat sie mir sogar etwas geschenkt! Ja, im Ernst: Die kam mit einem nagelneuen E-Book-Reader an! Und ein Buch war auch schon drauf! »Vorsicht Liebensgefahr!«, ein wilder Thriller von Ursula Prem, in dem eine Frau ihren Mann umbringt, weil er ihr wohl irgendwie auf den Nerv ging. Ist das nicht einfach goldig, wie meine Wichtelfrau an mich denkt?

Wie dem auch sei, ich wünsche Euch eine stressfreie Woche und bis nächsten Montag eine gute Zeit!

Winke winke Euer

Fido Buchwichtel




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Sonntag, 16. März 2014

217 »Drei Heilige und ein Heidenstein«

Teil 217 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


St. Jakobus bei Nacht. Foto Walter-Jörg Langbein

Zu den mysteriösesten Kirchen Deutschlands zählt für mich St. Jakobus von Urschalling, am Chiemsee gelegen. Das kleine Gotteshaus birgt ein inzwischen recht bekanntes »ketzerisches« Geheimnis. Es ist eigentlich ein Sakrileg: Auf einem uralten sakralen Fresko wird der »Heilige Geist« dargestellt - ganz eindeutig als Frau! Es gibt im kleinen Kirchlein von Urschalling allerdings zwei weitere Rätsel…

Vollendet wurde das äußerlich unscheinbare Gotteshaus Ende des 12. Jahrhunderts, also vor weit mehr als acht Jahrhunderten. Der Turm dürfte sehr viel älter sein. Er stammt womöglich, zumindest in Teilen, aus der Römerzeit. Als die Römer längst abgezogen waren, blieb der Turm zurück. Er war als Zuflucht gedacht, im Falle von Überfällen durch Räuberbanden oder feindliche Truppen. Ob er je als »letzte Rettung« genutzt wurde, wir wissen es nicht. Später wurde das kleine Kirchenschiff an den Turm gesetzt und eine Verbindung geschaffen. St. Jakobus wurde von den Einheimischen als – wie St. Michael von Kirchbrak – als Wehrkirche angelegt.

Nicht ganz klar ist, wann genau die ersten frommen Fresken angebracht wurden. Die ältesten sind vielleicht schon acht Jahrhunderte alt. Um 1550 wurden sie jedenfalls alle überputzt und übertüncht. Sie gerieten in Vergessenheit.

Die »Trinität« von Urschalling.
Foto Walter-Jörg Langbein
Als man die schmalen Fenster des Gotteshauses erweiterte, wurden – unwissentlich – herrliche Fresken aus uralten Zeiten beschädigt. Wieder entdeckt wurden sie erst anno 1923. Ein älterer Einwohner von Urschalling erklärte mir bei meinem Besuch, seine Urgroßmutter habe bei einer langweiligen Predigt an der Wand gekratzt. Etwas sei abgefallen und ein Gesicht zum Vorschein gekommen. Ob die kleine Anekdote der Wahrheit entspricht?

Ursprünglich waren alle Wände und die Decke im schönen Gotteshaus mit unzähligen religiösen Bildnissen flächendeckend geschmückt. Erst 1941/42, 1966 bis 1968 und 1980 bis 1991 wurden mit großem Aufwand Restaurierungen vorgenommen. Es zeigte sich, dass doch einige erhebliche Lücken in der Freskenmalerei klaffen. Zum Glück haben die Restauratoren aus Respekt vor den Originalen Leerstellen nicht neu bemalt. So sind die religiösen Malereien lückenhaft geblieben, aber unverfälschte Originale.

Etliche Jahrhunderte jünger als die dezente Freskenmalerei sind drei gekrönte Heiligenfiguren. Sie entstanden erst im 16. Jahrhundert, die drei heiligen Frauen. In ihrer Mitte erkennen wir sofort die Gottesmutter Maria. Sie sitzt auf einem Thron und hat das kleine Jesuskind auf dem Arm. Zu ihrer Rechten steht, ebenfalls mit einer Krone auf dem Haupt, steht die Heilige Katharina. Zur Linken Mariens machen wir die Heilige Barbara aus.

Die Heilige Katharina wird als Märtyrerin verehrt, und das sowohl von den katholischen, als auch von der Orthodoxen Kirche. Sie soll zur Zeit der Regentschaft von Caesar Maximus Daia (305-313 n.Chr.) für ihren Glauben gestorben sein. Katharina, Tochter des heidnischen Königs Costus aus Zypern, wurde – so weiß es die Überlieferung – von einem frommen Eremiten zum Christentum bekehrt. Kaiser Maximus ließ seine besten Gelehrten und Philosophen gegen Katharina antreten. Katharina aber gab ihren Glauben nicht auf. Sie argumentierte so überzeugend, dass ihre fünfzig Widersacher geschlossen zum Christentum übertraten. Der wütende Kaiser ließ sie zur Strafe auf dem Scheiterhaufen verbrennen.

Nusplingen St. Peter und Paul, Enthauptung Katharina
von Alexandrien . Foto  LepoRello (Wikipedia)

Der Kaiser war von Katharinas Standhaftigkeit und Intelligenz zutiefst beeindruckt. Wiederholt bot er ihr an, neben ihm auf dem Thron zu sitzen und als Herrscherin zu regieren. Doch Katharina lehnte das Angebot immer wieder ab, auch dann noch, als sie fürchterlichen Qualen ausgesetzt wurde. So wurde Katharina zunächst grausam gefoltert, dann zwölf Tage blutend und ohne Nahrung in ein finsteres Verließ gesperrt. Engel standen ihr – nach uralter Überlieferung – bei, versorgten ihre Wunden. Sie bereiteten sie auf ihren Tod als Märtyrerin vor.

Auch als Katharina mit grausamen Folterinstrumenten zu Tode gequält werden sollte, erhielt sie zunächst göttlichen Beistand. Als sie mit fürchterlichen Rädern zerstückelt werden sollte, betete die fromme Frau verzweifelt.  Ein Engel stieg vom Himmel herab und zerstörte die mit Nägeln und Sägen bestückten Räder mit solcher Gewalt, dass 4 000 gaffende Zuschauer auf der Stelle getötet wurden.

Katharina wurde dann aber doch mit einem Schwert enthauptet. Wieder ereignete sich ein Wunder. Aus ihren Wunden quoll kein Blut, sondern Milch. Engel trugen ihren geschundenen Leib auf den Berg Sinai im Heiligen Land und bestatteten sie. Erst ein halbes Jahrtausend später wurden ihre sterblichen Überreste gefunden. Und genau dort wurde das »Katharinenkloster« errichtet. Aus ihren Knochen, so heißt es, fließe heilsames Öl.

Enthauptung Barbaras,
Barbara Altar von Jerg Ratgeb in der
Stadtkirche Schwaigern,
1510 Schmelzle (talk  contribs)
Auch Barbara von Nikomedien soll sich – so überliefert es der alte Volksglauben – geköpft… vom eigenen Vater. Gerade zu Zeiten blutiger Christenverfolgungen im dritten Jahrhundert soll sich Barbara dem neuen Glauben zugewendet haben. Barbara, von mächtigen Männern heiß begehrt, wurde in einen Turm eingesperrt, bekannte sich aber weiter zum Christentum. Die Ärmste wurde gefoltert, um sie vom Christentum wieder abzubringen… 

Vergeblich. Wie Katharina bekam auch die Heilige Barbara zunächst göttlichen Beistand. Wie so häufig sollte Barbara aber nicht wirklich geholfen, ihr qualvolles Leiden sollte nur verlängert werden. Als ihr Vater sie eigenhändig töten  wollte, tat sich ein Felsspalt auf. Barbara konnte sich zunächst verbergen. Ein böser heidnischer Hirte allerdings verriet das Versteck. Zur Strafe verwandelte Gott den Mann in einen Mistkäfer.

Barbara aber konnte ergriffen werden. Sie wurde misshandelt, bis ihr die Haut in Fetzen vom Leibe hing. Ihre Brüste wurden abgeschnitten, Barbara wurde mit brennenden Fackeln gemartert… Wieder gab es vorübergehend Linderung. Ein himmlischer Bote tauchte auf und umhüllte ihren geschundenen Leib mit einem weißen Gewand. Jesus, der Heiland der Christen, soll selbst erschienen sein und ihre Wunden geheilt haben. Der himmlische Beistand aber zögerte ihr Ende nur hinaus. Wie Katharina wurde auch sie nicht gerettet, sondern vom eigenen Vater enthauptet. Der unerbittliche Mörder aber – so weiß die fromme Legende – überlebte seine Tochter nicht lange. Er wurde kurz nach seiner Tat dahingerafft: Ein Blitz traf ihn und verbrannte den Christenhasser.


Die Heilige Katharina von Urschalling links im Bild.
Die Heilige Barbara rechts im Bild.
Foto: Walter-Jörg Langbein

Die Heilige Katharina wird häufig mit ihren Insignien Rad und Schwert dargestellt, weil sie mit dem Rad gepeinigt und mit dem Schwert enthauptet wurde. Die Heilige Barbara wird oft mit dem Turm verewigt, weil sie in einen Turm gesperrt wurde. Die Katharina von Urschalling hält stolz das tödliche Schwert in den Händen, die Heilige Barbara den Turm.

Die Heilige Margareta von Antiochien erlitt den Märtyrertod im Jahre 305 n.Chr. Sie soll von ihrer christlichen Amme erzogen und zum Christentum bekehrt worden sein. Ihr eigener Vater – so überliefert die fromme Legende – zeigte sie an und brachte sie vor Gericht. Der heidnische Richter begehrte die sehr attraktive junge Frau, wurde aber empört zurückgewiesen. So wurde sie einer Feuerfolter unterzogen und in siedendes Öl geworfen. Auf wundersame Weise überlebte sie diese mörderischen Torturen, was zu wahren Massentaufen führte. Doch auch Margareta musste schließlich sterben. Wie Katharina und Barbara wurde sie enthauptet.

Das weithin bekannte »Geheimnis« von Urschalling ist die »Dreifaltigkeit« mit einer »Heiligen Geistin« in der Mitte. Kaum beachtet ist ein zweites »Geheimnis«, eine rein weibliche Trinität. Barbara, Katharina und die Heilige Margareta von Antiochien bilden eine weibliche Trinität, eine weibliche Dreifaltigkeit innerhalb der berühmten »Vierzehn Nothelfer«. Eine weibliche Trinität formieren auch die drei »Heiligen« von Urschalling. Allerdings wurde Margareta durch Maria, die Gottesmutter, ersetzt.


Der »Heidenstein«, das
»dritte Geheimnis« von Urschalling.
Foto Dr. Wilfred Krause at de.wikipedia

Das dritte »Geheimnis« mutet sehr rätselhaft an. Im Mittelgang der St. Jakobus-Kirche steht so etwas wie ein steinerner Pilz. Der Fuß -  eine niedrige, moderne Säule. Sie könnte aus Beton sein.  Und darauf ruht ein uralter Stein - die Kappe des Pilzes. Die merkwürdige Säule mit dem Stein darauf wirken fast störend. Sie versperren teilweise den Weg zum Altar. Der runde Stein weist einen »Kreis« an der Oberseite auf, bestehend aus sechs sorgsam »gebohrten« Löchern, mit einer siebten Vertiefung in der Mitte.

Im Mittelgang der mysteriöse Stein.
Foto Dr. Wilfried Krause
at de.wikipedia

Was auch immer dieser runde Steinscheibe darstellen soll, christlich ist sie nicht. Wann entstand sie? Welchem Zweck diente sie? Im 19. Jahrhundert, so ergab mein Quellenstudium, hielt man sie für einen »keltischen Heidenstein«, was auch immer das bedeuten soll. Diese These ist heute mehr als umstritten. Der Stein, so erfuhr ich von einer außergewöhnlich gut informierten Expertin, stammt aus römischer Zeit. Vielleicht wurde er von römischen Soldaten als »Spielstein« verwendet.

Wie aber kam der »Heidenstein« in die christliche Kirche von Urschalling? Und warum? Jemand, vermutlich ein Pfarrer, ließ ihn – wahrscheinlich im 19. Jahrhundert –  hinter dem Altar einmauern. Warum? Warum wurde er nicht dort belassen? Warum wurde er aus der Mauer gerissen und dann an so zentraler Stelle im Mittelgang auf einem Säulenpodest angebracht, und zwar so, dass er nicht zu übersehen ist? Betritt man heute die Kirche und blickt Richtung Altar, dann sieht man zentral vor sich den »Heidenstein« und rechts vor sich die weibliche Trinität mit Maria, der Gottesmutter, im Mittelpunkt…..


»Drei Hasen«,
Teil 218 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«,                         
von

Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 23.03.2014





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